Solche gibt es auch noch, gibt es halt auch noch, sie sind irgendwie noch da, irgendwie halt, wegrationalisiert noch nicht, wie das früher hieß. Sie stehen so analog herum im analogen Raum. Schauen sich verdattert um. Weil alles löst sich gerade auf. Da war doch eben noch die Bank mit der grantigen Belegschaft. Dann war da noch die Bank, ohne grantige Belegschaft, nur noch mit dem Automaten. Der war zwar ebenfalls verhaltensoriginell, aber er war doch da, das doch. Man konnte ihn anfassen, und er spuckte aus. Aber eines Tages war er nicht mehr da, und dann standen ein paar draußen vor der Tür, hinter der es nichts mehr gab, nicht einmal eine Erklärung, und erhoben schüttere Stimmchen. Trauerten um einen Automaten. Dann verröchelte der Protest, wie sie es nannten, und sie gingen nach Hause. Sie wollten sich beschweren, aber das war sehr schwer, weil die Instanz war online und immer off.
Alles ist übersiedelt in den virtuellen Raum, nur den alten Analogen fehlt der Schlüssel. Schlüssel, haha, was ist das bitte, was soll das für ein Tool sein? Dieser Raum, man sieht ihn nicht, man riecht ihn nicht, ist ihnen suspekt wie Atom, sie sind störrisch und wollen da partout nicht hin.
Sie sind überhaupt so widerborstig und Ihre Sinne sind noch so primär ausgelegt. Sie sind noch so haptisch. Sie schleppen Beutel mit sich in denen es scheppert, in denen sie nach Münzen klauben wie in der Römerzeit, sie zücken Scheine, auf denen alte weiße Männer zu sehen sind. Sie sind so niedlich. Wenn sie Musik hören, hängen sie nicht in Clouds ab, sondern sie legen kleine oder gar pizzagroße Scheiben auf oder ein, sie streamen nicht und manche unter ihnen suchen sogar noch Orte auf, in denen Zeug rumliegt, das sie zum Dank dann selber wegschleppen müssen. Dafür blechen sie mit eigenhändig aus dem Hosensack gefischtem Gerümpel, auch Bargeld genannt. Das ist ihnen wichtig, eine Art Fetisch. Aber selbst in diesen Reservaten teilt man ihnen mitleidig mit, sie sollten doch bitte nach Online. Sie sollten sich nach online scheren. Aber wo ist das und wie kommt man dorthin?
Von überall werden sie vertrieben, sie sind heimatlos, aber sie kommen nirgendwo hin, Irrende, Ausgestoßene, ohne Navigator. Ohne App. Der Behördengang wird leider nicht möglich sein, die Überweisung wird nicht getätigt werden, und die Pizza kommt leider auch nicht. Nichts kommt, nichts geht. Und leider nicht ins Museum und nicht mit der Bahn und nicht ins Flugzeug und ans Meer und nicht auf den OP-Tisch, und der schnuckelige Platz auf dem Friedhof ist nur noch kurz buchbar, mit der App. Und mit Kreditkarte, klar, das sowieso. Also ohne nicht. Dann eben nicht.
Auf den Flughäfen stehen die alten Analogen und betteln Menschen in schmucken Kostümen um Betreuung an, scherzhaft nennen sie sich letzte Mohikaner*innen, Aussterbende, was sie ja sind, es entlockt den Kostümierten kein Lächeln.
Die analogen Blockierer*innen, lauter Tore die vor den Toren von Brave New World zurückschrecken? Nur schreck! gähn! Alte, die durch den entleerten analogen Raum tappen auf der Suche nach einem Stück Brot oder einer Theaterkarte? Keineswegs, heißt es jetzt, gerade hoffnungsvolle junge Menschen hätten jetzt wieder so eine Sehnsucht. Nach wirklichem Leben. Nach authentischem Leben. Nach, siehe da!, einfach mal aufschauen vom Display, wie die Achtsamkeits-App Achtung, achtsam! suggeriert. Und es gäbe sogar zunehmend welche, die einfach wieder gern freie, selbstbestimmte Menschen wären, wie es so schön altmodisch heißt, solche, die im Restaurant bestellen ohne Klicks und Apps und Codes. Einfach so. Und vielleicht mal ohne Smartphone unterwegs wären. Einfach so.
Recht auf analoges Leben! heißen jetzt Leitartikel und politische Statements, die die Diskriminierung in einer rein digital funktionierenden Öffentlichkeit anprangern, die Ausgrenzung durch eine exklusiv digitale Dienstleistung. Mit dem Smartphone als Grundrechts-Zugangsgerät.
Der Ex-Herausgeber der Süddeutschen träumt gar vom Aufstand der Analogen.