Hedge-Fonds-Richtlinie

Land in Sicht

d'Lëtzebuerger Land du 27.05.2010
Vor etwas mehr als einem Jahr hatten sich die EU und die USA und andere führende Wirtschaftsmächte beim G20-Gipfel in London versprochen, Steueroasen auszutrocknen, die Finanzmarktaufsicht zu verbessern und Finanzmärkte insgesamt und gemeinsam besser zu regulieren, jedes dunkle Loch der internationalen Finanzwelt auszuleuchten und jeden noch so im verborgenen handelnden Akteur ins Licht zu zerren.

Vergangene Woche nahmen die europäischen Finanzminister und das Europaparlament parallel zwei verschiedene Versionen eines Richtlinienvorschlags an, der große Teile dieses Vorhabens umsetzen soll und über den sich Minister und Parlamentarier in den kommenden Wochen einigen sollen: die Richtlinie über die Manager alternativer Investmentfonds (AIFM). Die liest sich so, als ob die europäischen Gesetzgeber alle guten Vorsätze auf einmal umsetzen wollten. Es ist ein Potpourri von Lösungsansätzen für alle Probleme, die man in den vergangenen zwei Jahren, angefangen bei der Lehman-Pleite bis hin zum Madoff-Skandal, erlebt hat.

Dabei ist nicht unumstritten, ob die EU-Politik den Patienten Finanzmarkt überhaupt an der richtigen Stelle operiert. Oder die richtige Medizin verordnet. Unter die Bezeichnung alternative Investmentfonds fallen mehr oder weniger alle Fonds, die kein europäisches UCITS-Etikett für Publikumsfonds tragen. Visiert sind aber vor allem Hedge Fonds, Beteilungsgesellschaften (Private-Equity-Fonds) und Risikokapitalgesellschaften (Venture-Capital-Fonds), also die, die von Politik und Öffentlichkeit als gewissenlose Spekulanten und Heuschrecken identifiziert wurden.

„Nach jeder Krise sucht die Politik nach einem Verantwortlichen“, sagt Professor Alfred Steinherr, ehemaliger Chefvolkswirt der Europäischen Investitionsbank, der an der Sacred Heart University in Luxemburg unterrichtet. „Diesmal waren es die Hedge Fonds. Dabei wissen wir: Mit der Finanzkrise, wie auch mit der aktuellen Schuldenkrise hatten die Hedge Fonds wenig zu tun“, so Steinherr, der selbst im Aufsichtsrat von vier Hedge Fonds sitzt, die von London aus gemanagt, aber in Bermuda registriert sind.

Dennoch will ihnen die EU ans Leder, alle Manager alternativer Investmentfonds sollen sich künftig registrieren lassen. Mit dem erklärten Ziel, so schreibt der EP-Rapporteur Jean-Paul Gauzès, die Off-Shore-Fonds – über 90 Prozent aller Hedge Fonds sind auf den Cayman Inseln, den Britischen oder den Amerikanischen Jungferninseln zu Hause, sogar die, die von der europäischen Hedge-Fonds-Kapitale London aus gemanagt werden –, zum Umzug aufs Festland zu bewegen. Von dieser Immigrationswelle könnte auch der Luxemburger Finanzstandort profitieren, meinen manche Beobachter. Wenn das Kalkül aufgeht und die Fonds kommen. Und sich nicht, wie vor allem britische Beobachter meinen, sich künftig verstärkt aus Europa zurückziehen.

Das Kompromiss-Papier aus der Finanz- und Wirtschaftskommission des Europaparlaments sieht Neuerungen auf einer ganzen Reihe von Ebenen vor. Die Informationspflicht gegenüber der Finanzaufsicht und den Anlegern steigt. Künftig sollen die Fonds die Aufseher über ihre bislang streng gehüteten Investitionsstrategien aufklären, sowie die Lohnpolitik und den maximal genutzten Fremdfinanzierungsgrad. Den müssen sie auch ihren Anlegern mitteilen, die sie auch ins Bild setzen müssen, wenn sich beispielsweise die Zuständigkeiten im Bezug auf die Depot-Bank ändern.

Dass Beteilungs- und Risikokapitalgesellschaften künftig den Aufsichtsbehörden, den Zielgesellschaften und deren Mitarbeitern mitteilen müssen, wenn sie – so will es das Parlament – mehr als zehn Prozent der Stimmrechte nicht-börsennotierter Firmen kaufen, ist zwar angesichts der Heuschreckendebatte verständlich.

Auch die Vorkehrungen gegen das so genannte Asset Stripping sind auf jeden Fall begrüßenswert, also die Praxis, gesunde Mittelstandsunternehmen mittels Kreditaufnahme zu kaufen und dann zu demontieren indem die Kassen der gekauften Firma geleert werden, um die Kredite zurückzuzahlen.

Doch die neuen Regeln bergen auch Risiken, warnt Hans-Jürgen Schmitz, Vorsitzender der Luxembourg Private Equity and Venture Capital Association und Mitbegründer und Managing Partner von Mangrove Capital. „Es geht hier nicht um systemisch relevante Risiken“, sagt er. „Wir müssen unser Geschäftsrezept schützen können.“ Wenn in der Gründungs- und Aufbauphase von innovativen Unternehmen Firmenwissen nach außen dringe, könnte das die Entwicklung solcher Start-Ups gefährden und zu einem Wettbewerbsnachteil für die Firmen gegenüber solchen aus dem EU-Ausland führen, die diesen Regeln nicht unterliegen. Zu diesen kritischen Informationen zählt er auch die, wer wie viel in die Start-up investiert.

Dass die Direktive sich nur auf solche Firmen bezieht, die mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigen, spielt seiner Meinung nach keine Rolle. Besonders in den Bereichen E-Commerce und digitale Medien steige die Mitarbeiterzahl schnell über 50. Auch in der Aufbauphase. Den maximalen Fremdfinanzierungsgrad sollen die AIFM nach Vorstellung des Parlaments selbst definieren können.

Den nationalen Aufsichtsbehörden käme dann die Aufgabe zu, die Einhaltung dieser Limits zu kontrollieren. Und die neue europäische Aufsichtsbehörde, die erst noch entstehen muss, könnte ihrerseits direkt eingreifen, wenn sie das aufgrund übertriebener Leverage-Raten für nötig hält. Eine solche direkte Eingreifsmöglichkeit übersteigt die Kompetenzen, welche die Mitgliedstaaten an die neuen gemeinsameneuropäischen Aufsichtsbehörden abtreten wollen, bei weitem (d’Land 20.03.2009).

„Das stimmt“, sagt der EP-Abgeordnete Robert Goebbels (LSAP), Mitglied der EP-Wirtschafts- und Finanzkommission. „Das ist eine Forderung, die noch offen steht. Wir wollen der neuen Behörde erstmals im Bereich der AIFM solche direkten Vollmachten geben und diese später auf andere Akteure ausweiten. Das ist in der Logik des Binnenmarktes“, sagt Goebbels. Damit widerspricht er der offiziellen und inoffiziellen Linie Luxemburgs, das möglichst viele Kompetenzen für die einheimische Aufsichtsbehörde, CSSF erhalten will, weil man in deren Flexibilität und Reaktionsschnelligkeit einen Wettbewerbsvorteil sieht.

Doch nicht nur die Fonds, auch die Depotbanken sollen an die kurze Leine gelegt werden. Denn in Anlehnung an die Ucits-Vorschriften sollen auch alternative Fonds künftig Depotbanken engagieren, welche die sichere Verwahrung der Investorengelder und der Wertpapiere garantieren sollen. Weil der Madoff-Skandal Unklarheiten bei den Zuständigkeiten und Haftungspflicht der Depotbanken offengelegt hat (d’Land 09.01.2009, 05.06. 2009, 13.11.2009, 22.01.2010, 05.03.2010), wollen die europäischen Gesetzgeber diesmal allen Missverständnissen vorbeugen und schreiben klar und deutlich: Die Depotbanken können zwar Arbeiten auslagern, nicht aber ihre Verantwortung, die immer bei ihnen bleibt.

Das sorgt sowohl bei den Fonds als auch bei den Depotbanken für Nervosität. Die alternativen Fonds, die bislang in der Mehrheit nicht auf die Dienste von Depotbanken zurückgriffen, befürchten steigende Kosten, durch die ihre Strukturen bei den Investoren an Attraktivität verlieren, gegenüber solchen im Ausland, die sich die Depotbanken sparen. Zumal die Frage durchaus berechtigt ist, ob die Kunden, die Gelder in alternativen Fonds anlegen, den zusätzlichen Schutz, den die Depotbanken bieten sollen, tatsächlich brauchen.

Erstens, weil es sich größtenteils um professionelle Anleger handelt, die ohnehin zum Kreis der eingeweihten Finanzmarktakteure zählen. Und zweitens, weil, wie Schmitz erklärt, die spezifischen Verträge zwischen Anleger und Fondsmanager die Zuständigkeiten klären. Zumal die europäischen Gesetzgeber diese neuen wasserdichten Klauseln einstweilen nicht auf die Ucits-Branche ausdehnen, also den als besonders sicher geltenden Publikumsfonds, in die Abertausende private Anleger auf Basis von Standardverträgen ihr Erspartes investieren und diesen zusätzlichen Schutz brauchen.

Die Depotbanken ihrerseits befürchten, für alle möglichen Probleme und Verluste haftbar gemacht zu werden, die sich ihrer Kontrolle entziehen. Das, schrieben vergangene Woche neun Depotbanken an Staatsminister Jean-Claude Juncker und Finanzminister Luc Frieden, die gemeinsam 55 Miliarden Euro europäischer Kundengelder verwahren, könne dazu führen, dass alle Risiken von den Investoren auf die Depotbanken abgewälzt würden, und sich dort konzentrieren könnten, wodurch neue systemische Risiken für die europäische Bankenbranche entstehen könnten.

Für die letzten Endes vielleicht wieder die Steuerzahler die Rechnung übernehmen müssten. Um die Pflichten erfüllen zu können, welche die geplante AIFM-Direktive ihnen abverlangt, würden mehr Eigenkapital und höhere Liquiditäten gebraucht. Das könnte eine Eintrittsbarriere für neue Marktteilnehmer sein, die ins Depotbankengeschäft einsteigen wollen oder gar dazu führen, dass sich derzeit Aktive aus dem Geschäft zurückziehen.

Besonders strittig ist allerdings die Drittstaatenregelung. Parlament und Ministerrat gehen mit gegensätzlichen Positionen in die Verhandlungen. Während der Ministerrat einen europäischen Pass, der es erlaubt in allen EU-Ländern aktiv zu sein, nur solchen Fonds-Managern ausstellen will, die auch ihre Niederlassung in Europa haben, will das Parlament die Pässe für jedermann zugänglich machen. Unter der Bedingung, dass sich die Fondsmanager, die Anteile in Europa verkaufen wollen, freiwillig den europäischen Regeln unterwerfen.

Der Luxemburger Fondsverband Alfi hält es mit dem Ministerrat. „Wir sind dafür, dass nur Europäer den Pass erhalten“, sagt Direktionsmitglied Charles Muller. „Das ist nicht protektionistisch. Bei den Ucits war das noch immer so, und niemand hat sich daran bislang gestört“, wehrt er mögliche Vorwürfe ab. Robert Goebbels hingegen verteidigt die Idee des Passes für alle, die sich den europäischen Regeln unterwerfen wollen, um damit Zutritt zum EU-Markt zu erhalten. „Das bringt gleiche Rechte und gleiche Pflichten für alle mit sich und schafft gleiche Bedingungen für alle.“ Müssten sich nur die Europäer den EU-Regeln unterwerfen, während andere dennoch in Europa aktiv werden könnten, indem sie wie bisher ihre Fonds auf individueller Basis in den einzelnen Mitgliedstaaten vertreiben könnten, würde dadurch ein Nachteil für die Europäer entstehen, gibt er zu bedenken. Ihre Anteile in der EU vertreiben, dürfen Drittstaaten-AIFM nach Vorstellung des Parlaments demnach nur, wenn es mit den Heimatbehörden Abkommen gibt, um zu kontrollieren, dass sich an die europäischen Benimmregeln halten sowie Doppelbesteuerungsabkommen nach dem OECD-Muster und eine ausreichende Umsetzung der internationalen Anti-Geldwäschebestimmungen.

Logischerweise gelten die gleichen Bedingungen, wenn Europas institutionelle Anleger in die alternative Fonds außerhalb Europas investieren wollen. Regulierungsexport nennen Kritiker das. Ob die Drittstaaten dabei mitmachen, also entsprechende Abkommen unterzeichnen würden, bezweifeln sie. Das würde einerseits die Europäischen Anleger in der Auswahl der Fonds beschränken, denen sie ihr Geld anvertrauen können, und anderseits dazu führen, dass die Manager in der Auswahl der Investitionsmöglichkeiten der Kundengelder eingeschränkt werden. Beschließen die Drittstaaten Gegenmaßnahmen, welche ihren eigenen Anlegern das Investieren in Europa erschweren, wie manche Beobachter fürchten, könnte das weit reichende Konsequenzen haben.

Das Risikokapital, mit dem in der EU Start-Ups und innovative Firmen gegründet werden, stamme zu erheblichen Anteilen aus Drittstaaten, erklärt Schmitz. „Wenn die morgen nicht mehr investieren können oder wollen, birgt das Gefahren für die Firmenfinanzierung in Europa und damit letzen Endes auch für die volkswirtschaftliche Entwicklung“, so Schmitz, „außerdem geht es auch hier nicht darum, systemische Risiken zu vermeiden.“ „Von den Banken kommt ja nichts. Es fehlt ohnehin in Europa an Risikokapital“, sagt auch Steinherr. Ein Problem, das sich noch verschärfen dürfte, wenn die dringende Reform der Eigenkapitalregeln für die Banken beschlossen wird und die Bilanzsummen der Kreditinstitute zurückgehen werden.

Goebbels sieht das weitaus gelassener. „Das Hauptproblem werden die USA sein, und ich bin sicher, dass wir mit den Vereinigten Staaten schnell ein bilaterales Abkommen abschließen können“, so der EP-Abgeordnete.  „Die anderen Länder werden unter dem Druck ihrer Akteure handeln.“ Dass die Drittstaatenregelungen des EP Vorschriften machen, die noch vor einem Jahr Investitionen in Luxemburg (aufgrund der Nichtumsetzung der OECD-Steuerabkommen) unmöglich gemacht hätten, dient ihm als Beleg dafür, dass „wenn der Druck groß genug ist, Bewegung ins Dossier kommt“.

Wenn man in Luxemburg die Gelegenheiten, die sich durch die neue Richtlinie ergäben, geschickt nutze, könnte das auch der heimischen Finanzbranche neuen Antrieb verschaffen, meint er. Auch weil die Hedge Fonds in Übersee durch die geplanten Bestimmungen ihre Steuervorteile verlieren würden, werde es attraktiver, in die EU umzuziehen, vielleicht auch nach Luxemburg. Die Alfi wirbt bereits seit einiger Zeit mit einer speziellen Broschüre für den Umzug von Off-Shore-Fonds nach Luxemburg und die Zahl der alternativen Investmentfonds in Luxemburg wächst. Die Zahl der Spezialfonds stieg seit ihrer Einführung 2007 von 200 auf über 1000 Ende 2009. Zum gleichen Zeitpunkt gab es Alfi-Statistiken zufolge 1878 Hegde-Fonds-Kompartimente in Luxemburg. Sanken die verwalteten Kundeneinlagen zwischen 2007 und 2009 auch von 186,776 Milliarden Euro auf 123,9 Milliarden Euro, steigt die Zahl der „Newcits“ an, also Publikumsfonds, welche die Ucits-Regeln so weit wie möglich ausreizen, um alternative Investitionstechniken einzusetzen und dennoch ein Ucits-Etikett haben. Auch deswegen glaubt Charles Muller, dass eine Reihe alternativer Fonds umziehen werden. „Viele Kunden verlangen besser regulierte Produkte“, sagt er. Hinzu kommt: Luxemburg, das Ucits-Zentrum schlechthin, hat Erfahrung mit europäischen Pässen und dem paneuropäischen Vertrieb von Fondsanteilen. Auch das sei ein Argument für Luxemburg. Hans-Jürgen Schmitz von Mangrove geht ebenfalls davon aus, dass die Richtlinie den Umzug mancher Strukturen nach Luxemburg nach sich ziehen wird. Was deren Manager betrifft, ist er vorsichtiger. Das würde heißen, die Entscheidungen würden weiterhin anderswo getroffen.
Michèle Sinner
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