LEITARTIKEL

Ordnung in der Stadt

d'Lëtzebuerger Land du 21.07.2023

Am Wahlabend des 11. Juni meinten in der Stater CSV manche, die Sicherheits-Kampagne des Schöffenrats habe nur der DP genützt (d’Land, 16.6.2023). Was vielleicht zutraf: Die DP gewann einen Sitz im Gemeinderat der Hauptstadt hinzu, die CSV verlor einen. Ihr Schöffe Laurent Mosar, wichtigster Vorkämpfer für Law and Order, wurde auf der CSV-Liste nur Fünftgewählter.

Dass das Thema der DP gebracht hat, was es bringen sollte, lässt sich auch daran erkennen, dass es für Lydie Polfer offenbar an Bedeutung verloren hat. Vor zwei Jahren hatte sie im RTL Radio noch aufgeregt vom Drogenhandel auf offener Straße im Bahnhofsviertel berichtet. Vor einem Jahr von Schmuckdieben auf der Plëss. Vor drei Monaten von „Messerpickereien“, gegen die der grüne Polizeiminister nichts unternehme. Letzte Episode im Sicherheitswahlkampf war das Bettelverbot, um dessen Durchsetzbarkeit DP und CSV sich wenig scherten. Dagegen war diesen Montag die politische Welt eine andere, als die Bürgermeisterin die Schöffenratserklärung für die neue Legislaturperiode abgab. Da war „ons Stad“ plötzlich „eine der sichersten Städte der Welt“.

Lydie Polfer sagte nicht nur das. Sie sagte auch, dass es „mehr Einbrüche und mehr Überfälle“ gebe. Dass der Schöffenrat für eine „Gemeindepolizei“ eintrete, für mehr Kameraüberwachung und für einen Platzverweis, wie „in anderen Ländern“. Sie erwähnte noch, dass wichtige öffentliche Plätze mit Pollern gesichert würden und dass der Schöffenrat über neue Zuständigkeiten für die Gemeindeagenten nachdenke. Viel mehr sagte sie nicht. Weder zum Bettelverbot noch zu Patrouillen privater Sicherheitsfirmen. Ein Topthema des Wahlkampfs war innerhalb von reichlich fünf Minuten abgehakt, und es kam erst im letzten Viertel der zweistündigen Rede Lydie Polfers zur Sprache. Zwischen dem Sozialen und der Kultur.

Das ist einerseits nicht weiter verwunderlich, andererseits beklagenswert. Beklagenswert, weil der neu-alte Schöffenrat zur Sicherheit nicht mehr zu sagen hat, als die Zuständigkeit dafür an Regierung, Justiz und Polizei weiterzureichen. Mehr Überwachungskameras sind keine rein kommunale Angelegenheit. Aus der 1999 fusionierten Polizei bestimmte Einheiten den Bürgermeistern zu unterstellen, noch weniger. Und wer sagt, dass Polizeibeamte, die im kommunalen Auftrag Streife gingen, Einbrüchen und Überfällen wirksamer vorbeugen oder dagegen einschreiten würden, als nationale Beamte auf Patrouille? So einfach kann das niemand behaupten. Behaupten lässt sich dagegen, dass der DP nach 40 Jahren an der Macht und der CSV nach sechs Jahren des Mitregierens keine Antwort zur Sicherheit in der Hauptstadt einfällt. Inwiefern sie zum Beispiel zu tun haben kann mit der Aufwertung der Stadtviertel, ihrer baulichen Veränderung, ihrer Ausstattung mit öffentlichen Einrichtungen, mit Kulturstätten, ist nicht zu vernehmen. 2024 soll das „Joer vun de Quartiere“ werden, kündigte Lydie Polfer an. Mit Entwicklungsplänen bei Bürgerbeteiligung – unter Paul Helminger gab es das vor zwanzig Jahren auch schon. Kann sein, dass das zu mehr Sicherheitsgefühl bei den Menschen führt, vielleicht sogar zu mehr Sicherheit. Aber eine Vorstellung, wie das geschehen soll, hat niemand.

Was wiederum nicht weiter verwunderlich ist. Denn wenn es darauf ankam, griffen die CSV und der rechte Flügel der DP um Lydie Polfer stets gern auf Law and Order zurück, um eine kleinbürgerliche Wählerschaft an sich zu binden, LSAP und Grüne möglichst von der Macht fernzuhalten. Deshalb ist es auch kein Widerspruch, dass die DP eine Kampagne mit der Kriminalität führte, um mit der CSV nun ein erstaunlich grünes Koalitionsprogramm aufzustellen; zumindest präsentierte die Bürgermeisterin es so. Entsiegelte öffentliche Plätze (nachdem sie zubetoniert worden waren), mehr Bäume, besseres Abfallmanagement und sauberes Trinkwasser sind Attribute einer ordentlichen Stadt, die sich leichter erreichen lassen als weniger Drogenhandel auf den Straßen. Und wie sagte Lydie Polfer am Montag noch? „Hunderte, vielleicht tausende neuer Wohnungen“ werde es in den nächsten sechs Jahren geben. Ob öffentlich oder privat gebaut, sei „egal“. Hauptsache, Ordnung in der Stadt.

Peter Feist
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