Vor einer Intervention in Syrien?

Die Freunde Syriens

d'Lëtzebuerger Land du 30.08.2013

Wem Syrien so lieb wie Libyen wie Tunesien wie Ägypten wie Irak wie Afghanistan ist, der hatte schon vor zwei Jahren gut informiert auf der Kammertribüne und im Leitartikel angekündigt, dass das morsche Regime in Damaskus binnen Wochen oder höchstens Monaten im arabischen Frühlingswind zusammenbrechen würde. Doch was als Aufstand eines nach Freiheit und Demokratie dürstenden Volkes gegen seinen Diktator zu beginnen schien, erweist sich inzwischen als vertrackter Bürgerkrieg, in dem trotz der Anstrengungen allerlei religiöser Sekten, Geschäftemacher, Lokalpolitiker und ausländischer Geldgeber kein Sieger abzusehen ist. So blieb bisher auch der verschiedentlich herbeigesehnte Eingriff der US-Drohnen und Nato-Soldaten aus, weil Syrien doch etwas zu nahe an Israel liegt und sich in-zwischen eine gewisse Enttäuschung über die wenig katholische Entwicklung des arabischen Frühlings breit gemacht hatte.

Eine Wende im syrischen Bürgerkrieg wurde erst vor einem Jahr, im August 2012, absehbar, als US-Präsident Barack ­Obama während einer Pressekonferenz ankündigte, dass die syrische Regierung „für uns eine rote Linie“ überschritte, wenn sie chemische Waffen einsetzte. Für die loyale syrische Armee war das das Signal, dass sie, wie die ägyptischen Kollegen, die Aufständischen ungehindert mit konventionellen Waffen umbringen konnte. Schließlich sind die von unseren katarischen und saudischen Geschäftspartnern finanzierten islamistischen Bataillone wieder die schlagkräftigsten.

Für die trotz aller Diplomatenversammlungen der „Freunde Syriens“ heillos zerstrittenen Aufständischen war Obamas Ankündigung dagegen das Signal, dass sie zur Not jederzeit eine US-Intervention zu ihren Gunsten provozieren konnten, wenn chemische Waffen eingesetzt würden. So weit war es schon fast im Mai gekommen. Damals wollte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sich jedoch nicht festlegen, ob die syrische Armee oder die Aufständischen das Giftgas benutzt hatten. Die einst als Anklägerin serbischer Politiker und Offiziere in Den Haag gefeierte UN-Gesandte Carla Del Ponte war sich sogar sicher, dass es die Aufständischen waren, die chemische Waffen benutzten.

Um solche Spitzfindigkeiten zu vermeiden, wollte US-Präsident Barack Obama jetzt gar nicht mehr das Ende der UN-Ermittlungen vor Ort abwarten, gab den Befehl, einen Angriff auf Syrien vorzubereiten, und veröffentlichte noch vor dem UN-Bericht eine eigene Anklageschrift. Fotos von Kinderleichen lassen wieder alle Einwände zugunsten des Völkerrechts und der UN-Charta als herzlos erscheinen.

Denn nun sind sie wieder da: die Massenvernichtungswaffen, die US-Außenminister Colin Powell vor zehn Jahren in einer winzigen Phiole im Weltsicherheitsrat vorgeführt hatte, um das Signal zum US-Einmarsch im Irak zu erteilen. Diesmal sollen sie das Signal zu einer Serie von Marschflugkörper-Angriffen geben, mit denen Teile der syrischen Luftwaffe zerstört werden sollen, um so endlich das militärische Kräfteverhältnis zugunsten der Aufständischen zu verändern.

Den Verbündeten ist soviel Tatendrang nicht einmal in Großbritannien ganz geheuer. Hierzulande waren sich der bisherige Außenminister Jean Asselborn und Vertreter sämtlicher Parteien am Donnerstag einig, dass man lieber die Verabschiedung einer UN-Resolution abwarten soll, um loszuschlagen. Dann bekommt Luxemburg sogar die Gelegenheit, im Weltsicherheitsrat mit Russland und China gegen den US-Angriff zu stimmen.

Romain Hilgert
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