Die großen Vereine im Profifußball sind längst Wirtschaftsunternehmen mit Milliardenbilanz.
Auch nach der Pandemie ist keine Rückbesinnung auf mehr Sport und weniger Geschäft absehbar

Geld schießt keine Tore

d'Lëtzebuerger Land du 16.09.2022

Im Sommer 2017 bezahlte Paris Saint-Germain dem FC Barcelona 222 Millionen Euro für einen einzigen Spieler, den damals 25-jährigen Brasilianer Neymar. Als die Pandemie den Spielbetrieb erst abrupt stoppte und sich in leeren Stadien die Vorgaben schlagartig änderten, verloren die fünf großen europäischen Ligen dreistellige Millionenbeträge. Und die Puristen unter den Fans hofften auf eine Rückbesinnung. Mehr Sport, weniger Geschäft. Zweieinhalb Jahre später kann man mitten in der Ukraine- und Energiekrise bereits festhalten: Das Gegenteil ist der Fall.

Das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte veröffentlichte jüngst die 31. Ausgabe des Annual Review of Football Finance mit den Zahlen aus der Saison 2020/21: Ihre Studie über die fünf Ligen trägt den Titel A new dawn (Eine neue Dämmerung). Mit 15,6 Milliarden Euro Gesamteinnahmen war man bereits fast wieder auf dem Niveau der Rekordsaison 2018/19 von 17 Milliarden. Und auch wenn acht der zehn teuersten Spielerwechsel in die drei Sommer vor der Pandemie fallen, nur die Nummer sechs und zehn sind vom Sommer 2021, so waren diese Transferperiode die einzelnen Summen zwar „bescheidener“. Doch alleine in der finanzträchtigsten englischen Premier League investierten die Vereine 2,2 Milliarden Euro in neue Spieler, 580 Millionen mehr als im bisherigen Rekordsommer von 2017. Mit Geld will man den Erfolg erzwingen. In der jeweiligen nationalen Liga, aber vor allem in der ebenso prestigeträchtigen wie lukrativen Champions League.

Woher aber kommen im aktuellen Krisensommer dieses absurden Summen? Natürlich gibt es die Fans und Eintrittskarten, das wichtige Merchandising und die teuren Fernsehverträge. Immer schon gab es Mäzene und Sponsoren. Längst aber auch Investoren. Fußballexperte Stefan Ludwig von Deloitte meint: „Wir sehen in den Big-Five-Ligen einen erkennbaren Anstieg bei den externen Investitionen.“ Während sich 2019 und 2020 zwölf jener Clubs Investoren öffneten, waren es alleine 2021 15. Der Fußball versucht seine Einnahmeverluste durch die Pandemie zu kompensieren und im weltweiten Markt ist derzeit sehr viel Geld, aber kaum Investitionsmöglichkeiten. Weniger über den sportlichen Erfolg, sondern primär über Beteiligungen an den Vermarktungsrechten und Fernsehgeldern verspricht Fußball gute Rendite.

Beispielhaft für viele Entwicklungen im Fußball ist der glorreiche FC Barcelona: Mit dem innovativen Tiki-Taka Kurzpassspiel und viel eigener Jugend gewann der katalanische Verein von 2008 bis 2015 drei Mal die Champions League und revolutionierte den modernen Fußball. Im Gerangel um Prestige, Macht und Geld nimmt man es mit den Regeln aber nicht immer sehr genau. 2015 erhielt der Club eine einjährige Transfersperre und Ende 2020 wurde Klubpräsident Josep Maria Bartomeu abgesetzt, weil er die immer selbstbewusster werdende sportliche Abteilung um Lionel Messi in den sozialen Medien mit verdeckten Vereinsgeldern diffamieren ließ. Vor allem aber gibt es massive finanzielle Probleme: Von 2017 bis 2019 investierte man u.a. in drei der teuersten sieben Spieler aller Zeiten, die sich kaum rechneten. Starspieler gab der Verein nach wenigen Jahren nahezu gratis wieder ab. Auch weil die Gehaltsausgaben fast untragbar sind und das das Financial Fair Play der Primera División droht. Die Gehaltsausgaben der Vereine dürfen „nur“ rund zwei Drittel der Einnahmen betragen und der amtierende Präsident Joan Laporte beklagt das „fürchterliche Erbe“ seines Vorgängers. So wechselte 2021 die Identitätsfigur Messi ablösefrei, da die Gehaltssumme ansonsten bei 110% der Einnahmen läge. Und die Schulden lagen bei 1,35 Milliarden Euro.

Getrickst wird, wo es nur geht. Im Pandemiesommer 2020 wechselte Miralem Pjanic, der mit doppelter Staatsbürgerschaft für die FLF-Jugend spielte, für 60 Millionen Euro nach Barcelona. Mit eher vorsichtigen Karrierestationen von Metz über Lyon und Rom bis zum italienischen Spitzenclub Juventus Turin hatte er seinen Marktwert nach und nach gesteigert. 2020 war die Verpflichtung dann auch ein buchhalterischer Trick: Im Gegenzug wechselte der jüngere Arthur für 72 Millionen nach Turin, wurde aber sogleich in die Bücher genommen. Pjanic hingegen auf nächstes Jahr geschoben. Und dann vornehmlich auf die Bank. Gerne hätte man sich die sieben Millionen garantiertes Jahressalär gespart, doch Pjanic wollte sich in Barcelona durchsetzen und wurde 2021 für einen Teil seines Gehalts ein Jahr nach Istanbul verliehen. 2022 lobte ihn der neue Trainer Xavi, setzte ihn in Testspielen ein und eine Wende schien nahe. Vielleicht sollte aber nur das Interesse und der auf knapp 10 Millionen abgestürzte Marktwert gesteigert werden, denn in den ersten Spielen wurde er wieder nicht eingesetzt. Am Ende wechselte er Anfang September zum Sharjah FC in die bestenfalls zweitklassige Liga der Vereinigten Arabischen Emirate, die aber wie eine saudi-arabische, japanische oder US-amerikanische gerne mal klangvolle Namen im Ausklang ihrer Karriere verpflichtet.

Trotz immensen Schuldenbergs ging der FC Barcelona diesen Sommer wieder fröhlich einkaufen mit einem weiteren Minus von 115 Millionen. Dem Bayerntrainer Julian Nagelsmann luchste man dabei Rekordtorschützen Robert Lewandowski ab, was jener „ein bisschen seltsam, ein bisschen verrückt“ nannte: „Barcelona ist der einzige Klub der Welt, der kein Geld hat, aber trotzdem alle Spieler kauft, die er will.“ Nachdem man als letzter Verein 2010 einen Trikotsponsor zuließ, verkaufte sich eine der wertvollsten Fußballmarken diesen Sommer an Investoren unter Führung von Goldmann Sachs. Kredite in dreistelliger Millionenhöhe sind mit bis zu 25 Prozent der Fernseheinnahmen und 49,9 Prozent der Rechte an Lizensierungen und Merchandising gedeckt. Auch in die geplanten großen Umbauten des Camp Nou, das erstmals einen „Namensgeber“ erhält und des legendären Nachwuchszentrums La Masia sind Investoren direkt beteiligt. Die Fans machen sich bei all den Meldungen zwar einige Sorgen, aber zahlreiche Tore überdecken sie. Das offizielle Trikot von Lewandowski à 109,99 Euro ist in den Straßen Barcelonas derzeit ausverkauft.

Chrëscht Beneké, Barcelona
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