Aus Spanien gratulierte bereits am Sonntag Ministerpräsident Pedro Sánchez über seinen Twitter-Account: „Parabéns (Glückwunsch) lieber António Costa zu deinem Sieg. Portugal setzt einmal mehr auf ein sozialdemokratisches Projekt, das Wachstum und soziale Gerechtigkeit vereint. Zusammen werden wir in unseren Ländern und in Europa eine sozialistische Antwort auf unsere gemeinsamen Herausforderungen vorantreiben.“ Für den offensichtlichen Versuch, sich als iberisches sozialdemokratisches Tandem an die überraschende absolute Mehrheit von 41,8 Prozent der Stimmen und 117 von 230 Parlamentssitzen des alten und neuen portugiesischen Ministerpräsidenten zu hängen, gibt es durchaus Parallelen, aber auch Unterschiede.
So musste sich Costa seit seiner ersten Wahl 2015 und bis zu diesem Wochenende ebenfalls auf deutlich weiter links stehende, kleine Parteien für seine Minderheitsregierung stützen. Und ebenso wie die spanische Regierung brach auch Costa sogleich und durchaus in Konfrontation mit den europäischen Institutionen mit dem strammen Austeritätskurs seiner konservativen Vorgänger. Beide haben die Kürzungen von Renten und Familienbeihilfen zurückgenommen – Costa hat den Mindestlohn gleich zwei Mal erhöht –, und sind sich im Versuch einig, die Privatisierungen der Vorgängerregierungen einzudämmen und nach Möglichkeit rückgängig zu machen. In der Pandemie haben beide Länder zudem sehr erfolgreiche Impfprogramme auf die Beine gestellt. Im Gegensatz zu Spanien hat die sozialistische Partei (PS) jedoch auch die öffentlichen Ausgaben zurückgefahren oder einige Steuererleichterungen durchgesetzt, um ausländisches Kapital und Firmen anzuziehen. Während das spanischen Staatsdefizit 2021 bei acht Prozent liegt, sieht Portugal 4,5 voraus, die 2022 bereits auf 3,2 Prozent sinken sollen.
Zu den vorgezogenen Neuwahlen war es gekommen, weil der Linksblock und die Kommunistische Partei die Unterstützung für den Haushaltsentwurf verweigert hatten. Dieses Zusammenbrechen seiner geringonça beschimpften Regierung sei ihm jedoch bereits für die ersten Monate seiner ersten Regierungszeit ab 2015 prognostiziert worden, kokettiert Costa gerne. Den Bruch hatte dabei bewirkt, dass er trotz der im europäischen Vergleich guten Haushaltszahlen den Forderungen seiner Koalitionäre nach höheren Sozialausgaben nicht stattgeben wollte. Viele Beobachter hatten dabei vorm Wochenende nicht nur gemeint, er habe diesen Bruch provoziert, da er auf ein besseres Wahlergebnis hoffte, weil er sein Land mit einer sozialdemokratischen Reform aus einer tiefen Finanzkrise geführt hat, sondern auch, dass er sich dabei verzockt habe.
Am Ende wird jedoch vielfach interpretiert, dass ausgesprochen viele linke Wähler angesichts des vorausgesagten Gleichstands zwischen seinen Sozialisten und der sozialdemokratische Partei (PSD) genannten konservativen Opposition taktisch wählten. Und damit die Kontinuität einer gemäßigten linken Politik gegenüber Steuerkürzungen auf Unternehmensgewinne und Einkommen sicherten, wie sie der 64-jährige Rui Rio versprochen hatte. Zwar hat auch dessen Partei von 27,8 auf 29,3 Prozent zugelegt, aber drei Sitze verloren. Die Sozialisten haben hingegen 5,4 Prozent und neun Sitze gewonnen. Verlierer der Wahl waren die vorigen Koalitionäre vom linken Rand, die von gemeinsamen 31 Sitzen nur elf halten konnten. Wobei die meisten Analysten eher ein taktisches Wahlverhalten unterstellten, als dass die Wähler diese Parteien für den Bruch einer Koalition bestrafen wollten, die man ebenso dem PS anhängen könnte.
Ein weiteres Argument hierfür, das Portugal in einer traurigen Entwicklung mit Spanien eint, ist das verstärkte Aufkommen einer rechtsextremen Strömung. Vor denen die Erfahrungen aus den Diktaturen von Franco und Salazar offensichtlich nicht mehr hinreichend schützen. Als drittstärkste Partei mit 7,15 Prozent der Stimmen und zwölf Sitzen etabliert sich nämlich Chega im Parlament und kopiert damit den Erfolg von Vox vor drei Jahren in Spanien. Dass Chega mit einem vorhergesagten noch höheren Ergebnis zum mächtigen Zünglein an der Waage werden könnte, trieb wahrscheinlich viele linksorientierte Wähler in die Kabinen mit dem Ziel, Costa als Bollwerk gegen die Gefahr von weit rechts zu stärken. Was man auch in die höhere Wahlbeteiligung von 58 Prozent (gegenüber 49 Prozent in 2019) trotz der grassierenden Omikronwelle hinein interpretieren kann.
Wie erfolgreich der stille Regierungsstil des António Costa ist, lässt sich gut in der europäischen Union ablesen. Hartnäckig, aber niemals lauthals polternd verweigerte er sich weiten Teilen des von Brüssel geforderten eisernen Sparkurses, bis sein Modell nach überdurchschnittlichem Wachstum und guten Haushaltszahlen am Ende dort gefeiert wird. Wer sich erinnert, wie die Union das an Einwohnern ähnlich kleine, aber wirtschaftlich schwächere und auch höher verschuldete Griechenland mit seiner linken Regierung 2015 auflaufen ließ, erkennt den Unterschied. Pedro Sánchez jedenfalls findet: „Ich kenne nur wenige politische Führer mit einem solchen Verhandlungsgeschick wie der 60-jährige Costa.“ Dieser meinte am Abend seines übergroßen Triumphes bescheiden: „Eine absolute Mehrheit bedeutet nicht absolute Macht; es bedeutet nicht alleine zu regieren. Es ist eine höhere Verantwortung und es bedeutet mit und für alle Portugiesen zu regieren.“