Während der LSAP-Spitzenkandidat für einfachere Prozeduren bei der Niederlassung von Industriebetrieben plädiert, wehren sich LSAP-Bürgermeister gegen den Bau einer Asphaltanlage

Schwaarze Péiter

d'Lëtzebuerger Land du 23.08.2013

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, was da im Süden passiert. Knapp zwei Wochen, nachdem Etienne Schneider, Wirtschaftsminister, als LSAP-Spitzenkandidat bei den anstehenden Kammerwahlen auf den Bezirkskongressen seiner Partei für die Reindustrialisierung und einfachere Niederlassung von Industriebetrieben geworben hat, erteilen drei Gemeinden, an deren Spitze LSAP-Bürgermeister stehen, dem Bau der Asphaltanlage der Firma Lisé & fils in der Industriezone um Monkeler eine Absage. Die Schöffenräte von Schifflingen und Esch – auf deren Gebiet die Anlage geplant ist – sowie der der Anrainergemeinde Monnerich, haben im Rahmen der Kommodo-Prozedur negative Gutachten erstellt.

Das Ganze ist umso pikanter, weil das Grundstück, auf dem die Anlage im dritten Anlauf geplant wird, dem Wirtschaftsministerium gehört. Denn nachdem der Schöffenrat von Schifflingen die beiden ersten Anträge des Bauunternehmens verworfen hatte, weil die Anlage nur 80, beziehungsweise 100 Meter von einer Kindertagesstätte und der Gemeindewerkstatt gebaut werden sollte, hatte sich die Firma nach einem alternativen Standort umgesehen. Das Ministerium hat daraufhin eingewilligt, das Grundstück zur Verfügung zu stellen, das zwischen Autobahn und dem Gelände eines anderen Bauunternehmens weiter von Kindertagesstätten und Wohngebieten entfernt ist. Ein Vorgehen, das mit der sozialistischen Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre kohärent ist, die darauf abzielt, Unternehmen bei der Niederlassung zu helfen. Zumal das Grundstück in einem ausgewiesenen Industriegebiet liegt. Doch davon lassen sich die sozialistischen Parteikollegen nur bedingt beeindrucken.

„Wir haben als Schöffenrat dem Wirtschafts- und dem Infrastrukturminister in einer Unterredung gesagt, dass wir nicht unternehmerfeindlich sein werden. Esch war und bleibt ein Industriestandort“, so die Escher Bürgermeisterin Lydia Mutsch. „Aber die Situation um Monkeler ist eine ganz besondere.“„Wir sind natürlich der Meinung, dass wir Industrie im Land haben müssen“, sagt der Schifflinger Bürgermeister Roland Schreiner, der um Deeskalation bemüht ist. „Die Zone ist im Prinzip dafür geeignet, dort solche Anlagen zu errichten. Wir brauchen solche Anlagen, sonst können wir keine Straßen bauen.“ Das geht aber für Schreiner nicht um jeden Preis.

Der Monnericher Amtskollege Dan Kersch und der grüne Schöffe Jean Huss aus Esch sind deutlich weniger um Neutralität bemüht. Die beiden sind sich mehr oder weniger einig, dass die Anrainer in den vergangenen Jahren dermaßen unter den Lärm-, Geruchs-, Staub- und Schadstoffemissionen des Schifflinger Stahlwerks gelitten haben, dass ihnen eine Asphaltanlage kaum zuzumuten sei. Jetzt, wo es mehr oder weniger Gewissheit darüber gebe, dass besagtes Stahlwerk wirklich nicht mehr angefahren wird. „Die Leute sind darüber nicht unfroh“, sagt Huss.

„Wir sind nicht gegen die Asphaltanlage an sich“, räumt Kersch ein. Eine Aussage, die andere wie „So eine Anlage ist eine Lizenz zum Gelddrucken, wer über eine solche verfügt, weiß, dass er ein sicheres Einkommen hat“, kaum noch abschwächen kann. In seinem Kommodo-Gutachten fragt der Monnericher Schöffenrat, ob eine dritte Asphaltanlage – derzeit gibt es zwei im Land – überhaupt notwendig sei. Gegenüber dem Land beklagt Kersch das Monopol der Asphaltanlagenbetreiber, die dadurch den Gemeinden und Verwaltungen den Zeitplan für Asphaltierungsarbeiten diktieren könnten. Er und sein Schöffenrat plädieren für mobile Anlagen, die jeweils an den Baustellen zum Einsatz kommen. Dadurch würde die Belastung, die von ihnen ausgeht, auf die Gesamtbevölkerung verteilt, statt sich an einer Stelle zu konzentrieren. Aber auch das Monopol der Anlagenbetreiber gebrochen, wie Kersch sagt.

Ob der Schwarze Peter im Endeffekt Etienne Schneider zukommt, ist aber noch nicht gesagt. Denn die Entscheidung über die Betriebsgenehmigung, auf die die Kommodo-Prozedur hinausläuft, liegt beim delegierten Umweltminister Marco Schank (CSV). Er ist momentan im Urlaub, hat die Schöffenratsgutachten offiziell noch nicht erhalten und will sich deshalb nicht zum Inhalt äußern. Die Frage, wie viel Spielraum ihm bei der Entscheidung bleibt, drängt sich dennoch auf. Denn prinzipiell gibt die Umweltverwaltung Kommodo-Dossiers erst zur Begutachtung an die Gemeinden weiter, wenn sie vollständig sind. Der zuständige Beamte Gaston Schmit sagte vergangene Woche dem Luxemburger Wort deshalb erwartungsgemäß, der Aktenlage zufolge sei die Anlage „theoretisch genehmigungsfähig“. Ob der delegierte Umweltminister dann die Betriebsgenehmigung überhaupt noch verweigern kann? Oder sie von zusätzlichen Auflagen abhängig machen kann? Auf welcher Gesetzesgrundlage (siehe Artikel Seite 3)? Eine Absage kann Schank nur noch schwerlich erteilen, ohne dabei seiner eigenen Verwaltung in den Rücken zu fallen, die das Dossier für vollständig befunden hat.

Zwar hat Schank 45 Tage Zeit, eine Entscheidung zu fällen, sobald die Gutachten bei ihm eingehen. „Die will ich aber nicht beanspruchen, wenn es nicht notwendig ist. Wir reden ja immer von der Prozedurenbeschleunigung.“ So emotional aufgeladen, wie die Situation aktuell ist, kann er die Entscheidung ohnehin nicht länger aufschieben, beispielsweise bis nach den Wahlen. Die Bürger aus Esch-Lallange laufen Sturm. „Ich hoffe, dass sie sich bewusst sind, dass bald Wahlen sind, und wir über 1 000 Stimmen gesammelt haben“, so eine aufgebrachte Bürgerin im RTL-Interview. Dabei hat sich Schank bisher nur mäßig beeilt, auf den Protest einzugehen. Trotz zweifacher Mahnung durch den Kammerpräsidenten Laurent Mosar, hat Schank bisher nicht auf die beim Parlament eingereichte Petition Nummer 321 reagiert, in der unter anderem bemängelt wird, dass es den Bürgern unmöglich ist, binnen der vorgesehenen 15-Tage-Frist auf ein Dossier dieser Komplexität einzugehen, zumal Kopien nicht gestattet sind.

Dabei ist die Lage im Industriegebiet Monkeler tatsächlich eine besondere. Sehen werden die Lallinger Einwohner die neue Asphaltanlage kaum. Die Aussicht ist von den Silos des Zementwerks und des Betonmischwerks geprägt. Bei trockenem Wetter wirbelt jeder Lastwagen, der im Gebiet verkehrt, Unmengen Staub auf. Auf der gegenüberliegenden Seite der Autobahn setzt der Minettkompost eine ganz eigene Duftmarke. Nachvollziehbar, dass die Bürger Angst vor zusätzlichen Belastungen haben. Wie es zu dieser Situation kommen konnte, fragen sich auch die Gemeinden, die in ihren Gutachten bemängeln, dass es kein Kommodo für das Industriegebiet als Ganzes gibt – Um Monkeler besteht länger als die Kommodo-Gesetzgebung –, um die Gesamtbelastung zu erfassen, und dass die Kontrollen der bereits ansässigen Betriebe nicht ausreichen. Doch wer dafür zuständig ist, eine solche Kommodo-Prozedur für die gesamte Zone zu veranlassen, etwa die Gemeinden oder der Staat, darüber gehen die Meinungen auseinander. Die Gemeinde Schifflingen ihrerseits versucht derzeit, ein Inventar der Kommodo-Zulassungen der ansässigen Betriebe zu erstellen. Da liegt der Verdacht nahe, dass nicht alle Firmen darüber verfügen. Sollte sich dieser Verdacht erhärten, kündigt Bürgermeister Roland Schreiner Übergangsfristen für die Betriebe an, binnen denen sie die Prozedur durchlaufen können. Und gegebenenfalls Verbesserungen, was den Staub- und Lärmschutz betrifft, durchführen sollen. So hofft er, die Lebensqualität der Anwohner insgesamt verbessern zu können.

Denn es entbehrt auch nicht einer gewissen Ironie, dass von der Firma Lisé & fils – Marco Lisé will sich nicht äußern, bis Marco Schank eine Entscheidung getroffen hat – nun verlangt wird, ihr Mate­rial und die auf dem vergleichsweise kleinen Grundstück relativ kurzen Wege zu befeuchten und die Lagerplätze abzudecken, um die Staubentwicklung einzudämmen, wenn sich bei den benachbarten Zement- und Betonwerken, die offenen, unberieselten Materialberge meterhoch türmen. Was, wie man in Schifflingen hervorhebt, nicht heißen soll, dass man bei aktuellen Projekten versuchen sollte, die Fehler der Vergangenheit zu vermeiden.

Dass die Firma Lisé dermaßen ins Zentrum der Polemik geraten ist, ist eine Mischung aus Ungeschick und Pech. Der erste Genehmigungsantrag war ins Sommerloch 2012 gefallen, was in Schifflingen dazu geführt hatte, dass sich die Parteien gegenseitig Vorwürfe machten. Die einen unterstellten den anderen, die Urlaubszeit zu nutzen, um still und heimlich die Baugenehmigung auszustellen, zu deren Verweigerung Bebauungsplan und Gemeinden- und Bautenreglement keine Argumente lieferten. In die andere Richtung ging der Vorwurf, Stimmung in der Bevölkerung zu machen. Alle zusammen verdächtigten den Betreiber, den Antrag gezielt während der Urlaubszeit eingereicht zu haben. Dass 2013 Sommerloch und Wahlkampf zeitlich einhergehen würden, war nicht vorauszusehen.

So können weder der CSV-Minister Marco Schank noch die LSAP-Kollegen Schneider, Schreiner, Mutsch und Kersch darauf hoffen, dass sich der Staub um die Entscheidung bis zu den Wahlen legt. Zumal die Escher Gemeinde aufgrund des hohen LKW-Verkehrsaufkommens eine neue Autobahnzufahrt fordert, bevor sich ein neues Unternehmen Um Monkeler niederlassen könne. Was auch noch Infrastrukturminister Claude Wiseler auf den Plan ruft.

Michèle Sinner
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