Müllmissionare

Dreckskerle

d'Lëtzebuerger Land du 12.09.2014

Sie schauen nicht gerade aus, als hätte Ihre Eminenz Dillenburg sie gestylt. Trotzdem dürfen sie ins Regierungsviertel und vor der kleinen Großherzogin Stellung beziehen. Es wird gemunkelt, sie seien Kunst. Dann ist das ja aber voll okay. Wahrscheinlich ist die kleine Großherzogin sowieso souverän genug. Pfff, Kunst, lasst sie.

Die Invasion ist eine friedliche, sogar eine Mission. Eine Müllmission, mit Müllmissionaren. Ihr Siegeszug ist nicht aufzuhalten. Nicht nur der europäische Kulturraum – bis wohin geht der, bis nach Isis? – steht ihnen offen. Wo die schon überall waren: am Roten Platz, auf der Chinesischen Mauer, vor dem Kölner Dom, den Pyramiden, auf dem Dach der Welt. In der Arktis! Sogar von den Schweizern wurden sie reingelassen. Wegen der Kunst. Und wegen der Botschaft. Globalbotschaft. Sie soll uns erschüttern und aufrütteln. Als wären wir nicht schon dauererschüttert und permanentdurchrüttelt. Aber gut, ist ja Kunst.

Einer der rücksichtslosesten Konsumnationen der Welt wird also der Spiegel vorgehalten. Konsumsünder, spricht es die zuständige Galeristin schonungslos aus. Nach Anblick dieser hässlichen Herren werden wir reumütig in unsere Klausen kriechen und uns ein Brennesselsüppchen auf den Herd stellen; natürlich erst nachdem wir uns mit den Zutaten derselben ein bisschen gepeitscht haben. Es kommt uns keine Pizzaschachtel mehr ins Haus!

Zwar haben die meisten von uns solche zusammengekleisterten Drecksmännercher schon irgendwo gesehen. Oder Art-Genossen, wenn auch nicht gerade eine ganze Boeing-Ladung voll. Immer mal wieder tauchte einer von ihnen irgendwo auf, hinter einem Brombeerstrauch, im Garten eines Freundes, der leider nie auf die Idee gekommen wäre, die internationale Kunstwelt zu kontaktieren, nicht mal die nationale. Oder auf einer Dokumenta, vor 50 Jahren.

Der Erzeuger dieser Müllmänner verfügte über eine ihm äußerst ergebene Muse, die zehnte, die Müllmuse. Sich selber nennt er gern Macher. Er macht ja auch wirklich viel. Faut le faire. Eine, man höre und staune, Weltkugel wurde zu seinem Wahrzeichen. Früher wurde diese Art von Kunst Aktionskunst genannt, der betreffende Künstler gebärdete sich allerdings hyperaktionistisch. Er sammelte Liebesbriefe, natürlich gleich Millionen, mit denen er eine Fassade vollklebte. Er schuf die angeblich weltgrößte Skulptur, die zwar leider gesprengt wurde, vermutlich von Konsumbarbaren. Doch sein Herz gehörte in Wahrheit seit jeher dem Müll, den er in die ganze Welt oder ziemlich viel Welt exportiert. Obwohl man ja denken würde, es gebe genug Müll, und Müllmenschen, überall, zum Beispiel in Ägypten. Aber die haben nicht so ein geniales Marketing, keiner kauft sie.

Der Macher bastelte auch gewaltige Müllherzen auf Asphalt mit Kindern, die ihm gläubig ihren Abfall anschleppten, in Rom und in der Eifel, wo er sogar zu Kaffee und Kuchen mit den Müllmenschen lud. Die totale Integration! Seinen Müll empfing die Welt mit offenen Armen. Keinen Atommüll zwar, das wär jetzt wirklich cool, eine Steigerung, das würde uns noch viel mehr den Spiegel vorhalten. Wir sind nämlich Atom, aus lauter Atomen!

Last stop is Luxembourg? Bald werden sich die Müllmänner (-frauen oder ein drittes Geschlecht gibt es nicht, sie stammen noch aus patriarchalen Zeiten, vielleicht ist ja auch das eine Botschaft), die ja schon zum alten Eisen gehören, aufs Altenteil zurückziehen. Hoffentlich werden sie nicht müllgetrennt!

Ein pietätsloser Akt hat aber den Vorruhestand der Müllsenioren bedauerlich getrübt. Das hat den Künstler tief getroffen, sie haben China und Russland überstanden, die Arktis!, und dann so was, hier.

Ein paar Jungs haben sich der Abfallkunst gegenüber absolut nicht devot verhalten. Sondern abfällig und den vergammelten Invasoren gegenüber aggressiv. Wahrscheinlich hatten sie keinen Kunstunterricht, und ihre Eltern haben sich ihre Strichmännchen nicht übers Bett gehängt. Wahrscheinlich wurden sie nicht mal zur Biennale mitgenommen. Putzfrauen, die Beuys wegputzen, Jungmänner, die Kunstmüll anrempeln. Immer dieses Volk.

Trash-Mentalität, vermutete die Galeristin. Etwas verwirrt.

Michèle Thoma
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