Luxemburgensia

Kriegsspielchen

d'Lëtzebuerger Land du 27.10.2017

Innerhalb nur eines Jahres hat Jean Schoos den zweiten Krimi in seiner Reihe „Gudde Gendaarm – Béise Gendaarm“ vorgelegt, die – das hatte schon das erste Buch gezeigt –, mehr sein will als ein schnödes Rätselraten um Motive und Alibis. Um seinen ersten Fall lösen zu können, hatte René Fischbach sich mit den Spuren auseinandersetzen müssen, die Besatzung und Mitläufertum nicht nur im sozialen Gefüge Luxemburgs hinterlassen hatten, sondern auch in der Organisation der staatlichen Strukturen. Die Intrige von Den drëtte Schlëssel hatte verdeutlicht, dass für das Großherzogtum der sechziger Jahre dasselbe galt wie für größere und bedeutendere Staaten, die vom Zweiten Weltkrieg betroffen gewesen waren: Mit dem Ende der Kriegshandlungen waren längst nicht alle Konflikte beigelegt.

Schaarf Munitioun macht Ernst mit der Engführung von Kriminalroman und Auseinandersetzung mit der Zeitgeschichte. Fünf Jahre sind vergangen, Fischbach ist im bürgerlichen Dasein angekommen. Der junge Vater sitzt in aller gemüsesuppigen Piefigkeit mit Frau, Kind und Schwiegereltern am sonntäglichen Mittagstisch, als ihn der Anruf erreicht: Bei einem Armeemanöver der Nato wurde ein Soldat in einer Jagdhütte (die der Leser des ersten Bandes kennt) mit scharfer Munition angeschossen. Der Geheimdienst hat umgehend die Protokolle der Zeugenaussagen beschlagnahmt. Schon verbreiten sich Gerüchte um einen Anschlag von Kommunisten, die Terror in Luxemburg verbreiten wollten. Als Unbekannte auch noch die Jagdhütte sprengen und Beweismaterial verschwindet, glaubt niemand mehr an einen Unfall. Um Ablauf und Hintergründe der Geschehnisse zu verstehen, muss sich Fischbach einmal mehr mit einem Gewirr von Instanzen und überlappenden Kompetenzbereichen herumplagen, in dem einer dem anderen auf die Finger schaut, jeder Vorrechte beansprucht und niemand sich durch den Verdacht auf Inkompetenz blamieren will. Wo die Armeeführung versucht, Aussagen zurückzuhalten, oder der Geheimdienst nicht zugeben will, einen Querschläger in den eigenen Reihen zu haben, muss Fischbach an entscheidenden Stellen seine Bekanntschaften spielen lassen, um an verlässliche Informationen zu gelangen.

Schoos’ Konzept gewinnt durch den Fokus auf den exklusiven Jägerclub, der schon im ersten Band vorgestellt wurde, an Interesse. Aus dem gemeinsamen Hass auf die Kommunisten sind handfeste Bündnisse mit dem amerikanischen Militär geworden; die Gruppe strukturiert sich neu. Der Autor verhilft bereits bekannten Figuren zu mehr Kontur, beschäftigt sich mit ihren Beweggründen, zeigt ihre Schlagbereitschaft und baut Gegenspieler Fischbachs für die folgenden Romane auf. Der Protagonist hingegen bleibt weiterhin blass. Fischbach geriert sich als scharfsinniger Analytiker und bringt mit seinem Einzelgängertum wie seiner Verbissenheit sicher die klassischen Attribute eines hervorragenden Ermittlers mit, doch menschlich wirkt die Figur nach wie vor nicht richtig greifbar. Fischbachs private Rolle bleibt in der stereotypen Biederkeit des überarbeiteten Familienvaters stecken; der Leser weiß höchstens ansatzweise, größtenteils aber gar nicht, was Fischbach über die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen seiner Zeit denkt, was seine Meinung vom Premierminister ist und vom Großherzog, worüber er lachen kann und welche Laster er vor seiner Frau verbirgt. Da sich – zumindest vor dem Hintergrund der tatsächlichen Ereignisse, sofern wir davon wissen – abzeichnet, dass Fischbach trotz Ehrgeiz und Talent gegen seine Gegenspieler nicht gewinnen kann, wäre eine ausgereiftere Darstellung seiner Persönlichkeit vermutlich nicht verkehrt. Wenn Fischbach schon scheitern soll, müsste am Ende wenigstens nachvollziehbar sein, was die Erkenntnis, als einzelner „gudde Gendaarm“ nicht gegen ein System der Verschwiegenheit anzukommen, für seine Lebensführung bedeutet. Aber wer weiß, was der Autor noch mit seinem Helden vorhat.

Trotz seines etwas langweiligen Protagonisten sticht Schaarf Munitioun deutlich aus dem ganzen unausgereiften Wust, der im Bereich der Luxemburger Krimiliteratur auf den Markt geworfen wird, als eines der interessanteren Erzeugnisse hervor. Freilich wird man das Gedankenexperiment erst wirklich beurteilen können, wenn Schoos mit seinem Ermittler in den achtziger Jahren ankommt.

Noch ein Tipp zum Schluss: „Augen zu und durch“ taugt als Motto weder beim Schießen mit scharfer Munition, noch in Sachen Kommasetzung. Die hochwertige Präsentation der Fischbach-Bände hätte in dieser Hinsicht mehr Sorgfalt verdient.

Jean Schoos: Gudde Gendaarm – Béise Gendaarm. Schaarf Munitioun. Dem Fischer säin
2. Fall. 1968. Éditions Guy Binsfeld, Lëtzebuerg 2017. ISBN 978-99959-42-17-5.

Elise Schmit
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