Im Mittelalter ist es cool, sie rasseln mit den Ketten und schauen düster aus Kutten. Sie schwingen Säbel, sie gaukeln, sie klimpern neckisch mit dem Keuschheitsgürtel. Schwerter werden gezückt, die Burgfräuleins sind schwer entzückt. Der Herr Ritter hat sich in Schale geworfen. Lanzen zischen durch die Luft, es ist eine Lust! Feuer wird geschluckt und wieder ausgespuckt. Das Federvieh wird gerupft, dem Hasen wird energisch das Fell über die Ohren gezogen. Gebisse werden in saftige Keulen gehauen, der Saft tropft über ausladende Kinnladen. Anschließend wird kräftig gerülpst. Das derbe Volk schlägt sich den Wanst voll, bis dass die Schwarte kracht und es in die Hose macht. Dann schwingt es beschwingt das Raubein. Zu authentischem Gedudel und Gefidel und indem es ein Fass mit Nass nach dem anderen leert.
Das Fräulein mit dem spitzen Hut winkt indes dem Herrn der Hütte hinterher, der gerade hinterm Hügel entschwindet. Er muss dringend weg, zu den Mohren, was hat er da verloren? Sie sinkt in ihrer Kemenate nieder, sie weist den guten Alderich an, das Feuer im Kamin zu entfachen. Bald lodert es lichterloh.
Die Schmiede schmieden, die Schlächter schlachten, die Köche kochen. Der Falkner lässt den Falken fliegen. Der Hofnarr ist närrisch, zur rechten Zeit. Rußverschmierte Gestalten aus Les Misérables stochern in der Glut. Am Galgen hängt der Tunichtgut. Der ist aber nicht hier, der Galgen steht auf einem Galgenberg, am Galgen hängen Galgenvögel, wie es sich gehört. Der Troubadour singt sein Lied und sät Trouble im Busen der holden Herrin. Das Gänseliesl hütet die Gänse. Der Essigmacher macht Essig. Der Edelmann ist edel, der Bettler bettelt. Alles ist richtig, an seiner Stelle, auch die Feuerstelle. Schau, da wurde die Notdurft verrichtet, wie raffiniert diese Rittersleute doch waren! Da ist der Hungerturm, da wurde gehungert, im Verlies verließ dich alles, und in der Folterkammer wurde anständig gefoltert. Da ist die Kapelle. Der Jude liegt im Stroh.
Das Leben ist prall, mit Gestank, es fleucht und kreucht und seucht, überall Knochen und Bäche von Urin, Hinrichtungen, Pest, Sündenpfuhle, Scheiterhaufen. Veits- und Totentänzer. Und doch hat alles seine Ordnung. Jeder weiß, was zu tun ist. Es gibt sogar Eintrittspreise für den Himmel.
Was kostet Rädern, bitte? Oder Vierteilen? Oder eine Session Streckbrett? Der Papa setzt die Daumenschraube an – nein, er spielt nur, keine Angst. Es ist alles eine Spiel. Das gibt es ja alles nicht mehr, es wird niemand mehr gefoltert. Jedenfalls nicht bei uns. Ihr könnt ein bisschen Armbrustschießen gehen, Kinder, auch die Mädchen, so mittelalterlich ist es hier nun auch wieder nicht! Niemand wird auf den Scheiterhaufen geworfen. Es gibt auch keine Hexen mehr. Nur noch Prinzessinnen.
Es ist ein Spiel, ein Ritterspiel, so heißt das, und die Ritter sind Ritterdarsteller und die Leibeigenen sind Leibeigenendarsteller. Es ist ein Spiel, aber auch eine Arbeit. Sie sind extra aus dem Ausland angereist, um unsere Ritter zu sein und unsere Leibeigenen. Wir bezahlen sie aber gut dafür.
Und wir wollen mehr davon. Noch ein Mittelalterfest! Noch eine sterile Playmobilburg, noch eine vor sich hin bröselnde Ruine, in der wir uns mit Axt-Kollektionen eindecken können, inklusive Singende Axt. Und mit Recken-Sets oder Miedern für Maiden. Oder etwas mit Horn oder Laptops mit Runenschrift. Und Räucherkesseln gegen schlechte Schwingungen, das kann nicht schaden in unserer Gesellschaft. Und Kettenhemden, wie geil das ist! Ich glaub, ich hab das bei Gaultier gesehen.
Es gibt hier wirklich was für jeden. Nur der Se-nior_innenmarkt ist noch nicht so ausgebaut. Der gemeine Krückstock ist kein Renner.