Der Premier sagt so wunderbare Sachen, da könnten die Zähren über die zerfurchten Antlitze rinnen. Mit dem Land, das so schön ist, dass die Tourist_innen aus aller Welt es stürmen, übertreibt er zwar ein bisschen. Und dass allerhand Maßnahmen getroffen werden werden, ist auch nicht gerade beruhigend. Aber we are all one sagt er, oder so ähnlich. Egal wer und von wo und welche Sprache aus uns spricht und egal welcher Gott uns rumkommandiert. Alle gehören hierher und dazu. Alle, die den legendären Wohlstand der Landesinsass_innen im Schweiße ihres Angesichtes vermehrt haben. Die, die Busse steuern und die Autobahnen teeren und die Fliesen schrubben und nett sind zu den Greis_innen, und die, die planen und denken und entwerfen. Ihr seid willkommen, sagt der Premier zu denen, die längst die Mehrheit sind. Ihr seid da, und das ist gut so, und er sagt es in zwei Sprachen.
Europäisches Mini-Labor. Ein Hauch von Utopolis. Ein bisschen Märchen. Ein nationales Märchen, eines, in dem keine rote Löwen brüllen. Die Alzette fließt durch die Wiesen, auch schön, selbst wenn man immer noch nicht in ihr baden kann. Menschen aller menschenmöglichen Geschlechter dürfen einander lieben und in der Hochzeitskutsche vorfahren. Und, auch wenn das kein klassisches Happy End ist, der Bürger oder die Bürgerin darf sich am Ende eine freundliche Spritze bestellen.
Ein Quantensprünglein vielleicht?
Huch, der frische Wind weht zum Fenster rein, wenngleich er zwar die berüchtigten Hüte nicht von den Frisuren weht. Auch die pinken Pfaffenkäppis nicht von den Schädeln, dem Erzbischof nicht die Mitra vom Haupt. Der Erzbischof hält sich am Krummstab fest, sein Antlitz ist schweißgebadet. Er macht sich Sorgen, um die Christenverfolgung in Luxemburg. Aber er bemüht sich um Großzügigkeit. Er lädt alle ein. Sogar die, die an nichts glauben oder an das Nichts. Dann wünscht er den Großherzogs alles Gute. Er nennt den Großherzog etwas schleimig Symbol und Garant unserer Freiheit. Der Imam rezitiert, der Rabbi und der Anglikaner singen. Auch sie wünschen Großherzogs und dem Land, die beiden scheinen zusammen zu gehören, alles Gute. Der Anglikaner bittet sogar inständig, den Grand-Duke zu retten. Sie beten für Großherzogs, die äußerst ernst, beinahe melancholisch dreinschauen. Sind sie eine bedrohte Art?
Der Erzbischof weiß, was die Stunde geschlagen hat. Die Zivilgesellschaft ist zwar brav angerückt und hat artig Platz genommen in den vorderen Rängen der Kathedrale. Bald aber findet er, es sei heiß in der Kathedrale, und alle dürfen nach Hause gehen oder ins Wirtshaus.
Nur Großherzogs müssen weiter Überstunden schieben. Sie sind gemessenen Schrittes geschritten und getrippelt, über rote Teppiche, vorbei an willigen Untertan_innen und aufgekratzten Touristen. Sie haben Spielplätze besucht, auf denen ihnen allerhand vorgesungen wurde. Sie haben Paraden abgenommen, Feuerwehrautos bewundert, dem Volk zugenickt. Dem übrig gebliebenen Volk, das meiste Volk sucht traditionell zu Großherzoginsgeburtstag, wie ältere Mitmenschen den Tag gern heißen, das Weite. Großherzogs haben Kanonenschüssen und Fanfaren gelauscht, Feuerwerke bestaunt, kleinen Mädchen übers Haar gestrichen. Sie haben Würde mit Jovialität verbunden, immer die richtige Dosis Lächeln. Sie haben Sympathiepunkte gesammelt, wie ein Radiomoderator feststellte.
Jetzt binden sich der Großherzog und die Großherzöglinge gelbe Schärpen um. Sie empfangen die fürstlich gewandete Zivilgesellschaft im Palast. Es gibt keine Palastrevolution, heute nicht.
Die Zuschauer_innen, die Großherzogs zuschauen, wie sie gehen, stehen, winken, sagen „flott“, ziemlich oft. In den RTL-Interviews finden alle alles flott, Ketzer_innen sehen und hören wir keine – die murren in den Foren im Internet. Die Zuschauerinnen sagen, dass sie profitieren. Von dem schönen Wetter, dem schönen Tag, den Großherzogs, der Militärmusik, den Feuerwehrwagen, den Fackeln.
Alle sind zufrieden und kauen Thüringer_innen.