„Schalom Aleikum“ ist ein Projekt des Zentralrats der Juden in Deutschland, das den Dialog zwischen Juden und Muslimen auf bundesweiter Ebene fördert. Ein wichtiger Aspekt der Initiative ist, dass sie generationenübergreifend ist und Diskussionen zu unterschiedlichen relevanten Themen in der Zivilgesellschaft ermöglicht. Wie auf der Webseite des Projekts (schalom-aleikum.de) zu lesen ist, geht es um die fundamentale Idee, dass „wenn sich Menschen austauschen, miteinander sprechen, zuhören und versuchen zu verstehen, […] sie besser miteinander klar[kommen]“. Denn durch das Abbauen von Ressentiments zwischen Menschen jüdischer und muslimischer Herkunft „wirkt sich dies auf das gesamte gesellschaftliche Zusammenleben aus“. Hervorhebenswert ist auch, dass es sich hier nicht um interreligiösen Dialog per se handelt, sondern um einen Dialog zwischen Personen – manche religiös, andere nicht –, die jüdischer oder muslimischer Herkunft sind und oft einen Migrationshintergrund haben. Wobei letzteres ein signifikanter Aspekt der Geschichte Deutschlands nach der Shoah ist.
Die Veröffentlichung von Büchern, die diese Treffen und die Perspektiven der Teilnehmer dokumentieren, sind besonders bedeutsam in diesem Kontext. Eine erste Publikation mit dem Titel Mutige Entdecker bleiben berichtete über die Erfahrungen von Senioren nach ihrer Ankunft in Deutschland und präsentierte Informationen über die Geschichte der jüdischen und muslimischen Präsenz im geografischen Gebiet der heutigen Bundesrepublik (siehe „Schalom Aleikum, Kumpel“, d’Land, 28.2.2020). Seitdem sind drei weitere Bände erschienen. Dass die Dialoginitiative in einer Zeit, in der „soziale Distanzierung“ zum neuen Schlagwort geworden ist, sich überhaupt weiterentwickeln konnte, ist ein Zeugnis des Engagements und der harten Arbeit aller beteiligten Akteure.
Der zweite Band Impulse geben! bringt jüdische und muslimische Unternehmer – oder Gründer, wie es im Untertitel des Buchs heißt – ins Gespräch und legt besonderes Augenmerk darauf, wie spezifische biografische Hintergründe eine wesentliche Rolle in der Gestaltung der Selbstständigkeit gespielt haben. Wie Damir Softic es in seinem einführenden Aufsatz betont, ist die Selbstständigkeit in den Herkunftsländern der Migranten stärker verbreitet als in der Bundesrepublik, und somit „sind sie oft von Vorbildern in ihren Herkunftsländern geprägt“. Doch notiert er auch, dass diese jungen Unternehmer, wie Menschen mit Migrationshintergrund allgemein und Juden und Muslime im Besonderen, immer wieder in der Mehrheitsgesellschaft stigmatisiert werden, unter anderem auch, weil Zugewanderte und deren Nachkommen im deutschen Kontext oft der Gastarbeiterklasse zugeschrieben werden. Dazu sei gesagt, dass Beispiele solcher Stigmatisierungen in der Corona-Leugner-Szene üblich sind, wie man bei den verschwörungstheoretischen Angriffen gegen den Gründer des Unternehmens Biontech, Uğur Şahin, sehen kann, dessen Vater in den Kölner Ford-Werken arbeitete.
Der dritte Band Gehört werden gibt jungen Menschen im Alter von 16 bis 22 Jahren eine Stimme. In zehn Interviews erfahren die Leser über die Lebenswelten, die Zugehörigkeit(en) und die Bedeutung des Dialogs aus Sicht engagierter Jugendlicher, die sich sehr der Komplexität des Andersseins in Deutschland bewusst sind, aber auch der Schwierigkeiten des jüdisch-muslimischen Dialogs. Doch sind ihre Überlegungen eine Einladung, die Gesellschaft nicht dichotomisch zu betrachten, geteilt in „wir“ und „sie“, wobei beide Personalpronomen sich immer wieder auf unterschiedliche Inhalte beziehen können. Wie die 19-jährige Klara Karali anmerkt, ist das friedliche Zusammenleben stets möglich: „Wenn mein Papa Ramadan feiert, bin ich auch eingeladen. Dann wiederum bin ich in der jüdischen Gemeinde an Rosch haSchana und dippe einen Apfel in Honig. Ich finde es sehr schön und bin auch sehr froh, dass ich das erlebe. Ich glaube, Frieden kann wachsen, wenn man sich mischt und andere Kulturen kennenlernt, offen ist und keine Vorurteile hat.“
Der Bekämpfung der antisemitischen Vorurteile und der besonderen Rolle der Bildungsakteure ist der vierte Band mit dem Titel Goodbye Hate! gewidmet. In Interviews und Aufsätzen beschreiben Erzieher, im breitesten Sinne des Wortes, ihre pädagogischen und methodologischen Ansätze in der Antisemitismusprävention, unter anderem an der Schule. Wie der Psychologe und Autor Ahmad Mansour betont, ist Antisemitismus jedoch kein „muslimisches“ Problem. Es ist in allen gesellschaftlichen Gruppen vorhanden und herkunfts- und religionsübergreifend. Das verhindert jedoch nicht, dass die Bekämpfung der Vorurteile auf einer gruppenspezifischen Erziehungsstrategie basieren muss. Die Themen, die in diesen drei neuen Bänden angesprochenen werden, sind natürlich auch im Luxemburger Kontext äußerst relevant, ihre Diskussion würde Debatten über Religion und Migration bereichern.