Schon wieder sitzen alle da und sagen Normaler Mann. Sie sitzen beklommen da und zerkrümeln einen Keks und sagen Normaler Mann. Es war der Normale Mann. Kommentatoren sagen Normaler Mann und der Bruder sagt Normaler Mann und der Nachbar sagt Normaler Mann, nur der Präsident sagt Kranker Mann, der Präsident ist ja auch nicht normal. Die Nachrichtensprecherinnen sagen Normaler Mann und die Kommentatoren und der Waffenhändler. Sie brauchen nicht nach dem normalen Mann zu fahnden. Er ist tot. Aber das beruhigt niemand. Er ist nämlich überall. Nach all dem, was wir hören über den Normalen Mann, kennen wir ihn alle. Ein netter Kerl, eigentlich. Er arbeitet mit uns, er wohnt neben uns, er ist mit uns verheiratet. Keiner weiß, wer er ist.
Extrem unauffällig, lautet die Erstdiagnose. Aber dann doch nicht so extrem extrem unauffällig, dass man ihn als Unauffälligkeitsextremisten hätte einstufen können. So auffällig unauffällig wie der im Trenchcoat mit der Zeitung mit dem Loch in schwarzweißen Krimis. Solche gibt es sowieso nicht mehr. Die kleinen grauen Männer aus der Kindheit, die alle zur gleichen Zeit das gleiche Haus verlassen, das sie zur gleichen Zeit wieder betreten; schweigend ziehen sie ihren grauen Mantel aus, hängen den grauen Hut hin, setzen sich mit grauem Gesicht zu Tisch, dann verschwinden sie wieder in ihrem grauen Alltag.
Alle haben jetzt Tattoos oder einen Buddha oder einen Tick, den sie im Fernsehen outen, aber auch das ist schon vorbei, wir kennen schon alle Ticks, Menschen die sich freiwillig Gliedmaßen amputieren lassen, weil sie darauf stehen, so hat jeder seinen Vogel. Jeder kann sich selber (er)finden, bitte schön, entwerfen Sie sich selber. Jeder will was sein, das Allerhöchste, zum Beispiel man selber. Be yourself! So was stand früher nur den höchsten Ständen zu. Heute hat jede Putzfrau das Recht, Traumpflegerin zu sein, vorausgesetzt natürlich, sie hat die Energie dafür. Wer will noch Otto Normalverbraucher sein, oder Konsument Kevin, wer will ein Massenmensch sein? Massenmordmensch klingt doch gleich viel besser.
All das macht es ja noch komplizierter. Er ist nicht einfach der Perverse, der freundlich grüßt und so auffallend nett zu allen ist, mittelgroß, mittelblond, Mittelschicht. Da hätten die Profilerinnen ja noch Anhaltspunkte, so einen könnte man ja noch melden, besser einmal zu viel als zu wenig. Aber der wirklich Normale, der so normal ist wie unsere Gesellschaft, nämlich gar nicht, wie soll man den erkennen? Er liegt nicht unter unserm Bett, er liegt in unserm Bett. Und er ist nicht mal immer nett.
Einst, in der guten alten Zeit, war das Leben einfach, vergleichsweise. Im Who is Who waren die Rollen übersichtlich verteilt, hier die Guten, da die Ausgeburten des Bösen. In dem Moment, in dem der Herr mit dem eckigen Bart, der Pluderhose, dem sperrigen Gepäckstück und der negativen Ausstrahlung die Szene betrat, empfahl es sich, sich zu empfehlen. Unauffällig nahm man die Hasenfüße in die Hand. So einfach blieb es natürlich nicht lange, die Knallköpfe mit den Sprenggürteln unterschieden sich immer weniger von allen anderen Knallköpfen ohne Sprenggürtel, sie waren genauso versoffen, verkifft, verhurt, nicht einmal das schien sie zu heilen, was denn, um Gotteswillen? Vielleicht hatten sie ein bisschen mehr Hautfarbe als die hautfarblose Mehrheit. Die dicken, blonden Konvertiten zog es ja eher ins gehobene Management oder auf den Predigtstuhl. Die unauffälligen Jungs starrten genau so gestresst auf ihren Iphone wie wir gestresst auf sie. Jeder Zweite konnte Er, Der sein. Der Eine schaute immer mehr aus wie jeder Andere.
Quasi wie ein normaler Mann. Als hätte der uns nicht sowieso schon genug genervt in der letzten Zeit, überall gespenstische Bewegungen normaler Männer, die wieder alles normal wollen, sie bewegen sich starr, ruckhaft, rückwärts. In den USA wählen diese normalen Männer einen anormalen Präsidenten.
Mr. X, der normale Mann.
Komisch, ich hab das Gendern ganz vergessen. Ich hab die normale Frau ganz vergessen. Aber da fällt mir nur Merkel ein. Und so viel Angst macht die im Moment niemandem.