Claude Meischs Kompromiss mit den Lehrern

Win-Win-Lose

d'Lëtzebuerger Land du 07.08.2015

Plötzlich ging alles ganz schnell: Am 29. Juli hieß es, Gewerkschaften und das Erziehungsministerium hätten ihren Streit beigelegt und sich über Kürzungen geeinigt. Am Freitag wurde das Abkommen von allen drei Gewerkschaften und dem Ministerium unterschrieben. Warum es nach zwei gescheiterten Verhandlungsrunden nun mit einem Mal doch gelang, einen Kompromiss zu finden, liegt an mehreren Faktoren: Zum einen ist das Ministerium den Gewerkschaften in der letzten Verhandlungsrunde noch einmal entgegengekommen. Während einer Pressekonferenz hatte Erziehungsminister Claude Meisch (DP) elf mögliche Verhandlungspisten aufgezeichnet. Gewünschtes Signal: Wir sind gesprächsbereit, an uns liegt es nicht, wenn die Mediation scheitert.

Zudem war der Minister bereit, auf die ursprünglich geplante und von den Gewerkschaften vehement abgelehnte Kürzung der Alters-Décharge zu verzichten. An den ebenfalls umstrittenen Coefficients réducteurs hielt Meisch in einer abgespeckten Version fest, die zum Beispiel erlaubt, diese durch einen um eine oder zwei Wochen verlängerten Unterricht auf den Abschlussklassen zu neutralisieren. Im Gegenzug mussten die Gewerkschaften hinnehmen, dass sich die Lehrer nun für drei Jahre doppelt so viele Stunden weiterbilden müssen als bisher: 48 Stunden statt 24. Das scheint zunächst nicht so viel, aber für die Umsetzung der Reformen könnte das der dringend benötigte Handlungsspielraum sein, den das Ministerium braucht, um das Lehrpersonal auf die Änderungen vorzubereiten. Mit dem Plan, bei der Examensaufsicht künftig preiswertere Erzieher einzusetzen, gewinnt das Ministerium ebenfalls wertvolle Ressourcen, die es woanders investieren kann. Kein Wunder, dass auch der Bildungsminister nach der Unterzeichnung zufrieden war.

Das Abkommen präsentiert sich als klassische Win-Win-Situation – mit einem Verlierer: Die Maximalforderung der Lehrerkomitees, überhaupt nicht bei den Lehrern und ihrer Tâche zu sparen, ließ sich nicht durchsetzen. Und das ist richtig so. Denn wer weiß, was für Herausforderungen auf die Schule zukommen, der wird einsehen, dass dies nur mit zusätzlich mobilisierten Ressourcen möglich sein wird. Traurig ist nur, wie lange es gedauert hat, bis sich diese Einsicht durchgesetzt hat. Teilweise waren die Fronten so verhärtet, dass jede Einigung ausgeschlossen und ein Streik unausweichlich schien. Das liegt nicht nur an den überzogenen Forderungen der Lehrerkomitees; die Gewerkschaften haben ebenfalls sehr lange hoch gepokert. Gemessen an der Verhandlungszeit und dem Nerv, den der Streit gekostet hat – über anderthalb Jahre –, fällt das Ergebnis nicht so grandios aus. Zumal der Dauerclinch beträchtliche Kollateralschäden verursachte: Spätestens mit der Drohung, die Examen zu bestreiken, erlitt das Image der Lehrer derbe Kratzer. Das wusste auch das Ministerium und hat seine Trümpfe geschickt gespielt. Noch einmal einen erzielten Kompromiss von den Lehrerkomitees per Basis-Votum zu Fall bringen lassen, wollte der Minister auf keinen Fall. So ist auch die kurze Entscheidungsfrist zu verstehen, die Meisch den Gewerkschaften setzte. Die Sommerferien schafften zusätzlichen Druck.

Das als undemokratisch zu verunglimpfen, zeigt, dass manche die repräsentative Demokratie nicht verstanden haben – oder nichts von ihr halten: Die Gewerkschaften sind die gewählten Berufsvertreter. Auch wenn es eine Zeit lang so schien, als hätten sie das selbst vergessen. Sich erneut von den Lehrerkomitees am Nasenring durch die Manege führen zu lassen, hätte einen irreparablen Glaubwürdigkeitsverlust bedeutet. Mit der Einigung ist das alte Kräfteverhältnis hergestellt, auch wenn sich ankündigt, dass die Gegner so schnell keine Ruhe geben werden. Bleibt zu hoffen, dass sich die Mehrheit der Lehrer nach dem gefundenen Kompromiss wieder auf ihre pädagogischen Aufgaben konzentieren kann.

Ines Kurschat
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