Es liegt was in der Luft, ein ganz besonderer Duft, sang einst eine glockenklare Frauenstimme, um Lust auf einen bestimmten Filterkaffee zu machen. Der Werbesong ist uralt, aber der Duft von leckeren braunen Bohnen als Willkommensgruß ist zeitlos und war stets die Belohnung eines Besuchers, der sich in einem der zahlreichen Cafés oder Bäckereien in der Stadt niederlassen wollen, um gemütlich bei einer Tasse Kaffee die Zeitung zu lesen oder Kontemplation zu betreiben.
Manchmal duftete es in der Stube darüber hinaus nach den soeben dem Backofen entnommenen goldbraunen Hörnchen, wahlweise mit Schokolade oder einfach buttergelb. Zusammen ergab das dieses besondere Frühstücksflair, bevor es in den hektischen Alltag ging. Die Italiener wissen darüber Lieder zu singen und Filme zu drehen.
Das ist vorbei. De facto abgeschafft. Stattdessen, wenn man heute früh morgens ein Café oder eine Bäckerei betritt, wartet direkt hinter der Eingangstür auf einem Tisch eine Flasche, ein Schild mit penetrant rotem Pfeil weist den Besucher/die Besucherin darauf hin, sich vorher die Hände zu desinfizieren, ehe er oder sie sich in die Schlange an der Theke einreiht. Dann geht es an den Tisch, nein, den nicht, denn der ist mit rot-weißen Signalband abgesperrt. Der daneben ist frei, mit einer Plexiglasscheibe vom Nachbarn getrennt.
Das ist als solches ja vernünftig und nachvollziehbar. In Zeiten, wo ein potenziell tödlicher Virus grassiert, muss jede/r zurückstecken und seinen /ihren Beitrag leisten: Sei Teil der Lösung und nicht des Problems, hat der Premier gemahnt. Das wollen wir alle sein, und sei es nur, damit diese ganzen Schutzmaßnahmen und der gefühlte Dauer-Ausnahmezustand endlich ein Ende haben.
Aber, und das ist ein echtes Problem: Warum müssen die Desinfektionssprays so schlimm stinken? Ja, mir fällt kein anderes Wort ein: Da freute man sich, dass man wegen der strengen Hygieneauflagen in Schwimmbad und Fitnesszenter wegen der Abstandregeln nicht mehr vom lästigen Geruch von Haarspray oder Aftershave belästigt wird – und dann geht es ins Café und man riecht wie eine ganze Billig-Parfümerie. Jeder leckere Geruch von Kaffee und Kuchen ist überdeckt. Muss das sein? Warum gibt es Desinfektionsgels nur in müffelnder Version?
Wir haben den Test im Bahnhofsviertel gemacht: Die vorgefundenen „Duft“-Noten reichen von Krankenhausgeruch, muffigem Pfirsich bis zu hochprozentigem, aber abgestandenem Alkohol. Am schlimmsten sind die, die man sich ahnungslos in die Hände spritzt, dann zum Tisch geht, wo die Begleitung naserümpfend meckert: Was ist mit dir los? Hast du das Toilettenspray als Deo benutzt? Angesichts solcher Begrüßungsszenen macht die Variante Alkohol richtig Sinn.
Auch Bio hilft hier nicht. Im Gegensatz zu Seifen und Körperlotionen, wo es immer eine geruchsneutrale Version für Hypersensible gibt, gilt das bei den Handgels nicht: je mehr bio, desto stink. Die Biosprays riechen entweder nach verfaultem (Bio)Obst oder sauer-penetrant. Immerhin hat der Stinkefaktor den sanitären Nebeneffekt, dass frau Cafés beginnt zu vermeiden, quasi eine selbstauferlegte Ausgangssperre – um dem Gel zu entgehen.
Und dann die Konsistenz und die Anwendung: von sämig-seifig, dass es sich wie Spülmittel anfühlt („Sie baden gerade Ihre Hände darin“) bis wässrig-flüssig, dass danach die Hände nass sind. Wie blöd, wenn dann keine Servietten aufzutreiben sind. Wahlweise ist das Gel mit der Hand aufzutragen, wobei man dann eine Falsche anfasst, die Hunderte vor einem in der Hand hatten. Schlauer ist es mit dem Ellbogen oder mit dem Fuß. Das sieht elegant aus, erinnert an einen Tret-eimer für den Hausmüll und ist zumindest ehrlich: So ähnlich riechen die Hände danach auch.
Wer all das nicht will, dem sei ein Geheimtipp verraten: Es gibt ein Café in einem populären Hauptstadt-Viertel, da haben die Wirtsleute mitgedacht: Wer dort trinken oder speisen will oder nur Zwei-Meter-Gesellschaft sucht, tritt durch die Eingangstür und steht in einer Zeitmaschinen-ähnlichen Box. Per Knopfdruck strömt Luft aus mehreren Düsen, blaues Licht erstrahlt; angeblich tötet es Bakterien und Viren ab. Das Patent stammt aus Südkorea. Wie es genau wirkt, weiß die freundliche Bedienung nicht zu sagen. Die Reaktionen der Besuchenden seien gemischt: Die einen finden es zu laut und trauen der Chose nicht. Die anderen finden es super, zumindest beim ersten Mal kommt so ein Beam me up, Scotty-Feeling auf. Und ehrlich, wer würde sich derzeit nicht an einen anderen virenfreien Ort beamen wollen? Das Beste: Der Virenkiller-Walkthrough macht zwar reichlich Lärm, aber er stinkt nicht. ●