Luxemburgensia

Journal des Luxus, der Moden und der Orchideen

d'Lëtzebuerger Land du 14.12.2000

Im trostlosen Mansfeldsaal der Nationalbibliothek stellt die naturwissenschaftliche Abteilung des großherzoglichen Instituts zu ihrem 150. Geburtstag den Stolz ihrer Bibliothek aus. In der Hauptsache sind es deutsche und französische Fachbücher aus dem 19. Jahrhundert, die weder besonders spannend, noch besonders selten sind. Auch wenn Institutsmitglieder im Gästebuch von Zeugnissen nationalen Kulturguts schwärmen.

Bemerkenswert ist lediglich ein großformatiges Album mit dem Titel Pescatorea. Iconographie des Orchidées, das einsam in einer viel zu geräumigen Vitrine steht. Es ist eines jener mit handkolorierten Lithographien illustrierten Orchideenbücher des 19. Jahrhunderts, um die sich Büchersammler reißen. Ein niederländisches Fachantiquariat bietet derzeit eines der seltenen Exemplare von Pescatorea für eine halbe Million Franken zum Verkauf an.

Der 1860 in Brüssel bei M. Hayez veröffentlichte Orchideenband hat etwas Kurioses an sich, weil sowohl sein Autor aus Luxemburg stammt, wie auch das Werk einem aus Luxemburg stammenden Orchideensammler gewidmet ist.

Der Verfasser von Pescatorea ist der Orchideenjäger und spätere Direktor des botanischen Gartens in Brüssel Jean Linden aus Luxemburg (1817-1898), in Zusammenarbeit mit den Botanikern M.G. Reichenbach, G. Lüddemann und J.E. Planchon. Orchideensammeln war im 19. Jahrhundert eine wissenschaftlich verbrämte Jagd auf exotische und vor allem teuere Luxusobjekte für das Großbürgertum.

Malte eine Generation zuvor der "Luxemburger" Pierre-Joseph Redouté (1759-1840) aus Saint Hubert noch Pflanzenbilder für den König, so waren es nach der Revolution  nun reiche Privatsammler, die ganze Expeditionen fianzierten, um sich noch unbekannte Pflanzen zu beschaffen. Zum Dank tauften die so ausgehaltenen Systematiker, die Buchhalter der Biologie, die neuen Funde auf die Namen ihrer Geldgeber.

Linden sammelte zehn Jahre lang in Lateinamerika Orchideen für seine Sponsoren in Europa und eröffnete anschließend zusammen mit seinem Sohn die erste große kommerzielle Orchideenhandlung auf dem Kontinent, Horticulture internationale, die direkte Konkurrenz des britischen Top-Lieferanten Messrs. Sander.

Mit dem Album Pescatorea wollte Linden einem seiner wichtigsten Kunden und Mäzenen ein kleines Denkmal setzen. Denn seinen Namen hat das Werk von Jean-Pierre Pescatore (1793-1855), der hierzulande als Begründer der Fondation und des Musée Pescatore gefeiert wird. Auch wenn der nach Frankreich ausgewanderte Pescatore zuerst ein typisches Produkt der von Bürgerkönig Louis-Philippe empfohlenen und betriebenen rücksichtslosen Bereicherung in der New Economy der Juli-Monarchie war, ein Bankier, der es durch einen Betrug zum Tabakmillionär gebracht hatte (Biographie nationale, Bd. 1, S. 481).

Als Louis-Philippe in der Revolution von 1848 gestürzt wurde, besaß Pescatore in den Gewächshäusern seines Schlosses von Celle St-Cloud gerade eine der größten Orchideensammlungen Europas mit 800 verschiedenen Arten und Unterarten. Sogar eine Orchideengattung ­ Pescatorea mit etwa 14 von Costa Rica bis Kolumbien vorkommenden Arten ­ wurde nach ihm benannt. Drei Jahre nach der Revolution soll er dann, wohl auch zur Verteidigung seines Orchideenvermögens, den Putsch Napoleons III. mitfinanziert haben.

Die Ausstellung dauert noch bis zum 16. Dezember. Ein Nachdruck von Pescatorea ist bei Naturalia publications erschienen (160 S., 480 FF, ISBN 2-909717-18-6).

Romain Hilgert
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