Rede zur Literatur, zum Theater und zum Tanz des CNL

Ein starkes Trio

d'Lëtzebuerger Land du 10.01.2025

Die theoretischen und essayistischen Kurzveröffentlichungen des Nationalen Literaturzentrums sind in eine neue Runde gegangen. 2024 sind drei neue Publikationen zur Literatur (Poesie), zum Theater und zur choreographischen Arbeit erschienen. Oft hören, lesen oder reden wir darüber, wie Kunst wahrgenommen und rezipiert wird. Diese Bände hingegen widmen sich der Perspektive der Kunstschaffenden, die über ihre Arbeitsweise, theoretischen Reflektionen, Motivation und Schwierigkeiten im Schaffensprozess erzählen – alle in ihrem eigenen Tonfall und Stil.

Die Lyrikerin Ulrike Bail widmet sich in ihrer deutschsprachigen Rede zur Literatur der Poesie. Sie spielt mit Variationen der Tonfälle, Erzählweisen, Referenzen, Textarten – von Prosa (gedichten) zu Definitionen über Verszeilen mit Enjambements – Klangverschiebungen und Gleichklängen, gemeinsamen etymologischen Wurzeln und ihren unterschiedlichen heutigen Bedeutungen … und untersucht dabei den Platz und die politische Kraft der Poesie. Es geht hier viel um Leerstellen, die sich in den ormeaux versinnbildlichen, gefundenen Muscheln mit eigenen Leerstellen, den abwesenden Tierchen, meine trosttiere, am Strand der Normandie am 24. Februar 2022 (dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine), wo sich Urlaubsziele, Tourismus und räumliche, assoziative und historische Ebenen sprachlich und räumlich übereinanderlegen:

„Auf Messers Schneide spricht die poetische Sprache, sprechen die Metaphern. Trösten und Vertrösten sind nur drei Buchstaben voneinander entfernt, zwischen banal und sinnstiftend liegt oft nur ein Zeilenspring.“ (S. 33)

Krieg und Trümmer, Erleben und Beobachten, Distanz, Zeit und Nähe – ihre Überlegungen sind so poetisch wie voller Querverweisen und eigenen Lektüren, mit Zitaten von Esther Kinsky, Yevgeniy Breyger, Anja Utler, Tanja Maljartschuk u.v.m. Eine packende Rede und Kontemplation.

In seiner luxemburgischen Rede zum Theater begibt sich Jemp Schuster in ein humorvolles, ironisches Zwiegespräch mit einem Gespenst unter einem Apfelbaum. In zahlreichen schlaflosen Nächten erzählt ein Theaterautor, der auch gelegentlich Dramaturg UND Regisseur ist, der durchscheinenden Seele von seinem neuen Projekt. Diese Rede ist weniger theoretisch als die Vorgängerbände des CNL, weitaus literarisch-essayistischer und prall voll Ironie über die Erwartungen an das und die Praktiken des heutigen Theaters. In diesen Zwiegesprächen zwischen Theaterautor und Gespenst wird klar, welchen Herausforderungen er sich in seinem Schreiben und Inszenieren gegenübersieht. Er grenzt das Theater als reine kalte Imitation vom Kabarett („Kabarä“) ab, das weitaus sozialkritischer und realitätsbezogener ist. In kurzen, essayistischen Gedankengängen wird das Theater als Handwerk beschrieben, in dem die Intonation und Machart eine wichtige Rolle spielen, sowie alles, was die Aufführungen umgibt: Schauspieler/innen, Publikum, Rezeption und Kritiken. Insgesamt wird viel Kritik am zeitgenössischen Theater und Theaterschaffenden geübt, und doch zeugt der Text unbestreitbar von einer tiefen Begeisterung für die performative Kunst:

„Schwätzen a maachen sinn zwou verschidde Saachen. Theater ass Kappwierk an Handwierk zugläich. Vun der Iddi am Kapp bis zum Spill op der Bün.“ (S. 33)

Anne-Mareike Hess widmet sich wiederum in ihrer englischsprachigen Rede zum Tanz ihrer eigenen Praxis und sammelt Fragmente ihrer Gedanken, Notizen und Unterhaltungen über ihre choreographische Praxis. Dabei widmet sie sich Auszügen zu den Vorbereitungen und Nachgesprächen zu Performances wie WARRIOR, TANZWUT, DREAMER und WEAVER und untersucht den Körper als „bodymind“, als Medium des Ausdrucks im modernen Tanz – von seinen Bewegungen, dem Gesichtsausdruck über Musik und Sounding zum Kostüm u.v.m. Mehr als eine Theoretisierung, werden auch in dieser Rede vielmehr analytische und theoretische Überlegungen zur Praxis, Mitteln und Möglichkeiten der Verkörperung und Darstellung sowie zur Rezeption gesammelt.

So unterschiedlich die drei Reden auch sind, umso mehr bereichern sie die kleinen Einblicke in künstlerisches Schaffen, die die Reden zur Kunst des CNL bieten.

Claire Schmartz
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