Heute loben wir die heimatfreundlichen Reflexe des Staates. „Das können wir nicht unterstützen, das ist ja keine luxemburgische Autorin“, sagte die Dame vom Kulturministerium. Worum geht’s? Die Ausländervereinigung Clae hatte den Plan, drei Erzählungen der peruanischen Schriftstellerin Teresa Ruiz Rosas in luxemburgischer Übersetzung herauszugeben und beim diesjährigen Festival des Migrations, des Cultures et de la Citoyenneté vorzustellen. Wegen ihrer prekären Finanzlage bat die Vereinigung Clae das Kulturministerium um eine bescheidene Unterstützung des Projekts. Mit der nationalbewegten Einstellung der zuständigen Dame hatte niemand gerechnet. Das literarische Vorhaben war abrupt gestorben.
Wiederholen wir kurz zur Erinnerung: eine Vereinigung luxemburgischen Rechts hatte vor, gemeinsam mit einem luxemburgischen Verlag und drei ehrenamtlichen luxemburgischen Übersetzern ein neues Buch auf einer luxemburgischen Veranstaltung zu lancieren. Der Haken war, dass die Autorin eben nicht luxemburgisch ist. Was hat Peru mit Luxemburg zu tun? Müssen wir tatsächlich fremdländisches Kulturgut in unsere durch und durch luxemburgische Enklave einschleppen? Was bringt uns die Beschäftigung mit der spanischen Sprache? Sind wir nicht vollends ausgelastet mit dem Schutz unserer eigenen Sprachressourcen? Müssen wir – um es mit den Worten des Immigrationsministers zu sagen – unbedingt „die ganze Kulturmisere der Welt bei uns aufnehmen“?
Dürfen wir der Dame von der intellektuellen Heimatfront eine Empfehlung unterbreiten? Sie sollte ihr Augenmerk mal ganz gezielt auf die Philharmonie richten. Diese pompöse, staatlich äußerst liebevoll unterstützte Einrichtung ist ein wahres Treibhaus des unluxemburgischen Kulturguts. Es beginnt schon bei der architektonischen Hülle. Portzamparc! Noch nie hat ein Architektenname so wenig luxemburgisch geklungen. Selbstverständlich ist der Leiter des Unternehmens auch kein Luxemburger. Fast wagen wir es nicht, das Programm der Philharmonie kurz zu prüfen. Jahraus, jahrein fast ausschließlich Künstler, die nicht die geringste Verbindung zu irgendwelchen luxemburgischen Ureinwohnern vorweisen können.
Allein beim Stöbern im Veranstaltungskalender vom Monat März überkommt uns der kalte Graus. Johann Sebastian Bach, Rafal Blechacz, Kodo, Beethoven, Murray Perahia, Sergey und Lusine Khachatryan. Sergey und Lusine? In welchem verlassenen Winkel der Welt wurden denn diese Vornamen erfunden? Wo bleibt da die rein akustische Anlehnung an unsere schönen Namenslisten aus dem lieblichen Moseltal und von den rauen Öslinger Hügeln? Wenn der Staat schon ausländischen Musikern massiv unter die Arme greift, sollte er dann nicht wenigstens verlangen, dass sich die derart Geförderten ein heimatkompatibles Pseudonym zulegen? Josy Müller, Erni Wagner, Mischi Schmit, Kätti Feiereisen: so wird Musik mit dem urwüchsigen Heimatgedanken vereinbar.
Ihr temporäres luxemburgisches Pseudonym dürfen die Künstler ruhig wieder fallen lassen, wenn sie ihre Zelte woanders im Ausland aufschlagen. Aber hier gilt der Teresa Ruiz Rosas-Imperativ: Wer nicht zumindest nach außen ein luxemburgischer Musiker ist, wird nicht unterstützt. Soviel Konsequenz dürfen wir doch wohl vom luxemburgischen Kulturministerium verlangen. Natürlich tut sich hier sofort ein Abgrund auf. Binnen kurzem wird das philharmonische Orchester arbeitslos sein. Das macht aber nichts, denn ohnehin spielen in diesem Orchester fast nur Ausländer. Wir können sogar mit Fug und Recht behaupten, dass dieses Orchester eine Art konspirative, fremdländische Kunstzelle mitten in unserer rotweißblauen Eintracht ist. Auch wenn die Überfremdung mit bunten Klängen übertüncht wird, auch wenn der Sachverhalt buchstäblich mit Pauken und Trompeten verwischt wird, diese Philharmonie ist und bleibt ein Nest der ausländischen Propaganda. In diesem blendend prächtigen Bau auf Kirchberg wird Tag um Tag der Zusammenhalt unserer Heimat gefährdet, unsere nationale Souveränität ausgehöhlt und unsere luxemburgische Kultur auf höchstem Niveau verspottet.
Ist es nicht zutiefst enttäuschend, dass das Kulturministerium exemplarische Strenge walten lässt, wenn es um ein bescheidenes Literaturprojekt geht, und überhaupt nicht durchgreift, wenn grandios subventionierte Nichtluxemburger frech in ihrem wahnsinnig teuren Musikpalast auftrumpfen? Was für die eine Kunstsparte richtig ist, darf doch wohl für die andere nicht plötzlich falsch sein.
Immerhin muss Teresa Ruiz Rosas sich auf künstlerischem Plan ja nicht unbedingt auf das Alphabet kaprizieren. Die Tonleiter ist doch auch ein gutes Werkzeug. Warum komponiert sie nicht ein paar fremdländische Musikstücke? Bis auf weiteres stellt sich der luxemburgische Staat nämlich blind und taub, wenn aus dem Ausland eingeschleuste Tonkünstler unsere kulturellen Institutionen schamlos besetzen. Das Alphabet ist ohnehin sehr verdächtig. Im Ausland gebastelt und hochgradig unluxemburgisch, würde die Dame vom Kulturministerium sagen.