Index

Manipulierte Manipulation

d'Lëtzebuerger Land du 22.03.2007

Seit einigen Tagen schwelt eine neue Debatte um den Gral des Luxemburger Sozialstaats: den Index. Denn das zu seiner Manipulation verabschiedete Indexgesetz vom 27. Juli 2006 schreibt nicht, wie ein Vorgänger in den Achtzigerjahren, eine Wartefrist zwischen Fälligwerden und Auszahlung der Tranchen vor, sondern nennt feste Termine: „L’adaptation déclenchée par le dépassement d’une nouvelle cote d’échéance en 2007 est effectuée au 1er janvier 2008“, heißt es in Artikel eins und: „L’adaptation déclenchéepar le dépassement d’une nouvelle cote d’échéance en 2008, est effectuée au 1er janvier 2009.“

Doch nun droht die Preisentwicklung, sich nicht an den von der Tripartite abgemachten Kalender zu halten. Die im Februar veröffentlichte Konjunkturnote des Statec (S. 35) sieht ein „günstiges Szenario“ vor, laut dem die Inflation dieses Jahr so niedrig bleibt, dass die nächste Indextranche statt im August erst fünf Monate später, im Januar 2008, fällig wird. Fände somit aber nicht der im Gesetz vorgesehene „dépassement d’une nouvelle cote d’échéance en2007“, würde, immer laut Gesetzestext, die für Januar 2008 fällige Anpassung im Januar 2009 stattfinden, also mit einem vollen Jahr Verspätung.

Weil sich dieser Lesart auch das Statec in seiner Konjunkturnoteanschloss, meinte OGB-L-Präsident Jean-Claude Reding nach der Sitzung seines Nationalvorstands am 6. März, dass der Gesetzestext „leicht anders als das Tripartiteabkommen“ formuliert sei. Die Gewerkschaften wollen zwar mündliche Zusagen von Ministern haben, dass das Gesetz nicht zu Lasten der Lohnabhängigenausgelegt werde. Aber Reding hält nun „ein klärendes Wort der Regierung in aller Öffentlichkeit für notwendig“.

Doch zumindest aus der Sicht der Gewerkschaften könnte es sogarnoch schlimmer kommen. Sollte nach der nun möglichen Trancheim Januar 2008 beispielsweise eine weitere Tranche im Dezember 2008 fällig werden, würde laut Gesetz nur eine von beiden im Januar 2009 ausgezahlt, also eine Tranche ersatzlos gestrichen. Zumindest die Gewerkschaften und wohl auch ein Teil der Abgeordneten, die das Gesetz vor neun Monaten stimmten, bezweifeln aber inzwischen, ob eine einjährige Verzögerung beziehungsweisedie Streichung einer ganzen Tranche bei niedriger Inflation tatsächlich dem Geist des Tripartitegesetzes entspricht.

Die Diskussion kommt daher, dass die Sozialpartner in der Tripartiteoffensichtlich abweichende Ansichten hatten, wie die Indexmanipulation vorgenommen werden sollte. Für die Unternehmer und die Regierung war klar, dass jährlichhöchstens eine und 2007 überhaupt keine Indexanpassung vorgenommen werden sollte. Für die Gewerkschaftenstand dagegen fest, dass die Indexanpassungen jeweils umein Quartal verzögert würden. Also hatte man das statistische Amtdes Wirtschaftsministeriums hinzugezogen, das vorhersagte, dass biszum Ende der Legislaturperiode jährlich eine automatische Indexanpassung fällig würde, schätzungsweise jeweils im August. Worauf die Tripartite einen Kalender der geplanten Indexverzögerungen aufstellte. Doch nun ist das Statec seiner Sache nicht mehr so sicher.

Allerdings dürfte niemand von dem derzeitigen Dilemma überraschtsein. Denn die Privatbeamtenkammer hatte es in ihrem Gutachtenvom 21. Juni 2006 zumTripartitegesetz präzise vorausgesehen: „Imaginons que l’évolution des prix au Luxembourg est telle qu’il n’y aura pas de cote d’échéance en 2007, mais une en janvier 2008 et une autre en décembre 2008. [...] Selon le scénario décrit ci-dessuss, les salariés auraient donc perdu une tranche indiciaire sans que l’inflation moyenne des années 2007-2008 nesoit très élevée“ (S. 6). Die Privatbeamtenkammer war sogarso weit gegangen, einen fertigen Änderungsantrag zu formulieren,um den Gesetzentwurf zu ergänzen und mögliche Unklarheiten ausdem Weg zu räumen. Aber weder der Staatsrat, noch der parlamentarische Finanz- und Haushaltsausschusshatten das Gutachten der als Nörgler und Haarspalter abgetanenenPrivatbeamtenkammer zur Kenntnis genommen. Deshalb ist eserstaunlich, wenn LSAP-Präsident Alex Bodry, der die Vorschläge der Privatbeamtenkammer vor einem Jahr ignorierte und das Gesetzstimmte, diese Woche nun fordert, dass das Gesetz abgeändert werden müsse. Aber mit seinem Ruf nach einer Gesetzesänderung bestätigt der erfahrene Jurist immerhin, dass das Gesetz so eindeutig ist, dass es mit einer großzügigeren Auslegung allein nicht getan ist, wenn sich die Indexmanipulationen in jedem Fall auf eine dreimonatige Verzögerung beschränken sollen.

Doch die Meinungen scheinen in der Regierung auseinander zu gehen. Der für das Statec verantwortliche LSAP-WirtschaftsministerJeannot Krecké hatte bereits kurz nach der Sitzung des OGB-L-Nationalvorstands in einem Radiointerview die Befürchtungen der Gewerkschaften zu zerstreuen versucht.Doch CSV-Haushaltsminister Luc Frieden gab am Montag etwas vage zu verstehen, dass er von einer Gesetzesänderung nichts wissen wolle. Weil die Regierung aber mit ihrer geplanten Einführung des Einheitsstatuts für Arbeiter und Angestellte Probleme genug amHals hat, dürfte sie ein Interesse daran haben, nicht wieder die Indexfront zu öffnen. 

 

Romain Hilgert
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