Wie kann man nur auf so eine Idee kommen, so eine Lust haben, oder ist es nur ein Gelüst, in der grellsten und schnellsten Zeit des Jahres? So ein kindisches Bedürfnis, oder ist es ein Greisinnenbedürfnis, wahrscheinlich beides, und dann gilt es nicht? Regression. Lust auf Repression. Alte weiße Männer in Zauberhüten. Reservat des Patriarchats. Almighty!
Ich will auch einen Gott! Auch noch einen, der in einer Krippe liegt, nicht mal einen der wenigstens einen Rüssel hat oder für den Menschen sich und andere in die Luft sprengen oder zumindest einen den es gar nicht gibt und der nur ins Nichts führt, was angeblich das Höchste ist. Krippe und Kreuz, wie kann man auf so einem Sado-Maso-Trip sein? In einer Zeit, in der auf Schritt und Tritt ermuntert wird gut drauf zu sein. Zu schauen, dass es einer gut geht. Mach was für dich! Schenk dir was! Ein bisschen kriegen die andern aber auch was ab. Seid lieb zueinander! fordert die Bar-Deko auf, Be optimistic! wird den Verdammten in der U-Bahn eingetrichtert. Glaub an dich! prangt in unübersehbaren Lettern auf Straßenbahnen und neben dem Bankomaten der nicht mal einen Cent rausrückt.
Glaub an dich! An wen sonst? Du bist für dich zuständig, von der Retorte bis zur Bahre und drüber hinaus. Du bist der Mensch deines Lebens, der selbständige mündige Mensch, ständig selbst, kannst dich um dich selber sorgen es dir besorgen und dich selbst entsorgen, aber bitte mit einem Smiley, alles easy! Glaub an dich! Das Glaubensbekenntnis, das bei Therapeutin und im erweiterten Freundeskreis als unverdächtig gilt, sogar schönheitssalonfähig ist es.
Klar! Du Glücksschmiedin, stell dir vor jemand ertappt dich dabei wie du durch ein Kirchenschiff irrst und dich auf die Knie wirfst! Ist es ein von Tourist/innen heimgesuchter Dom in einer großen Stadt, musst du die Rausschmeißer vor den Absperrgittern bestechen durch einen besonders gläubigen Gesichtsausdruck, etwas voreingenommen stellst du dir den als unbedarft vor. Du gehst, und das sollen sie dir verdammt noch mal glauben, zu einem Gottesdienst, huch! was für Wörter, Gott und Dienst, jetzt wird es pervers! Du überwindest die Sperre und lässt die Tourist/innen hinter dir, hinter dem Gitter, hinter denen sie die Gläubigen betrachten wie Tiere im Zoo. Umspukt von Horrorgestalten, von von Pfeilen Durchbohrten, von juwelenstarren Skeletten tappst du weiter, ins Herz der Finsternis, im Halbdunkel windet sich einer am Kreuz. Du erinnerst dich an ein ewiges Licht, das ist eine gute Sache. Du erinnerst dich an zu viel und fragst dich was du hier machst, aber das ist das Gute daran. Du weißt es nicht. Open End. Statt The End my only Friend. Du suchst etwas. Das hast du doch schon immer gemacht, zwischendurch hast du aber Pause gemacht und dich schon mal eingerichtet. Im Leben.
Entgegen deiner Vorstellung sind da nicht nur Trübselige, das hat dich doch bei allen zaghaften Annäherungsversuchen immer wieder vertrieben, immer hast du statt Seligen Trübselige vorgefunden. Dann hast du schleunigst das Weite gesucht, den Gottesknast hinter dir gelassen, aufgeatmet. Tief eingeatmet, draußen riecht es nach Leben. Du staunst über die Anwesenheit junger Männer und Frauen, eine junge Frau hat sich auf den Boden geworfen, sind es Ekstatiker/innen oder Menschen mit Zwangsstörung? Künftige Heilige? Du hast auch Lust darauf, reißt dich noch zusammen, wer weiß, Kruzifix!, ob du wieder hoch kommst? Hexenschuss beim Hochamt? Und dann? Lourdes ist nicht um die Ecke!
Ich will auch einen Gott! raunzt das Gotteskind in mir. Draußen, im rauen Wind, kommt es wahrscheinlich zur Vernunft, lächelt milde über sich, jaja, einmal im Jahr, zwei Mal, von Zeit zu Zeit ein Gottesanfall, den gönnt man sich. Wie Heißhunger, wie ein Rausch, ein christlicher Schub. Bipolar christlich, oder multipolar, alle haben doch irgendwas? Halleluja, Friede auf Erden, das überkommt eine so, man muss es ja nicht an die große Glocke hängen. Glühwein ist auch gut.
Vielleicht kriege ich ja einen zu Weihnachten! Einen Gott, im Christentum geht das, man kann einfach so einen kriegen. Gnade heißt das, mit das Tollste am Christentum. Und dann, OMG?