ZUFALLSGESPRÄCH MIT DEM MANN IN DER EISENBAHN

Bebt und leidet

d'Lëtzebuerger Land du 20.12.2024

CSV, DP, ADR bangen um die Sicherheit: Der äußeren Sicherheit gebreche es an Soldaten, der inneren an Polizistinnen. Nur Inspektoren für die Sicherheit am Arbeitsplatz gebe es genug: „D’ITM musse mer elo net nach verstäerken. Ech mengen, déi ass staark genuch.“ Findet Alain Rix (RTL, 13.10.2024). „Ich gehe sogar so weit, dass ich das Mobbing nenne“ (Wort, 16.11.2024). Er ist Präsident des Hotel- und Gaststättenverbands Horesca.

Im Hotel- und Gaststättengewerbe verdient die Hälfte der Beschäftigten weniger als 2 882 Euro (Statec, Regards 9/2024, S. 2). Es ist die Branche mit dem höchsten Anteil an Mindestlohnbeziehern: 50,3 Prozent (Gesetzentwurf 8459/0, S. 19). Entsprechend schlecht sind die Arbeitsbedingungen.

Inhaber sind meist mittelständische Unternehmer. Viele haben Mühe, Preiserhöhungen auf Lebensmitteln, Energie, Miete an die Kundschaft weiterzureichen. Mit Niedriglöhnen, Überstunden, fragmentierten Arbeitszeiten auf die Beschäftigten abzuwälzen. Da stören die Kontrollen der Inspection du travail et des mines.

Kleinunternehmer protestieren schriller. Sie haben nicht den direkten Draht der Industrie, Banken. Selbst die Bauunternehmer halten sich zurück. 2023 geschah ein Viertel aller Arbeitsunfälle auf Baustellen (Association d’assurance accident, Jahresbericht 2023, S. 44).

Lange huldigten CSV- und LSAP-Arbeitsminister den Unternehmern als Herren im eigenen Haus. Sorgten dafür, dass die Gewerbeaufsicht unterbesetzt blieb. Die Gewerkschaftsbürokratie überließ der ITM nicht immer ihre fähigsten Leute. Um als „contrôleurs-ouvriers“ und „contrôleurs-employés“ aufzupassen. Bei der ITM hätten „Immobilismus“, „Inefficacitéit“, „desastréis Gestioun“ geherrscht. Rechtfertigte Arbeitsminister Nicolas Schmit ihre Reform (14.9.2016).

Viele Betriebe kannten die ITM vom Hörensagen. Kontrollen forderten sie für kranke Beschäftigte. Im Kampf gegen den „absentéisme“. Erst 2020 erreichte die ITM das von der Internationalen Arbeitsorganisation empfohlene Verhältnis: ein Inspektor für 8 000 Lohnabhängige. In den vergangenen fünf Jahren verfünffachte sie die Zahl der „contrôles sur le terrain“: von 3 667 auf 17 328 (Jahresberichte 2018, S. 11; 2023, S. 14).

Nun werden mehr Betriebe kontrolliert, zahlen mehr Bußgeld. Nun regt sich Widerstand. Seit einem Monat kommt das Luxemburger Wort mit Skandalisierung zu Hilfe: „Willkür und Paragrafenreiterei“, „übergriffig“, „[d]er ganze Sektor bebt und leidet“, „Aggressivität“, „keine Menschlichkeit“, „an den Haaren herbeigezogen“ (16.11.2024), „mit übertriebenen Kontrollen und unnötigen Sanktionen die Freude am Unternehmertum zu rauben“ (26.11.2024), „auf dem Weg zur Super-Verwaltung“, „[n]och mehr Macht für die ITM“ (13.12.2024).

Marktradikalismus untergräbt seit Jahren den arbeitsrechtlichen Schutz: durch Leiharbeit in der Industrie, die Entsendung von Lkw-Fahrern, die Scheinselbständigkeit von Pizzaboten. Die passende Deregulierung wird als „simplification administrative“ beschönigt.

„Mir wëlle souwuel steierlech wéi bei de Prozeduren aktiv ginn.“ Kündigte Premier Luc Frieden in seiner Regierungserklärung an. CSV-Arbeitsminister Georges Mischo versucht sich an den Prozeduren: von Sonntagsarbeit, Kollektivverträgen, Arbeitsmedizin, Entsendung, „chèques emploi“, Überstunden, Gewerbeaufsicht.

Im Koalitionsabkommen steht: „Le Gouvernement procédera à une réforme de l’Inspection du Travail et des Mines (ITM) en redéfinissant sa mission“ (S. 179). Die Reform soll nächstes Jahr beginnen. Die Kampagne gegen die Gewerbeaufsicht hat schon begonnen. Sie soll Druck ausüben. Um die Reform von 2015 zurückzurollen. Zur unbeaufsichtigten Verbilligung der Arbeitskraft.

Romain Hilgert
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