Rot und blau

d'Lëtzebuerger Land du 20.12.2024

Mit Bildungsungerechtigkeit in Luxemburg – Ursachen, Analysen und Lösungsansätze hat die LSAP-nahe Robert-Krieps-Stiftung gemeinsam mit dem SEW/OGBL ein 77-seitiges Büchlein mit zehn Artikeln herausgegeben. Der Zeitpunkt wurde so gewählt, dass die Veröffentlichung mit dem nationalen Bildungsbericht, der vor zehn Tagen vom Lucet und dem Script vorgestellt wurde, zusammenfiel. Nicht nur Gewerkschaftler/innen kommen zu Wort, sondern auch Forscher/innen des Liser und des Observatoire de l’enfance, de la jeunesse et de la quaité scolaire; ein Journalist des Tageblatt und auch Forschende der Uni.lu. Manche haben für den nationalen Bildungsbericht geschrieben.

Dass unter Luc Friedens rechtsliberaler Regierung die politische Linke neue Allianzen sucht oder alte Allianzen neu belebt, ergibt Sinn. Vergangene Unstimmigkeiten zwischen Gewerkschaften und Sozialisten sollen beiseite gelegt werden, heißt es im Vorwort vonMax Leners und Marc Limpach. Eine frühe, etwas pathoslastige Rede von Robert Krieps wird zitiert, in der dieser die Wichtigkeit der Zusammenarbeit unterstreicht: „Leur amour de la liberté, leur sens de la justice les ont toujours unis. Ils ont toujours trouvé les mêmes ennemis. Voilà pourquoi les intellectuels de gauche devront se décider à collaborer avec les syndicats, loyalement et fraternellement.“

Im Buch finden sich Erklärungsansätze und Kontext für die Ungleichheiten, die, genau wie der Bildungsbericht, vermutlich keine große Leserschaft finden werden. Dafür sind manche der Beiträge zu fachlich, zu technisch. Hervor sticht jedoch zum Beispiel der Beitrag der Forscherin Anne-Catherine Guio vom Liser: Darin liest man präzise Angaben zur Kinderarmut hierzulande, etwa auch, wie viele Kinder Opfer von sogenannter „Entbehrung“ sind. (Eine Liste mit 17 Punkten, unter anderem frischem Essen, angemessenen Büchern, Spielen und Hobbys, Schulausflügen, Kleidung und Schuhen, Internetzugang wird als Messobjekt angeführt.) Luxemburg liegt hier im Mittelfeld: Die skandinavischen Länder, aber auch Deutschland und Slowenien schneiden besser ab. Auch ist der Anteil an Dingen, die den Kindern fehlen, höher, sie entbehren im Durchschnitt fünf Punkte dieser Liste.

Die ehemalige Präsidentin des SEW Monique Adam stellt in ihrem Beitrag die Wirksamkeit der öffentlichen europäischen Schulen und ihre unterschiedlichen Sprachprofile als Mittel, um die Bildungsungerechtigkeit abzubauen, infrage: „Kann Luxemburg als eigenständiger Staat es den Familien überlassen zu entscheiden, in welchen Sprachen die Heranwachsenden ihr Wissen erwerben? Würde Luxemburgisch als einzige gemeinsame Sprache ausreichen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern?“ Sie warnt vor der Gefahr, die „Gräben zwischen den Gesellschaftsschichten zu vergrößern“. Tatsächlich deuten die ersten Forschungsergebnisse darauf hin, dass die öffentlichen europäischen Schulen eher von Kindern von Besserverdienern besucht werden. Doch zur Wahrheit gehört auch, dass die Gewerkschaften eine Reform des Sprachenunterrichts im traditionellen Schulsystem blockierten, lange bevor Claude Meisch (DP) vor elf Jahren Bildungsminister wurde.

Sarah Pepin
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