Das Schöne am Beruf Journalistin ist: Mit etwas Glück lernt frau jeden Tag dazu. Für die aktuelle Jugendbeilage musste ein Crashkurs in Sachen Jugendsprache her. Damit trotz Generationenkonflikt die Verständigung klappt. Die Kids hätten das Gespräch sonst zerstören (sprengen) oder bashen können – und die Interviewerin wäre mega lost gewesen (total verloren). Und alle Land-Leserinnen und Leser nur noch so: Cringe (Fremdschämen)
Dann, big Uff: Alles phat (hervorragend). Wir haben diskutiert, über Freundschaft, soziale Netzwerke und Online-Trends und konnten sogar über Fomo (fear of missing out) relaten (uns verständigen). Alles gucci (gut) und der Moment, den ich insgeheim am meisten fürchtete, blieb aus. Als eines der angesagtesten (deutschen) Jugendwörtern im vergangenen Jahr galt laut Langenscheidt-Jury nämlich: Weil Baum. Alternativ auch Weil Gründe.
Geflasht (überwältigt)? Sie verstehen nur Bahnhof? Dann gehören Sie wahrscheinlich zur Millennial-, wenn nicht schlimmer: zur Babyboomer-Generation. Weil Baum sagt die Generation Z, wenn sie oder er keine Lust hat, Gründe zu suchen (soll im Gespräch mit Boomern öfters vorkommen) oder sich in einer Diskussion zu verlieren. Sie fragen Ihre Tochter: Warum hast Du die Hausaufgaben noch nicht gemacht? Alternativ: Warum hast Du Dein Zimmer noch nicht aufgeräumt? Weil Baum. Es ist die Universalantwort schlechthin, wenn irgendein Vater mal wieder darthvadern (maßregeln) oder eine Mutter educaten (erziehen) will.
Warum Baum und nicht irgendein anderes Wort?, fragen Sie verpeilt und outen sich sogleich als Horst (von Horst Seehofer; Idiot). Ist es, weil sich die Jugendlichen heute über Klimakrise und Umweltverschmutzung sorgen? Ist doch rille (egal). Hauptsache: Weil Baum. Angeblich ist die Redewendung dem Science-Fiction Klassiker Per Anhalter durch die Galaxis entlehnt, wo Superrechner „Deep Thought“ auf die eine, allumfassende endgültige Frage „42“ antwortet.
Auf Facebook und Youtube gibt es Videos und Memes zu Weil Baum zuhauf. Was auf Erwachsene, die Jugendsprache eh nicht peilen, verstörend wirkt, macht Sinn; die Jugendlichen haben Recht. Was könnte die Welt chillig sein, wenn Politiker statt vorzutäuschen, sie hätten sich etwas Sinnvolles bei einer Maßnahme gedacht, ehrlich antworten würden: Weil Gründe. Dies kurz zugegeben – und wir könnten uns alle wieder wichtigeren Dingen zuwenden. Vorbei mit Plattitüden und Floskelsprache. Wer sonst keine Argumente hat: Weil Baum.
Diesen radikalen Reduktionismus dürfen Erwachsene nicht etwa für Sprach- oder Denkfaulheit halten. Dahinter steckt ein Ansatz mit Sprengkraft: Sich und anderen nichts mehr vorzugaukeln mit Scheinargumenten, keine unnütze Anstrengung zu verlieren mit Wortmüll, der nichts bringt, sich konsequent blöden Boomer-Erwartungen verweigern. So gesehen, hat Weil Baum ein Pendant: Jomo (joy of missing out). Erstmals tauchte Jomo in der New York Times vor zwei Jahren auf, als Anti-These zur grassierenden Fomo, der durch soziale Medien geschürten Angst, etwas zu verpassen. Jomo-Anhänger lassen sich von der grenzenlosen Vielfalt an Möglichkeiten und den digitalen Hypes, die sie via Internet und soziale Medien überfluten, nicht länger stressen.
Beim Jomo darf jede/r das machen, was sie oder er schon immer tun wollte, ohne dafür gedisst oder zum Lauch (Trottel) abgestempelt zu werden. Man muss nicht jeder Mode nachrennen, von einer angesagten Metropole zur nächsten jetsetten, um die coolsten Urlaubsbilder auf Instagram zu sharen. Man kann auch zuhause bleiben, socially awkward sein. Das Smartphone weit weg legen, die Bambusleitung (langsames Internet) oder das High-Speed Wifi abschalten, oder doch die neuste Netflix-Serie schauen und einfach fermentieren (kontrolliert gammeln).
Endlich etwas, das ich verstehe, denken Sie: Gemütlichkeit statt Flexen (angeben), Häuslichkeit statt Hektik, Stresslevel senken mit Natur pur. Habe ich doch auch schon gemacht.
Das mag sogar stimmen, mit einem – wichtigen – Unterschied: Noch nie klang mit Hund und/oder Freund/in ausgiebig spazierenzugehen, sich in cozy (gemütlichen) Cafés zu tummeln oder sonntags auf dem Sofa zu fläzen so tight (großartig) und nice (schön) wie mit Jomo umschrieben. Zu ernst sollte man diese Lebenseinstellung aber auch nicht nehmen: Sonst droht schnell wieder: Fomo.