Nicht nur jenseitig, sondern außerhalb des Systems

Trump für euch

d'Lëtzebuerger Land du 29.07.2016

Zwischen spinnwebverhangenen Hochhausschluchten und zerklüfteten Autobahnen, zwischen verdorrten Maissteppen und Industrieruinen, gespenstisch wie Goldgräberdörfer in alten Wildwestfilmen, frustet ein mutloses, verlassenes Volk sein Leben. Auf einem gottverlassenen Planeten, der United States heißt.

Das Land wird schamlos ausgebeutet und geknechtet von einem grauen Präsidenten und seinem korrupten Netzwerk, einem gewaltigen Lügengespinst, er steckt unter einer Decke mit der bösen Hexe Hillary. Es wird heimgesucht von dauernden Anschlägen auf die Freiheit und somit das Wesen des Landes. Obamacare, grollt es allenthalben. Endzeit, Armageddon, Düsternis.

Ein fürchterlicher Ort muss das sein, IS, Atomwaffen, 300 000 Menschen könnten demnächst umgebracht werden, peilt Newt Gingrich in seiner Rede beim Republikanischen Konvent über den Daumen. Gott segne Amerika, sagt der ultrakonservative Widergänger dann noch Kaugummi kauend. Gottseidank gibt es ja Gott. Gott kann unser Land führen, sagt der möchtegernnächste Vizepräsident der Vereinigten Staate, ein Silberschopf mit einem konservierten Kindergesicht, die blondgesträhnte Muttergreisin bricht in Tränen aus. Donald und Gott werden den Gottesstaat schaukeln, bestimmt! Die infame Schlange Hillary wird besiegt, das abgrundtief böse Obama-Regime wird überwunden werden. Dann wird Amerika wieder Amerika werden, also das Paradies. Eins wofür man sich nicht mal umbringen muss. Ein Eigenheimparadies, wie bei den Zeug_innen Jehovas, aber mit Frauen mit hoch montierten Wangenknochen.

Donald Trump liebt alle, das hat er mit Jesus gemeinsam. Er ist nicht nur jenseitig, er ist außerhalb des Systems, was nicht zu toppen ist, das System hat kaum noch Fans. Seine Tochter, die den derzeitigen offiziellen Schönheitsperfektionskriterien entspricht, ist ein Ausbund an Liebreiz. Eine Puppe die spricht, und zwar gut. Die Tochter liebt und schätzt und bewundert ihren Daddy mehr als alles, genau so wie sein einer Sohn das tut und sein anderer Sohn das tut, sie nennen ihren Vater Helden. Welches Mannsbild dieses familiär gestörten Europas würde sich nicht über ein solches Gepriesenwerden freuen? All diese Menschen bei den Republikanischen Familienfestspielen haben tolle Mums and Dads, wenn sie dead sind, sind sie noch toller, sie haben tolle Töchter und Söhne, die wie bei einer Oscar-Verleihung unter Tränen her gezeigt werden. Trump hat vier davon, Clinton nur eins, Trump liegt also vorn. Könnte je ein Single amerikanis­che-r Präsident_in werden? fragen sich die versingleten Europäer_innen, die befremdet auf ihrer Couch den Liebesszenen folgen.

Dass der familiäre Trumptross wie ein oligarchischer Russ_innentross rüberkommt, spielt hier keine Rolle. Ihr Vater sei farbenblind und genderneutral, schwärmt die Tochter. Das Vokabular der Republikaner_innen hat sich erstaunlich erweitert, Palin, die von ihrem Fenster bis nach Russland schaute, war alphabetisch längst nicht so fortgeschritten. LGTB, sagt Donald Trump, mit seinem ewig zynisch geschürzten Mund, Orlando, lasset die Schwulen zu mir kommen! Irgendwann outet er sich, er will Bernie Sanders Leute haben. Wo sollen die denn sonst hin?

Amerika wird gedemütigt von Chinesen und Russen, es ist im Visier von Flüchtlingen und Terroristen. In Europa herrscht Chaos, aber Trump, im Bund mit Gott und der heiligen Familie, wacht. Er verspricht, die Feinde der Freiheit zu zerstören. Mein Vater rennt für euch, sagt der Heldensohn. Ich bin eure Stimme, sagt Trump. Ich spreche für die vergessenen Männer und Frauen unseres Landes. Ich werde die Würde der Arbeit und die Würde der Arbeiter wieder herstellen, sagt Trump.

Die Nachtwächterin auf ihrer europäischen Couch-Base wundert sich, dass Donald Trumps Gesichtsfarbe nicht orange ist. Frisur und Figur sind weniger grotesk als in den beliebten Postings, ein Touch von Fifties-Rockerfrisur, beinahe anrührend keck. Sein Körper ist groß, etwas plump, er bewegt sich mit einem für einen Siebzigjährigen überraschenden, beinahe jugendlichen Elan. Die typische, demonstrative verkrampfte Handbewegung zeigt eine seltsam kleine Hand. Sein Blick ist ein konzentrierter Raubvogelblick. Eine Pose, wie die eigentümliche Mundmimik, die überheblich geschürzten Lippen?

Die Comic-Figur, South Park & Co? Oder Superman, der nächste amerikanische Präsident?

Michèle Thoma
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