Die Türkei solle in sich hinein gehen, sagt unser Außenminister in einem Morgenmagazin im deutschen Fernsehen. Man muss sich das vorstellen, sich vom Lager erheben, und dann gleich Weltlage! Die Frisur sitzt, und was er erst über Boris Johnson sagt! Das sitzt auch, die Zeitzeugin erschauert in Ehrfurcht.
Es hört ja nicht auf mit der Welt, in der Welt, sie geht nicht in Ferien oder in Pension, sie könnte auch einem Außenminister über den Kopf wachsen. Es gibt so viel Außen! Bündnispartner fahren auf einmal Panzer, mitten in einer Sommernacht, wo ist das Traumschiff? Bulle von Tölz, bitte übernehmen! Auf der besten Promenade überhaupt liegen zahllose Tote, die dann gezählt werden. Dann ist auch noch der Onkel aus Amerika auf Besuch. Die Air Force landet mitten in der Nacht auf dem Findel, sie kommt aus Moskau, dort hat der amerikanische Staatssekretär sein Gehirn gestürmt, gemeinsam mit dem russischen Lawrow-Wolf. Überall laufen die Schafe Amok, sie wollen auch Wölfe sein.
In Luxemburg geht es gleich gnadenlos weiter. Vor einem kleinen Palast gehen junge Männer, eine verdächtige Zielgruppe, seltsam verkrampft umher, was führen sie im Schilde, das sie heimtückisch nicht mal tragen? Dem hohen Gast wird mulmig, hoffentlich kommt es zu keiner Palastrevolte, es ist schließlich Europa, es gibt jede Menge Reisewarnungen bezüglich dieser Destination. Wenigstens wirkt der Erbgroßherzog, dieser junge Mann mit Bart und Brille, einigermaßen beruhigend. Wahrscheinlich will niemand hier etwas umstürzen, nicht einmal diese hübschen, blau gestrichenen Puppenhäuschen, in denen die gefährliche Zielgruppe stramm steht. Zalooten nennen sie sie hier, wie ihm vertraulich mitgeteilt wird. Es kommt zu einem intimen Gekicher, das muss auch mal sein.
Zalooten, das klingt nicht staatsfeindlich. Er muss auch zu anderen Zalooten, zu toten Zalooten. Schrecklich natürlich, eine Leere. Aber gut in Schuss diese Anlage, alle gleich kommunistisch tot, die Kreuze blendend zahnpastalächelweiß, wie man das früher genannt hätte, grasgrün und topfit das Gras. Der lawn steht frisch gewaschen stramm wie vor einem Durchschnittseigenheim in der guten alten amerikanischen Zeit, er steht stramm wie auf der Bürstenfrisur eines Ami-Zalooten. Die Blümchen sind rot und weiß, passend zu dem Gras und der Krawatte und dem Anzug und dem Premier, wie es hier heißt, der hat auch so Blümchen. Gemeinsam schreiten sie mit ihren Blümchen auf und ab, halten mal inne bei einem Grab, es kommt zu tiefsinnigen Têtes-à-Tête. Vielleicht wird abgrundtief geseufzt, alles ist nicht überliefert. Ein großer Schreiter ist er jedenfalls nicht.
„Außenminister zum Anfassen“, titelt das Wort. Im vorigen Jahrtausend kam das in Mode bei Dichter_innen, ein verzweifelter Marketinggag, wurde zum letzten Mal bei Papst Benedikt eingesetzt. Fast zum Anfassen, relativiert das Wort dann doch noch. Der hohe Besuch nimmt ein Mini-Bad in der Mini-Menge, quasi eins mit dem großen Zeh, es werden nur Hände gedrückt. Das Tageblatt schwärmt hingegen von Breitkreuzigen, die ihn abschirmen.
Außenminister müssen vor allem flexibel sein und multikompatibel, Syrien, Amok, Attentat, Lea Linster. Eine kleine Rede halten in einem kleinen Land vor einer kleinen Großherzogin, der Mäh-dien aus großen Ländern lauschen. Alle müssen jetzt zusammenhalten. Das kleine Land wird ausdrücklich eindringlich gelobt vom Außenminister des großen Landes. Weil es in Wirklichkeit ein großes Land ist. Sein Außenminister wird sogar gelobt, weil er – huch!, musst du denn auch alles sagen, John?! – so gut gegen IS kämpft. Aber auch wegen seines gesunden Menschenverstandes. Gut, das ist noch unverfänglich, gegen den haben nur die Deutschen was.
Schreiten mit der Staatsspitze. Kränze, Halbmast, halbtote Blumen, schnatternde Expats. Eine Posaune von Jericho dröhnt ins Ohr, dass unser Außenminister den bösen Blick kriegt. Was zu viel ist, ist zu viel.
Gehen wir Rad fahren, John, ech well dir meng Heemecht weisen! Fort nach Sténgefort, es gibt ein Leben im Leben.