Gewerkschaftsfronten

Übersprungbewegung

d'Lëtzebuerger Land du 16.03.2012

Nachdem die Beschränkung des Inflationsausgleichs auf jährlich eine Indextranche bis zum Ende der Legislaturperiode politisch glimpflich verlaufen war, kommt der Reformwille der Regierung nächste Woche erneut unter Druck. Am Montagabend veranstaltet die am 1. März gegründete Gewerkschaftsfront von OGBL, LCGB, CGFP, Aleba, FNCTTFEL, FGFC und Syprolux eine Protestveranstaltung im alten Straßenbahndepot auf Limpertsberg, um eine Rentenrefom abzulehnen, die „zu einem schleichenden Abbau der heutigen Pensionen und zu Pensionskürzungen für die kommenden Generationen“ führe. Stattdessen solle die Rentenversicherung „durch solidarische Maßnahmen auf der Einnahmenseite und durch eine bessere Beschäftigungspolitik“ abgesichert werden. Auch wenn der CSV-nahe LCGB am Dienstag vorpreschte und die Kollegen von CGFP und FGFC mit der alten ADR-Forderung nach einer “einheitliche[n] Obergrenze für die Renten, die zur Zeit im Privatsektor und im öffentlichen Sektor besteht”, zu brüskieren versuchte.

Am Donnerstagnachmittag marschieren dann die in einer „Intersyndicale“ vereinten Lehrergewerkschaften SEW, Apess, Feduse, SNE und der Landesverband durch die Hauptstadt vom Ministerium des öffentlichen Dienstes zum Unterrichtsministerium, um gegen Kernelemente der Grundschulreform und der geplanten Sekundarschulreform, wie den Kompetenzunterricht, das Bewertungs- und Beförderungssystem für Schüler, zu protestieren. Gleichzeitig lehnen sie die Reform des Beamtenstatuts wegen der vorgesehenen Bewertungsprozeduren und des Managements durch Zielvereinbarung ab.

Unterdessen verhandeln die für den öffentlichen Dienst zuständigen Minister François Biltgen und Octavie Modert weiter mit der CGFP über die Reform des Beamtenstatuts. Die CGFP-Führung hatte die Eckpunkte der Reform im Juli vergangenes Jahr zusammen mit dem Gehälterabkommen unterzeichnet und ihren Nationalvorstand leicht überrumpelt, um seine Zustimmung zu bekommen. Doch als die Details bekannt wurden, begann die Basis unter dem Druck der anderen Gewerkschaften zu murren und die Führung musste auf Distanz zu der Reform gehen. Bis Ende nächster Woche wollen die CSV-Minister nun die Gewerkschaft überzeugen, dass es ohne Reform des Statuts auch kein Gehälterabkommen gibt, und ihnen vorrechnen, dass eigentlich gar kein Geld mehr für die im Juli fällige Prämie und die für Anfang nächsten Jahres vorgesehene Punktwerterhöhung da sei.

Denn die im Comité de prévision des finances publiques vereinten Direktoren der Steuerverwaltungen sollen, wie im vergangenen Frühjahr, eine Aktualisierung der Steuerschätzung vorlegen und sie befürchten schon heute eine rezessionsbedingte Verschlechterung der Staatseinnahmen im laufenden Jahr. Dann müsste die Regierung über zusätzliche Einsparungen nachdenken, um das Haushaltsdefizit des Gesamtstaats bis zum Ende der Legislaturperiode auf Null zurückzufahren, beziehungsweise über eine Wiedereinführung der kurzlebigen Krisensteuer, deren Abschaffung sie unmittelbar vor den Gemeindewahlen versprochen hatte.

Welche explosive Mischung der Widerstand gegen und damit die politische Verantwortung für verschiedene Reformen, mögliche Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen aber werden kann, veranschaulicht die gereizte Stimmung zwischen CSV und LSAP und selbst innerhalb der Parteien. Dass sie deshalb um das Rauchverbot in Gaststätten streiten, wäre Konrad Lorenz als scheinbar unsinnige Übersprungbewegung nur folgerichtig erschienen.

Romain Hilgert
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