de Lemos, Paula: Sabotage in Blau

Sabotage in Grün, in Rot und ein klein wenig in Gelb

d'Lëtzebuerger Land du 06.12.2001

"Ich versuche den Strand und die Farbe der Fische widerzuspiegeln, den Geruch des Meeres literarisch zu reproduzieren, die Wellen und die Möwen als Metapher darzustellen, und eine wunderbare Allegorie daraus zu machen, so dass am Ende nur Fußspuren im Sand des weißen Blattes erkennbar bleiben"

Paula de Lemos

 

"Die Portugiesen lieben die Zischlaute / es ist, als ob sie das Meer im Mund tragen / und, wenn sie sprechen, die Wellen zwischen den Zähnen den Strand erreichen", so beginnt die Triererin Paula de Lemos ein Gedicht über ihre Heimat. Die Deutschen lieben die Gedankenschwere, so ließen sich die Zeilen fortführen, es ist, als ob sie das Universum in ihren Köpfen trügen und, wenn sie sprechen, die Gedanken in langen Sätzen die Welt erreichen. Beide Welten versucht de Lemos in ihrem Buch Sabotage in Blau zu vereinen. Es ist der erste Erzählband, den sie in deutscher Sprache veröffentlicht, der gleichzeitig die Stärken und Schwächen ihrer Erzählkunst offen legt.

Die Stärken von Paula de Lemos liegen zweifelsohne in ihren Erzählungen, vor allem aber in ihrer Poesie - in ihren kurzen Gedichten, in denen sie sich ihrer portugiesischen Heimat widmet, ihr Dasein als Autorin reflektiert. In kurzen, prägnanten und musischen Sätzen entfaltet sie dann ihre ganze Kraft, bringt das Lebensgefühl des Fados in die Denkwelt des Eichenwalds und wird doch beiden gerecht. In ihrem Erzählband findet sich auch der "luxemburgische Zyklus", die drei Erzählungen Mélusine oder Das Rätsel der Schöpfung, Gelüste und Das Geschenk oder Die Macht eines Wettbewerbs. 

Mit der ersten Geschichte - ihrer ersten Veröffentlichung in deutscher Sprache - gewann de Lemos 1998 den dritten Preis beim ersten Luxemburger Literaturpreis er Mehrsprachigkeit. Die zweite Geschichte Gelüste (erstveröffentlicht im d'Lëtzebuerger Land vom 6. Oktober 2000) wurde - trotz Würdigung durch die Jury - nicht zum Wettbewerb zugelassen, da die Erzählung, so die Begründung, die Würde der großherzoglichen Familie verletzen würde. Die Fiktion handelt von der Genealogie des nassauischen Herrscherhauses in Luxemburg und bringt die chemische Struktur des Chlorophyllmoleküls - das als Thema des Wettbewerbs vorgegeben war - mit dem Stammbaum der großherzoglichen Familie zusammen. 

Eine tiefgründige Geschichte, ein gut recherchierter Essay, eine erstaunliche Erzählung über den deutsch-portugiesischen Nukleus Luxemburg. Die Jury des Luxemburgischen Literaturpreises ließ die Geschichte nicht zu, da die Rahmenhandlung das regierende Paar - mit schwangerer Großherzogin, die Lust auf Judd mat Gaardebounen verspürt - im Ehebett zeigt. Das ihr aus dieser Ablehnung erwachsende Trauma verarbeitet de Lemos in der dritten "luxemburgischen" Erzählung Das Geschenk (d'Lëtzebuerger Land vom 15. Dezember 2000).

Für Paula de Lemos, geboren in Lissabon, hatte die deutsche Sprache zunächst das Faszinosum des Fremden. Es war der in Portugal mit Untertiteln ausgestrahlte Film Der scharlachrote Buchstabe von Wim Wenders, der sie vor zwanzig Jahren dazu brachte, Deutsch zu studieren. 1985 kam die Stipendiatin nach Trier. Durch Wenders hat sie jedoch nicht nur die Liebe gefunden, sondern auch die oft überfrachtete Intellektualität, die sie hin und wieder in sperrige Sätze ohne Melodie und Rhythmus presst. 

Dennoch bleibt der Mut zu bewundern und die Leichtigkeit, mit denen sich Paula de Lemos der deutschen Sprache annimmt und diese mit der portugiesischen Lebensweise in Grün, in Rot und ein klein wenig in Gelb kombiniert.

Allerdings: Die größte Schwäche der Portugiesin offenbart sich, wenn sie sich dem Genre Krimi nähert. "Peter Jakobs sitzt gerade im Auto. Er ist dabei, Klaus Schmidt abzuholen, als er einen unerwarteten Anruf von Heinz erhält." Eine Kriminalgeschichte mit diesem Anfang kann nur als Satire, wenn diese dann noch den Titel Im Netz der Schlange trägt, nur noch als schlechter Aufsatz verstanden werden. Zu konstruiert, zu schnell durchschaubar, ohne Spannungsbogen schlängelt sich die Geschichte über vierzig Seiten und verkommt dank gestelzter Sätze ohne Melodie zum Lachstück, etwa mit der Täterbeschreibung: "Er sah schlecht aus, ich fand sein Verhalten ganz seltsam, auch habe ich ihn kurz von hinten gesehen, er schien eine Pistole in der Tasche zu haben." 

"Wenn der Text nicht veröffentlicht wäre", so die Autorin, "hätte ich noch ein Kapitel angefügt. Das Ende wäre anders geworden, die Hauptfigur" - die Geschichte hat zwei Protagonisten - "hätte den Verbrecher geheiratet, ohne zu wissen, dass er es war." Zum Glück ist der Krimi bereits gedruckt.

 

Paula de Lemos: Sabotage in Blau. Erzählungen und Gedichte. 95 Seiten. Éditions Trèves, Trier. ISBN 3-88081-444-9. 10,12 Euro.

 

 

Martin Theobald
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