Nationalbibliothek

Einzige Adresse hilft sparen

d'Lëtzebuerger Land du 18.04.2002

Der rezente Beschluss der Regierung, das 1998 forcierte Parlamentsvotum zur Spaltung der Nationalbibliothek in zwei Teile - den derzeitigen Altbau im ale Kolléisch und eine neu zu errichtende Zweigstelle auf Kirchberg - rückgängig zu machen, scheint nach Ansicht der spezialisierten Pariser Unternehmensberater Aubry [&] Guiguet die richtige Entscheidung.

Ein Jahr nach dem noch sehr zurückhaltenden ersten Teil ihrer für die Nationalbibliothek bestellten Étude de programmation meinen die Pariser im nun vorliegenden Volet 1 - Programmation générale unmissverständlich: "Compte tenu de l'ampleur des problèmes à résoudre et des défis à relever, il nous paraît judicieux d'envisager une opération unique dotée de moyens matériels, humains et financiers orientés plus efficacement." (S. 72) Durch den jetzt geplanten Umzug in das Schuman-Gebäude auf Kirchberg, der auch die Unterstützung des Fachpersonals zu finden scheint, entstünde im Vergleich zu einer Aufspaltung ein Platzgewinn von etwa 20 Prozent, 15 Beamten weniger seien nötig, wenn nicht verschiedene Dienststellen an zwei Standorten verdoppelt werden müssten. Gar nicht zu reden von den Kosten für die Renovierung des ale Kolléisch: "Les coûts à envisager sur le site Notre-Dame seront a minima au niveau du coût de construction du neuf, voire avec un renchérissement dû aux caractéristiques historiques des bâtiments." (S. 66)

Dabei hat die Nationalbibliothek laut Aubry [&] Guiguet schon Sorgen genug. Zu den unhaltbaren Arbeitsbedingungen der Beschäftigten käme: "Les conditions de conservation du patrimoine de la BNL ne sont pas actuellement remplies: déperditions calorifiques (pas de maîtrise de la température); pas de maîtrise du degré hygrométrique; magasins situés dans de grands volumes éclairés plein Sud par de grandes baies vitrées; nombre de périodiques ne sont pas reliés; ..." (S. 23) Gemessen an internationalen Maßstäben, sei mit schätzungsweise 13.000 die Zahl der eingeschriebenen Leser im Vergleich zur Einwohnerzahl und zum Buchbestand ungenügend (S. 43).

Der weiterhin unvollständig katalogisierte Bestand der Nationalbibliothek wird auf 935.000 bis 950.000 Bände beziehungsweise Dokumente geschätzt, davon 150.000 Luxemburgensia. Jährlich nehme der Bestand um 10.000 Bände oder 250 bis 300 laufende Meter zu. Davon enthalte der Computerkatalog 246.000 Eintragungen. Und von den anderen Katalogen heißt es: "Il convient de relever l'important handicap de la multiplicité des catalogues, qui ne reprennent pas tous les mêmes éléments. Il est ainsi nécessaire de les consulter tous pour une recherche précise, ce qui s'avère très difficile pour le personnel et quasi-impossible pour les lecteurs." (S. 16) Die Folge: "les fonds anciens, en particulier, étant ainsi ,quasiment morts', et le fonds général pour partie ignoré". So dass Versprechen, im Rahmen von eLëtzebuerg den gesamten Katalog binnen kurzer Zeit informatisiert zu haben, etwas blauäugig erscheinen.

Eine der Ursachen für die Probleme der Nationalbibliothek ist, dass sie gleich mehrere und teilweise widersprüchliche Funktionen erfüllen muss. Aubry [&] Guiguet geben sie an mit derjenigen einer Nationalbibliothek, einer Forschungsbibliothek, einer öffentlichen Leihbibliothek und einer Koordinierungsstelle für die anderen Bibliotheken im Land. Zusätzliche Aufgaben entstünden nun durch die wachsende Zahl digitaler Dokumente, die Aufnahme der Bibliotheken des großherzoglichen Instituts, die demographischen Veränderungen und das Projekt Uni Lëtzebuerg. Dass eine Nationalbibliothek keine Universitätsbibliothek ist, hat sich aber noch nicht überall in der Regierung und den Parteien herumgesprochen. 

Die Nationalbibliothek beschäftigt derzeit 30 Ganz- und acht Teilzeitkräfte, was 35,325 Ganzzeitposten entspricht. Alleine unter der derzeitigen Bedingungen fehlen laut Aubry [&] Guiguet 19 Posten. Zur Erfüllung der zusätzlichen Funktionen müssen noch einmal 37 bis 42 Posten geschaffen werden. So dass mindestens eine Verdoppelung, wenn keine Verdreifachung der Belegschaft nötig scheint.

Romain Hilgert
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