Das Genrekino und Jacques Molitor sind unweigerlich miteinander verbunden. Seit langen Jahren ist er – zusammen mit Govinda Van Maele – die oberste Souveränität des Trash-, Horror- und B-Kinos im Großherzogtum. Kein gatekeeper, aber ein meinungstarker, leicht abgedrehter Aficionado, der dennoch einen gesunden Grad an (Selbst-)Kritik auszudrücken weiß. Deshalb fällt es dem Autor dieser Zeilen, der Molitor zu sowas wie seinen Freunden zählt, leichter, eine ehrliche Besprechung des Filmes zu formulieren.
Kommunioun ist der zweite abendfüllende Spielfilm des Luxemburgers und erzählt einmal mehr die Geschichte eines Mutter-Sohn-Gespanns. Sie, Elaine, ist Alleinerziehende in Brüssel, während ihr Sohn Martin scheinbar einen Funken zu früh in die Pubertät eintritt. Diese Transitionsphase macht sich bei dem Jungen sehr auffälig bemerkbar: Eines Tages muss ihn seine über beide Ohren in einer Restaurantküche beschäftigte Mutter von der Schule abholen. Dort angekommen, erfährt sie, dass ihr Sohn Mitschüler aggressiv angefallen und blutig gebissen hat. Zu seiner eigenen Sicherheit, so der Schuldirektor, wird er für zwei Wochen von der Schule beurlaubt. Elaine weiß sich keinen Rat mehr und entscheidet spontan, Martin ins Auto zu setzen und mit ihm zur Familie der mysteriös abwesenden Vaterfigur zu fahren. Nach Luxemburg. An die Mosel. Dort angekommen sind die Urwalds, waschechte Miseler Stacklëtzebuerger, über den unangekündigten Besuch zwar verwundert, am Ende aber froh, das Enkelkind nach langen Jahren endlich kennenlernen zu dürfen. Es ist jedoch vor allem Elaine, die nicht nur die Luxemburger Schwiegerfamilie, sondern auch ihren eigenen Sohn neu kennenlernen wird.
Unabhängig vom großen Schritt, den Molitor ins Genrekino macht, kennt man die Mutter-Sohn-Konstellation schon aus seinem Debütfilm Mammejong. Wie dieser, beschäftigt sich auch Kommunioun mit Mutterliebe und dem unsichtbaren Glied, das Mutter und Sohn verbindet. Dass diese Liebe sehr weit gehen kann, formuliert der Regisseur mit Bildern, die mal mehr, mal weniger explizit das gesellschaftlich anerkannte Stereotyp einer solchen Beziehung in Frage stellen und deren Grenzen ausloten. Einen Kommentar verbietet Molitors Dramaturgie sich aber. Er hat Kommunioun seiner eigenen Mutter gewidmet, die, laut Texttafel, lange auf den Film gewartet habe. Mächtig Fett weg bekommt die conditio Luxemburg. Das Dasein als Lëtzebuerger, also als jemand, der des moselfränkischen Dialekts mächtig ist, brav in die Kirche geht und in der bürgerlichen Mitte sein Lebensglück vorfindet, ist eines von ewigem Schein. Dieser gesellschaftliche Status quo ist ein immerwährender Kampf gegen innere und äußere Kräfte. Die Integration, die die luxemburgische Familie von Martin und Elaine erwartet, ist ein durch und durch reaktionärer Akt, bei dem der Mensch/Lëtzebuerger ständig gegen Impulse jedweder Art ankämpfen muss. Im Falle Martins heißt das, die animalisch-transgressiven Impulse seines Seins/Körpers zu unterdrücken. Andererseits bedeutet es auch – wie es die eigentlich verstörendste Filmsituation zeigt –, sich Menschen zu entledigen und sie später aufzufressen. Nationale Identität ist nur möglich, so vielleicht eine These des Films, wenn man auf Kosten Anderer lebt und gedeiht. Ein Ausbruch aus diesem Gesellschaftskonstrukt ist vielleicht gar nicht möglich. Mit dieser Einsicht treffen sich Molitor und Van Maele wieder einmal – und treffen sich ihre Filme Gutland und Kommunioun.
Was Kommunioun gut zu Gesicht steht, ist, dass er ein Genre nicht des Genres wegen, sondern als Katalysator benutzt. Insofern ist dieser Film Mammejong haushoch überlegen. Man spürt, dass Molitor seine leftfield Ideen besser zu Blatt und an sein Casting übermittelt bekommen hat. Myriam Muller und Marco Lorenzini sind herrlich theatralische Psychos; Louise Manteau, die Schauspielerin hinter Elaine, ist eine erfrischende Präsenz, die den Film auf ruhigen Schultern trägt. Man wünschte sich nur, Molitor hätte sich mehr getraut. Mehr Blut, mehr Gore, mehr American Werwolf op der Musel, bitte! Die Effekte und das Make Up sind mit sehr viel Liebe gemacht. Die Klimax – in der ein CGI-Vieh sein fröhliches Unwesen treibt – ist leider fast frustrierend überstürzt. Plötzlich bekommt der Film den faden Beigeschmack eines gewöhnlichen Horror- oder Slasherfilms der Siebziger: Über eine Stunde lang passiert rein gar nichts, und das bisschen Budget wird in wenige, sehr visuelle Minuten gegen Filmende investiert. Aber Kommunioun ist nicht so ein Film. Jacques Molitor liefert den Beweis, dass psychologische Figurenbildung, Atmosphäre und Blutrünstigkeit sehr wohl koexistieren können. Sogar im geschmacklos sterilen Interieur der Urwalds, der in dieser an den Wolfshaaren herbeigezogenen Metapher für die luxemburgische Filmszene steht. Please, sir, can we have some more... blood and gore?