Größer ist nur noch Warren Buffet: Seit Luxaviation vergangene Woche den Kauf des Schweizer Konkurrenten Execujet bekanntgab, ist die Luxemburger Business-Jet-Gruppe der zweitgrößte Operateur weltweit, hinter der Berkshire-Hathaway-Filiale Netjets, die 2014 mit einer Flotte von 699 Flugzeugen Umsatzerlöse von 288 Millionen Dollar erzielte.
Der Weg dahin war weit. Als Patrick Hansen 2010 die Firmenleitung von Ex-Luxair-CEO Christian Heinzmann übernahm, war die Firma „finanziell am Ende“, wie Hansen sagt. Im Jahr zuvor hatte man sich vom russischen Aktionär und Energiemagnaten Nicolay Bogachev getrennt. Patrick Hansen und Philippe Kauffmann kauften den Energie-Magnaten und Bekannten des damaligen Wirtschaftsministers Jeannot Krecké (LSAP) über eine Kapitalerhöhung aus der Firma heraus. Luxaviation besaß ein Flugzeug. „Es war ganz klar, dass wir eine größere Flotte bräuchten, um bestehen zu können“, sagt der Firmenleiter. Der europäische Markt für Geschäftsfliegerei war und ist nach wie vor zersplittert: Aberdutzende von Anbietern, die jeweils eine Hand voll Flugzeuge betreiben.
Darüber hinaus war das Timing schlecht: 2008, im Jahr der Firmengründung, brach die Finanzkrise aus und mit ihr die Nachfrage nach Geschäftsflügen ein. „Auch 2009 war ein schlechtes Jahr, und 2010 auch. Das waren alles schlechte Jahre“, erklärt Hansen die schlechten Ergebnisse von Luxaviation in diesen Jahren. „Das sind keine glorreichen Zahlen, wir wären fast insolvent geworden.“ Auch jetzt sind die Zeiten für Business-Jet-Betreiber nicht unbedingt rosig, besonders in Europa. Im Zuge des Ukraine-Konflikts, der Sanktionen gegen Russland, des Wertverlusts des Rubels und der nachlassenden Ölpreise ist der Hauptmarkt Russland zusammengebrochen. Um 25 Prozent sind die Bewegungen am Flughafen Moskau seit vergangenem Oktober zurückgegangen, sagt Hansen. Seine Firma trifft das inzwischen nicht mehr so stark, fügt er hinzu, weil sie geografisch diversifiziert hat. Luxaviation entschied, zu expandieren, um die Flotte zu erweitern und Größeneffekte zu erreichen. Aus eigener Kraft heraus zu wachsen, hätte Jahre gedauert, stellt Hansen fest, also sah sich Luxaviation nach geeigneten Übernahme-Kandidaten um.
So begann 2011 die Einkaufstour, die ihren einstweiligen Höhepunkt vergangene Woche mit der Übernahme von Execujet erreicht hat, „eine Großfusion“, die „die europäischen Business-Jet-Anbieter schockt“, wie die Süddeutsche Zeitung titelte. Vor vier Jahren übernahm Luxaviation die Mehrheit an der deutschen Gesellschaft Fairjets. Eineinhalb Jahre später kauft sie den belgischen Konkurrenten Abelag, der seit 1964 in der Geschäftsfliegerei aktiv ist. Vergangenes Jahr stieg der Transaktionsrhythmus deutlich an: Im Januar 2014 übernahm Luxaviation die französische Firma Unijet, vier Monate später erfolgte die Fusion mit Fairjets in Deutschland. Einen Monat später gab die Firma ihre erste Anleihe über zehn Millionen Euro an der Luxemburger Börse aus und kaufte wenig später die 1996 gegründete London Executive Aviation auf. Eine zweite Anleihe im Dezember, diesmal über 20 Millionen und via Bank bei Einzelkunden platziert, diente zur Finanzierung der Übernahme von Masterjet, die ein portugiesisches Air Operator Certificate (AOC) und ein Großraumflugzeug, einen Airbus A320, mit in die Flotte brachte. Das strategische Abkommen, das Luxaviation vergangenen Monat der chinesischen Gruppe Minsheng unterzeichnete, konnte man als Ankündigung für den weiteren Ausbau verstehen. Vergangene Woche machten Luxaviation und Execujet den Übernahme-Deal bekannt.
Es ist der bisher größte Coup für Luxaviation. Durch den Deal hat sich die Mitarbeiterzahl der Gruppe auf über 1 500 verdreifacht, die Flotte zählt 250 Flugzeuge. Die Firma besitzt neun AOC in Europa, durch die Übernahme von Execujet hat sie nun Aktivitäten in Australien und Neuseeland. Nun soll erst einmal zwölf bis 18 Monate Pause sein, „bevor wir wieder hingehen und weitere Akquisitionen machen“, kündigt Hansen an. Erst einmal müssen die Operationen von Execujet integriert werden.
Die letzten fünf Jahre, sagt er, habe er mit „Geld suchen, Geld suchen, Geld suchen“ verbracht, um die Expansion zu finanzieren. Mit einer Mischung aus Anleihen, Bankkrediten und Kapitalerhöhungen hat Luxaviation das bisher bewerkstelligt. Nach der großen Einkaufstour präsentiert sich die Situation laut Patrick Hansen aktuell wie folgt: Die ganze Gruppe verfügt nach der Zeichnung einer Wandelanleihe über 120 Millionen Euro durch die chinesischen Partner von Minsheng über 158 Millionen Euro über Kapital. Dem stehen Schulden von 70 Millionen Euro gegenüber, wobei rund 43 Millionen Euro Cash im Unternehmen verfügbar sind. Dass sich das Verhältnis von Schulden zu Kapital verbessert, daran hat die Firma hart gearbeitet. Für Hansen zählt ohnehin der Cashflow im Unternehmen: Das Ergebnis vor Steuern und Abschreibungen betrug vergangenes Jahr zwölf Millionen Euro. Execujet inklusive wäre es ein Ebitda von 26 Mil-lionen Euro gewesen bei einem Umsatz von, je nach Wechselkurslage, 470 bis 500 Millionen Euro.
Dass Fairjets nach der Fusion unter dem Namen Luxaviation arbeitet, ist eher die Ausnahme in der Gruppe. In der Regel sollen die aufgekauften Firmen unter ihrer Marke und ihrem AOC weiterarbeiten, um die Kundenbindung nicht zu verlieren, wie Hansen erklärt. Mitarbeiter wurden nach den Übernahmen nicht entlassen, so der CEO. „Wir wollen ja wachsen“, sagt Hansen, „da brauchen wir die Mitarbeiter.“ Kosten spart Luxaviation an anderen Stellen: Durch die Neuverhandlung von Versicherungs- und Lieferverträgen, beispielsweise für den Treibstoff, und der Zentralisierung der Aktivitäten, die nicht direkt an die verschiedenen AOCs gebunden sind, kommen Millionenbeträge zusammen.
Mit vergleichsweise bescheidenem Geldeinsatz ist Luxaviation somit zum zweitgrößten Business-Jet-Operateur der Welt mit einer Flotte von 250 Flugzeugen geworden. Das liegt auch daran, dass die Flugzeuge nicht der Firma, sondern den Kunden gehören. Nur sieben Flugzeuge besitzt Luxaviation, und auch die will die Firma eigentlich verkaufen, wenn sie dazu Gelegenheit hat und ihre Piloten auf vergleichbaren Maschinen neuer Kunden einsetzen kann. „Seit zwei Jahren vollziehen wir den Wandel, ziehen uns aus dem Owning zurück.“ Die anderen 243 Maschinen, sind die der Kunden, die Luxaviation für sie betreibt, Papierkram und Personal inklusive, und außerdem wartet; eine geldwerte Dienstleistung.
An rund 30 Standorten rund um den Globus ist Luxaviation präsent. Die Gruppe betreibt Privatterminals in Europa, Lateinamerika, im Nahen Osten, in Afrika, Asien und Australien, bietet vielerorts Charter-Operationen an. Sie betreibt Wartungshallen von Wellington, über Kuala Lumpur und Beijing, in Dubai betriebt sie das größte Wartungszentrum für Privatflugzeuge im Nahen Osten, über Kapstadt, nach Brüssel, Lissabon und Berlin, wo sie im Joint-Venture mit Lufthansa arbeitet. Nur in Luxemburg verfügt sie nicht über eine Wartungshalle, die ein Flugzeug beherbergen könnte, sagt Hansen. Warum Luxaviation, trotz jahrelanger Anfragen, keine Möglichkeit erhalten hat, in Findel eine eigene Wartungshalle zu bauen, versteht er nicht. „Bisher hat niemand ‚Nein’ gesagt, aber ich stelle fest, dass wir immer noch keine Wartungshalle haben.“ Dass es in Luxemburg kein Wartungszentrum für Privatflugzeuge gibt, trifft die Firma in der Zwischenzeit nicht mehr so stark wie früher – sie hat Ausweichmöglichkeiten in den anderen europäischen Wartungszentrum, der Firmen, die zur Gruppe gehören. „Das ist mittlerweile eher ein Problem für Luxemburg als für uns“, meint der Firmenleiter, weil es seiner Ansicht nach nicht zur Strategie der Finanzbranche passt, Ultrareiche als Kunden für die Privatbanken anzulocken. Ultrareiche eben, die mit ihrem Privatflugzeug in Findel landen, und dort auch Wartungsarbeiten vornehmen lassen wollen, sollten diese anfallen. Würde man Luxaviation ein Grundstück zur Verfügung stellen, sagt der Firmenleiter, der aus Trotz vor Jahren Zeitungsannonce schaltete, um sein Kaufinteresse an der Wartungshalle von Cargolux öffentlich zu bekunden, würde die Firma immer noch ein Wartungszentrum bauen. „Wir wollen dafür kein Geld vom Staat und das wären 100 Arbeitsplätze.“
Expandieren möchte Luxaviation in Zukunft weiter und hat dabei vor allem Asien im Blick. „In den kommenden fünf bis zehn Jahren werden in Asien 1 000 Jets ausgeliefert. Es würde reichen, ein kleines Stück von diesem Kuchen abzubekommen.“ Mit den Partnern von Minsheng aus China an der Seite, die selbst im Jet-Leasing aktiv sind, glaubt sich Luxaviation gut aufgestellt. Warren Buffets Netjets wartete seinerseits drei Jahre, bevor sie ein AOC in China erhielt. Der Heimatmarkt von Jetnets, die USA, ist der einzige Markt, wohin es Luxaviation nicht zieht. „Übersättigt und schlechte Margen“, so Hansen Fazit.