Der Glasfaser-Internetausbau kommt voran. „Wir liegen im Plan“, sagt die Post und rechtfertigt die hohen Abopreise

Bald andorranische Verhältnisse

d'Lëtzebuerger Land du 28.03.2014

Und die schnellsten Internetverbindungen in Europa hat – Andorra. Jedenfalls, wenn man dem Webdienst netindex.com glaubt, der ständig den weltweiten Verkehr im Netz rezensiert. Ihm zufolge wurde in der Pyrenäen-Monarchie zuletzt eine mittlere Download-Geschwindigkeit von 43,6 Megabit pro Sekunde gemessen, und Uploads verliefen mit 44,4 Mbit/s sogar noch ein Stück schneller. So fix geht es nirgendwo sonst auf dem Kontinent zu. Nachbar Spanien bringt es nur auf 22,7 Mbit/s down und 5,9 up; Frankreich auf 27,6 down und 8,7 up.

Bei der Luxemburger Post kennt man den Grund für die beeindruckende Online-Performanz Andorras, die, wohlgemerkt, Haushaltskunden zur Verfügung steht: Sie sind allesamt per Glasfaserkabel mit dem Internet verbunden. Genau genommen ist Andorra schon, was Luxemburg bis Ende 2020 werden soll – der erste hundertprozentig glasfaserverkabelte Staat Europas. Doch weil in dem 2010 von der damaligen Regierung verabschiedeten Glasfaser-Aktionsplan steht, „der erste EU-Staat“, und Andorra kein EU-Mitglied ist, klappt das mit dem ersten Platz für Luxemburg ja vielleicht doch.

Zumal der Ausbau der Infrastruktur, den die Regierung der Post übertragen hat, vorankommt. „Wir liegen im Plan“, sagt Gaston Bohnenberger, Direktor von Post Technologies. In dem als Ak-tiengesellschaft neu strukturierten Post- und Telekom-Unternehmen kümmert die Abteilung sich um Ausbau und Vermietung der Infrastruktur. Das Glasfaserprojekt ist ihr mit Abstand wichtigstes Vorhaben. 500 Leute, Mitarbeiter der Post oder von Subunternehmen, seien damit beschäftigt, so Bohnenberger.

Im Plan liegen heißt: 36,6 Prozent der Luxemburger Haushalte können, wenn sie das möchten, an die superschnelle Bandbreite von einem Gigabit pro Sekunde angeschlossen werden. Das ist der Stand vom März 2014. Bis Ende nächsten Jahres soll diese Kapazität für die Hälfte aller Haushalte bereitstehen und 2020 für alle. In der Zwischenzeit sollen bis Ende 2015 landesweit hundert Megabit pro Sekunde verfügbar sein. Zurzeit bestehe diese Qualität für über 80 Prozent der Anschlüsse, sagt Bohnenberger.

In den Verkehrsberichten von netindex.com schlägt die verbesserte Infrastruktur sich schon nieder. Zwar ist nicht genau bekannt, wie viele Internet-Nutzer hierzulande tatsächlich auf einen „très haut débit“ abonniert sind: Die jüngsten offiziellen Zahlen der Regulierungsbehörde ILR gehen auf Ende 2012 zurück und weisen lediglich 5 700 Glasfaser-Kunden aus. Aber 2011 waren es noch 1 300 gewesen, hatte der Zuwachs in einem Jahr also fast 340 Prozent betragen und könnte sich der Kundenkreis im vergangenen Jahr vielleicht sogar noch stärker vergrößert haben, weil die Abo-Preise gefallen sind. Darauf deutet jedenfalls hin, wenn im Großherzogtum laut netindex.com derzeit eine mittlere Download-Bandbreite von 32,2 Megabit pro Sekunde erreicht wird und eine von 16,2 Mbit/s im für die Qualität der Verbindung so wichtigen Upload, wenn der Nutzer Daten ins Netz sendet.

Das ist zwar noch längst nicht so viel wie in Andorra und weniger als in Paris, wo der Glasfaserausbau ebenfalls stark vorangetrieben wird und 63,6 Mbit/s beim Download und 24,3 beim Upload erreicht werden. In den anderen europäischen Metropolen aber geht der Online-Verkehr wesentlich langsamer vor sich. In London zum Beispiel werden 24,5 Mbit/s down und neun Mbit/s up erreicht, in Brüssel 23,9 beziehungsweise 3,7, in Frankfurt 33,6 beziehungsweise 3,4. Und in Leudelingen, wo der Schöffenrat noch kurz vor den Kommunalwahlen 2011 stolz die erste voll glasfaserverkabelte Gemeinde melden konnte, herrschen mit genutzten Bandbreiten von 41,7 Mbit/s im Download und 32,2 im Upload quasi andorranische Verhältnisse, müssen dort auch besonders viele Glasfaserkunden zuhause sein.

Wobei die Post den Geschwindigkeitszuwachs nicht nur durch den Glasfaserausbau mit der Projektüberschrift Fiber to the home ermöglicht hat. Sondern auch durch das Upgrade ihres Kupferkabelnetzes auf die VDSL-2-Norm, die bis zu 50 Megabit pro Sekunde zu übertragen erlaubt. Dadurch können von Verteilerstationen, so genannten Points of presence (POP), an denen die Glasfaser endet, die letzten, bis zu 1 200 Meter zu einem Gebäude per Kupfer realisiert werden, ohne dass es nennenswerten Bandbreitenverlust gibt. Fiber to the node nennt die Post diesen Ansatz. Werden zwei Kupferleitungen zusammengeschaltet, ergeben sich die hundert Megabit pro Sekunde, die bis Ende 2015 landesweit flächendeckend verfügbar sein sollen, auch ohne die Verlegung von Glasfaser noch bis in den letzten Altbau hinein. Und womöglich muss sogar für „Gigabit-Qualität“ nicht jede Wohnung ihren eigenen Glasfaseranschluss erhalten: Das Schweizer Telekom-Unternehmen Swisscom hat in einem Feldversuch ermittelt, dass in diesem Fall für die letzten hundert Meter bis zum Modem des Kunden Kupfer ausreicht. Was eine gute Nachricht für Bewohner älterer Apartmenthäuser ist: Ihre Besitzergemeinschaft müsste sich lediglich darauf einigen, die Glasfaser zu einem Verteilerschrank im Keller verlegen zu lassen, von wo aus es mit klassischem Telefonkabel weiterginge, statt in jeder Etage die Wände für Glasfaserkabel aufhacken zu lassen.

Den staatlichen Aktionsplan vor Augen und den Streaming-Bedarf einer Kundschaft aus Online-Gamern und 4K-HDTV-Fernsehfreaks im Hinterkopf, investiert die Post um die 50 Millionen Euro jährlich in die neue Infrastruktur. Neben Leudelingen sind mittlerweile auch Kehlen und Hobscheid „voll glasfaserverkabelt“. Mit Echternach soll Ende dieses Jahres eine größere Gemeinde so weit sein. Weil die Post zur Minimierung des Aufwands Glasfaserkabel am liebsten dann verlegt, wenn in einem Kanal Strom-, Gas- oder Wasserleitungen sowieso erneuert werden müssen, und sie sich dazu mit den Gemeindeverwaltungen abspricht, liegt es nicht nur an ihr, welche Internet-Übertragungsqualität wann wo erreicht werden kann. Weshalb sich zum Beispiel auch noch nicht sagen lässt, ob die Hauptstadt noch vor 2020 flächendeckend auf ein Gigabit pro Sekunde kommen wird, und weshalb im Stadtteil Bonneweg, wo der Ausbau sehr früh begann und eigentlich Ende 2012 schon abgeschlossen sein sollte, noch immer andauert.

Vor allem in den dicht besiedelten Gemeinden im Hauptstadt-Großraum, im Süden sowie in Clerf und Wiltz treibt die Post den Ausbau mit Nachdruck voran. Aber dank POP-Verteilerhäuschen und Weiterleitung per VDSL-2 kann man schon in 501 der 537 Ortschaften den très haut débit abonnieren. Die 36 noch verbleibenden machen lediglich 687 Gebäude aus, deren Bewohner sich mit ADSL-2plus und maximal 25 Megabit pro Sekunde bescheiden müssen. Wellenstein mit seinen 200 Häusern aber werde demnächst angeschlossen, kündigt Bohnenberger an. Von den 146 469 Wohngebäuden im Lande werden dann nur noch 487 mehr als 1 200 Meter vom nächsten Point of presence entfernt liegen.

Bei der Post weiß man schon jetzt: Der Anschluss der kleinen Ortschaften wird besonders teuer. Einen Meter Glasfaserkabel zu verlegen, kostet um die hundert Euro. Wäre zu jedem der 487 Häuser eine separate Glasfaserleitung von 1,2 Kilometern Länge zu ziehen, würde das eine knappe Milliarde Euro kosten. So kostspielig wird es am Ende wahrscheinlich nicht werden. Doch an dem Umstand, dass der Aktionsplan von 2010 vorsieht, noch den entlegensten Winkel des Landes durch Glasfaser zu erschließen, liegt es zu einem guten Teil, dass ein Glasfaser-Abonnement für hundert Megabit pro Sekunde bei gleich welchem Anbieter kaum unter 50 Euro im Monat zu haben ist. Die Post, die sich den Netzausbau – nicht nur mit Glasfaser – eigenen vorsichtigen Schätzungen nach bisher rund 800 Millionen Euro hat kosten lassen, schreibt diese Investitionen über den sehr langen Zeitraum von 40 Jahren ab und gibt die Netzkosten, überwacht vom ILR, an die Kunden weiter. Die anderen Operateure tun das auch. „In einer Millionenstadt wie Paris kann man ein Glasfasernetz natürlich rentabler aufbauen und betreiben als bei uns“, sagt Gaston Bohnenberger. „Ich glaube aber nicht, dass in den Nachbarländern so schnell noch das kleinste Dorf hinter der Grenze damit erschlossen wird.“

Und letzten Endes sind die Internetkosten ja auch eine Frage der Kaufkraft. Netindex.com informiert auch über die die weltweiten Kosten von Abonnements und der Übertragung von einem Megabit Information pro Sekunde. Weil diese Angaben auf Befragungen beruhen, die der Webdienst anstellt, sind sie kaum fehlerfrei. Den publizierten Angaben zufolge aber ist Luxemburg gegenwärtig nicht nur der schnellste, sondern an der Kaufkraft der Bevölkerung gemessen auch der preiswerteste EU-Staat, von dem aus man online gehen kann.

Peter Feist
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