Tzeedee

Hardcore mit Herz

d'Lëtzebuerger Land du 08.03.2013

Nach den experimentierfreudigen Musikern von Mount Stealth hat eine neue Supergruppe das Licht der regionalen Rockwelt erblickt. Heartbeat Parade bestehen zu zwei Drittel aus der Rhythmus-Abteilung von dEFDUMp, zu denen sich ein Mitglied der Metalcore-Formation Riktus gesellt hat. Doch Vinch (Gitarre, Piano), Félix (Bass und Syn) und Vinny (Drums und Samples) machenStimmung erst einmal ohne schnelle Rhythmen. Out of the silence dröhnt mit Rückkoppelungen und drohenden Piano-Melodien wie ein Teppich von nicht auszumachenden Sprachaufnahmen. Aus der düsteren Kakophonie entspringt ein melancholischer Gitarrenriff, der den zweiten Titel Unspoken Truth Will Emerge einläutet. Sofort ertönt die erste Aufnahme eines der politischen Statements, die sich wie einen roten Faden durch das Album ziehen. Hier wird zu atmosphärischen Passagen vor allem die Rüstungsindustrie kritisiert. In To Become Louder Than prangert die Band die Sinnlosigkeit von Krieg an, eine Männerstimme (ein Soldat?) erzählt vom Desertieren, denn es habe keinen Sinn, „für diesen Krieg zu sterben“. Dabei zeigt die Band mit schweren abgehackten Riffs ihre metallische Seite.

Heartbeat Parade beherrschen nervöse, komplizierte Melodien genauso wie simple, schwere Übergänge und beweisen, dass es sich hier nicht um eine rein technische Platte handelt. Viele Math-Rock Gruppen zeigen mit ausgearbeitenen Riffs und unmöglichen Tempowechsel zwar technische Finesse, doch wirken sie oft steril und kalt. Heartbeat Parade haben die Einflüsse der doch sehr verschiedenen Genres, die sie gekonnt miteinander mischen, nicht vergessen und lassen den Zuhörer gerne ein paar Takte simplen Hardcore-Metal, grungige Bendings und treibende Bässe genießen. Live könnte sich so sogar in diesen Momenten noch vor dem nächsten Rhythmuswechsel ein Moshpit bilden.

Vor allem bei Their Weapons und Burning Water sind diese unprätentiösen und deftigen Takte zu hören, die nur dann so gut klingen, wenn eine Band mit ganzem Herzen dabei ist. Cluba45 lässt das Hardcore-Herz vor allem während dem dissonant-metallischem Höhepunkt schneller (viel schneller!) schlagen. Die Rhythmusabteilung donnert hier derart genüsslich drauf los, dass so mancher dEFDUMp Fan feuchte Augen kriegen wird. Leider dämpft die Produktion den Bombast der lauteren Passagen etwas, denn sie klingen ziemlich glatt. Bei Live-Auftritten wird dies wohl kein Problem sein.

Nicht nur das makellose musikalische Handwerk und der Sinn für Melodien, sondern auch das Behandeln von politischen Themen hebt das Trio von vielen anderen Bands der Region hervor. Jedes Stück enthält mit viel Feingefühl eingebettete Samples, die auf den Rhythmus der jeweiligen Songs angepasst sind und trotz ihrer Länge den Riffs genügend Raum lassen. Bewaffnete Konflikte und deren Konsequenzen, sowie die Waffenindustrie, Konsum und Armut sind die Hauptanliegen auf Hora de los hornos. Die verschiedenen Soundclips stammen aus dem Dokumentarfilm Volem rien foutre al païs von Pierre Carles sowie vom Philosophen John Zerzan und Jean Ziegler, dem ehemaligen UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung.

In den ersten vier Stücken hört man ebenfalls Soundclips aus Filmen von John Pilger, dem gestandenem Kriegskorrespondenten und Imperialismus-Kritiker, den Drummer Vinny eigenen Angaben zufolge sehr bewundert. Verschiedene Passagen, wie zum Beispiel die Aufnahmen von schreienden Frauen in Fiat Panis III oder das verzweifelte Weinen auf Pathopoeia, eignen sich nicht gerade zum Easy Listening, doch sie erläutern auch nicht wirklich, um was es genau im Stück geht. Die CD-Hülse, auf deren Cover ein dunkelhäutiger Kindersoldat einem in die Augen starrt, gibt ebenfalls wenige Infos her. Trotzdem sind diese Denkansätze in der luxemburgischen Musikszene, in der Politisches eher selten behandelt wird, sehr zu begrüßen. Die Musiker, die bereits 2011 mit Heartbeat Parade als Rock-Entdeckung im Printemps de Bourges gefeiert wurden, bauen in ihrem ehrgeizigen Debüt auf ihre langjährige Erfahrung in Hardcore- und Metal-Bands auf. Auf Hora de los hornos wirken sie verspielt und experimentierfreudig, eine viel versprechende Band, die man live also auf keinen Fall verpassen sollte.

Claire Barthelemy
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