Popmusik

Über orangenen Wolken

d'Lëtzebuerger Land du 10.08.2012

Soundcloud macht Musik in der Virtuellen Welt zum gemeinschaftlichen Erlebnis, denn es erlaubt alle Aktionen, die eine erfolgreiche soziale Plattform benötigt: hochladen, bewerten, teilen. Nach ein paar Klicks wird Musikentdecken intuitiv, die sehr ansehnlich und benutzerfreundliche Plattform zieht eine/n in ihren Bann. Die Plattform hat jedoch einige Neuheiten im Sound-Sharing eingeführt, das derweil auch luxemburgische Musiker für sich entdecken.
Der orangefarbene Play-Knopf, der sich am Anfang jedes Songstreifens befindet,  startet nicht nur Musik, sondern zeigt auch auch die Kommentare an, die Benutzer an beliebigen Stellen des Titels abgeben. Bands erhalten also vom Zuhörer Anmerkungen zu jedem Beat und jedem Akkord. Die Kommentare erscheinen im Frequenzstreifen und werden sozusagen Teil der Musik. Interaktion ist bei Soundcloud genauso wichtig wie die Musik selbst. Auch bei tausenden Kommentaren bleibt die Seite eines Musikers übersichtlich, was dem minimalistischen Design zu verdanken ist. Dies war bei Myspace nicht der Fall. Trotz Generalüberholung schwindet die Popularität des ehemaligen Giganten weiter: Als frühes Produkt des Web 2.0 scheiterte die Seite nicht nur wegen der Sicherheitsmängel, sondern vor allem an der Geschlossenheit der Plattform. Myspace wurde zum zwielichtigen Kellerclub, dessen anrüchige Kunden bald den letzten Musikfan vertrieben haben, während draußen Soundcloud als hippes und gut gelauntes Festival durch die virtuellen Straßen zieht – und immer mehr Fans gewinnt.
Auch luxemburgische Künstler haben die Musikplattform für sich entdeckt. Ralph Zeimet von der luxemburgischen Band Daily Vacation sieht in Soundcloud „eine schnelle, gut programmierte Musikplattform.“ Außerdem sei sie sehr übersichtlich, da die Seiten der Künstler gleich aussehen und man nicht mit Werbungen bombardiert wird. „Aus den gleichen Gründen interessiert Myspace keinen mehr“, bemerkt der Musiker, der das letzte Album seines ehemaligen Projektes Fracture im Jahre 2009 noch auf Myspace veröffentlichte. Neben unzähligen einheimischen Bands sind mittlerweile ganze Radiosendungen auf Soundcloud vertreten. Episoden von Radio Aras Electro-Show Bazar Eclectique kann man sich zum Beispiel, Moderator Fred Baus sei Dank, neuerdings auf der sozialen Plattform anhören, auch lange nach der Erstausstrahlung im Radio.
Das 2008 in Berlin gegründete Unternehmen Soundcloud zählt mittlerweile zehn Millionen Benutzer, die nicht nur hochladen und austauschen, sondern vor allem ihren Lieblingsgruppen folgen wollen. Denn es hat sich herumgesprochen, dass es auf der Klangwolke Exklusivitäten zu ergattern gibt. Zum Beispiel ließ Sonic Youth ein komplettes Album mit Hilfe von Soundcloud aus einem einzigen, kurzen Tweet streamen. Die erfahrenen Noiserocker haben es verstanden: Soundclouds Potenzial liegt in der Vernetzung mit anderen sozialen Netzwerken.
Michel Flammant von Plankton Waves nennt Twitter, Facebook und Blogs andächtig die „Dreifaltigkeit des sozialen Netzwerkelns“. „Man muss halt nur seine verschiedenen Netzwerke einrichten und vernetzen,“ erklärt er. Plankton Waves haben zum Beispiel ihren Wordpress-Blog mit Twitter vernetzt, zugleich erlaubt der eingebettete Soundcloud-Player eine bequemes Abspielen der Musik auf der Homepage der Band. Links zu den jeweiligen Seiten können natürlich auch immer auf Facebook direkt mit den Fans geteilt werden. Eigens fürs Internet konzipierte, ungemasterte Audiovorschauen und ein Video-Trailer des neuen Albums konnte die Band so bequem mit ein paar Klicks an den Mann und die Frau bringen. Doch Michel gibt zu, selbst nicht unbedingt ein Social Media-Nerd zu sein. „Ich halte mich persönlich da ein wenig im Hintergrund, doch als Band ist eine Seite wie Soundcloud die beste Möglichkeit, sich über die Grenzen hinaus einen Namen zumachen,“ findet der Musiker.
Eine richtige Gemeinschaft von luxemburgischen Musikern gibt es laut Ralph Zeimet jedoch nicht unbedingt, da Soundcloud eher „individualistisch orientiert“ sei. „Ich bin nicht auf Soundcloud, um die gleichen Musiker zu treffen, die ich sowieso auf Konzerten oder beim Rausgehen sehe“, verrät er.
Michel Flammant sieht in Soundcloud eher eine Gemeinschaft für Musiker der elektronischen Sparte. „Dies liegt wohl an der Arbeitsweise der verschiedenen Künstler. Leute, die Rock machen, schreiben ja gewöhnlich nicht vor ihren Rechnern, sondern im Probesaal“ meint er. Doch Zeimet und Flammant sind sich einig: Wenn es einen Künstler in Luxemburg gibt, der Soundcloud für sich entdeckt hat, dann ist das Victor Ferreira, aka Sun Glitters. Sein Soundcloud ist regelmäßig mit Mixtapes und Remixes aktualisiert, was zu über 54 000 Followers und hunderten von Kommentaren im Frequenzstreifen der Stücke führt. Einige Fans laden sogar selbstgemachte Musikvideos zu seinen Stücken hoch.
Victor Ferreira fühlt sich geschmeichelt, wenn man ihn auf seinen Erfolg auf der Plattform anspricht. Für ihn basiert der auf einem einfachen Prinzip: „Ich antworte jede Nachricht, die man mir schickt und reagiere auch auf jeden Kommentar, auch wenn es momentan manchmal recht viele sind. Das gibt mir wohl Pluspunkte in der virtuellen Welt. Viele Fans sind überrascht, wenn ich ihnen zurückschreibe. Doch für mich ist das absolut selbstverständlich: Wenn jemand dir schreibt, antwortest du,“ erklärt Ferreira, der außerdem regelmäßig Mixtapes auf Soundcloud veröffentlicht, was ihn zu einem der aktivsten luxemburgischen Musiker in sozialen Netzwerken macht.
Dies zahlt sich auch in der physischen Welt aus, was Sun Glitters auf seinen Tourneen merkt. „Als ich durch Südamerika tourte, war ich erstaunt, wie viele Menschen meine Musik kannten. Allein in Medellín in Kolumbien kamen ungefähr 500 Gäste zu meinem Konzert“, strahlt der Musiker. Obwohl Sun Glitters von verschiedenen Bookers und einem Management unterstützt wird, vom Guardian und der BBC rezensiert wurde und als Liebling des britischen Radiosenders Amazing Radio aufstieg, sind Soundcloud und soziale Netzwerke für Victor immer noch effizienter und schneller als die traditionellen Medien. Sein Auftritt in London im Juni wurde von einem Fan organisiert, dem die Musik des Luxemburgers von einem Freund im Internet vorgeschlagen wurde. Nach ein paar Nachrichten (die Victor natürlich beantwortete) war das Konzert organisiert. Und wer das Konzert verpasst hatte, konnte sich auf Instragram die Fotos des Abends ansehen, die der Musiker selbst gemacht hat, oder den neusten Remix herunterladen, der am Tag zuvor auf Soundcloud veröffentlicht wurde. Denn sind Fans erst einmal an tägliche Updates gewöhnt, kann man sich online keine Pausen mehr erlauben.

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Claire Barthelemy
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