Premier Luc Frieden bekam gestern Post von Nora Back und Patrick Dury. Die OGBL-Präsidentin und der LCGB-Präsident wiederholen in ihrem Brief den Vorwurf an den Premier, die Diskussionen in der Sozialronn am 3. September verfrüht beendet zu haben. Was zu Beginn der Sitzung von ihm als Bestandsaufnahme präsentiert wurde, habe er später „als endgültige Schlussfolgerung dekretiert“. Damit habe die Regierung „das Luxemburger Sozialmodell, wie wir es seit Ende der Siebzigerjahre kannten, begraben“. Das zwinge die Gewerkschafts-Union aus OGBL und LCGB zu einer „neuen Herangehensweise im Sozialdialog“. Forderungen, Vorschläge und Analysen werde sie den zuständigen Regierungsmitgliedern in Zukunft nur im bilateralen Austausch unterbreiten. Gegenüber den politischen Schlussfolgerungen behalte sie sich alle gewerkschaftlichen Mittel vor. Das Ständige Beschäftigungskomitee CPTE hat für OGBL und LCGB kein Mandat mehr. Der Arbeitsminister wird gebeten, die Sozialpartner zu Separatgesprächen einzuladen.
d’Land: Nora Back, Patrick Dury, welches Ziel verfolgen OGBL und LCGB mit dem neuen Ansatz?
Nora Back: Wir passen unsere Arbeitsweise an, um die Interessen der Berufstätigen und der Pensionierten zu verteidigen. Weil die Regierung entschieden hat, das Tripartite-Modell nicht mehr zu respektieren und Verhandlungen nicht mehr ernst zu nehmen. Weil sie ein „ech lauschteren no an decidéieren“ praktiziert. Wir dienen nicht als Alibi, damit die Regierung sagen kann, sie habe den Gewerkschaften zugehört, und dann macht sie Sozialabbau. Das heißt: Wir werden künftig noch stärker argumentieren. Werden sagen, so müsste es im Arbeitsrecht laufen, so müssten die Arbeitszeiten sein, und so weiter. Wir werden inhaltlich arbeiten, aufklären und sensibilisieren, viel präsenter in der Öffentlichkeit sein. Wir werden gegenüber Parteien und Fraktionen politisch auftreten. Und wenn es sein muss, auf die Straße gehen.
Wollen Sie, dass der Premier sagt: Setzen wir uns nochmal zusammen, diesmal richtig?
Patrick Dury: Wir gingen in die drei Sozialronnen, die nicht Tripartite heißen sollten, mit dem Ziel, einen Sozialkonflikt zu vermeiden und den Sozialdialog wieder anzukurbeln. Was zu den Kollektivverträgen vorgesehen war und zu den Öffnungszeiten und der Sonntagsarbeit im Einzelhandel, waren Patronats-Forderungen, die die Regierung umsetzen wollte. Den Sozialkonflikt konnten wir verhindern, weil die Regierung zu den Kollektivverträgen komplett zurückruderte. Zu Sonntagsarbeit und Öffnungszeiten ging sie auf wesentliche Forderungen von uns ein. Und hätte es unsere Mobilisierung nicht gegeben, wäre die Rentenpolitik heute eine ganz andere.
Das sind Erfolge, nicht wahr?
PD: Aber im „consulter et décider“, wie es der Premier praktiziert, gibt es keinen richtigen Sozialdialog, keine Verhandlung mehr. In einer Tripartite setzen drei Partner auf Augenhöhe sich mit einer Situation auseinander, um gemeinsam zu einem Resultat zu gelangen. Das war hier nicht der Fall. Anderthalb Jahre lang haben wir mit der Regierung auf allen möglichen Ebenen verhandelt, im CPTE, in Schwätzmat-Treffen, in Zweier- und Dreierrunden beim Premier. Das hat alles nichts gebracht. Nur unsere Kundgebung am 28. Juni brachte etwas. Damit könnten wir nun zufrieden sein, aber das ist für unser Land ganz bedenklich. Zum ersten Mal sind wir in einer Situation, wo trotz der vielen Gespräche die Regierung ihre Konklusionen angesichts unserer Aktionen zog und nicht aufgrund unserer Argumente. Das ist der wichtige Punkt, das verändert alles.
NB: Unser Ziel ist natürlich, dass die Regierung zum bisherigen Modell zurückkehrt, aber wir glauben nicht daran. Das Vertrauen ist weg. Also wollen wir nun ihre Entscheidungen so beeinflussen, dass sie im Sinne der Leute sind. Wenn es sein muss, auf der Straße. Erstaunlicherweise ist Luc Frieden dabei, sich selber zu beweisen, dass der Druck der Straße die Regierung zum Umdenken brachte. Das ist die Botschaft, die uns vermittelt wurde. Auch in den Sozialronnen sagte die Regierung: „Weil so viele auf der Straße waren, mussten wir zurückrudern.“ Sie gibt sich und der Öffentlichkeit zu verstehen, dass nicht Verhandlungen zu Resultaten führen, sondern die Opposition der Gewerkschaften.
Wenn Sie mit Regierungsmitgliedern nur noch bilateral verkehren wollen: Bedeutet das eine „Politik des leeren Stuhls“ in allen Gremien mit Tripartite-Zusammensetzung? Also nicht nur im Ständigen Beschäftigungskomitee, wie Sie angekündigt haben, sondern auch im Wirtschafts- und Sozialrat und in der Sozialversicherung?
NB: Nein. Ins CPTE können wir in der Situation, wie sie ist, nicht gehen. Denn was soll dort diskutiert werden? Die Arbeitszeiten. Dieses Kapitel im Koalitionsprogramm ist das für uns gruseligste. Der Abschnitt zu den Pensionen ist vergleichsweise vage, zu den Arbeitszeiten dagegen geht es ganz konkret um mehr Flexibilisierung. Die UEL fordert jede Menge Grausamkeiten.
Am 9. Juli engagierten OGBL und LCGB sich, im CPTE über die Arbeitszeiten zu reden. Die Regierung hatte den Rückzieher zu den Kollektivverträgen gemacht, die Gewerkschaften sagten, dann gehen wir wieder ins CPTE. Es hieß auch, falls es dort keine Einigung gibt, finde im Oktober ein Treffen beim Premier statt.
PD: In den Konklusionen der Regierung vom 3. September steht von einem solchen Treffen im Oktober nichts...
NB: … und am 9. Juli engagierten wir uns, weil wir davon ausgingen, dass es am Ende der Gespräche ein Abkommen geben würde. Wir sahen das wirklich ganz positiv. Nun aber müssen wir damit rechnen, dass die Regierung zu den Arbeitszeiten nach dem Prinzip „consulter et décider“ vorgeht, wie am 3. September. Da können wir nur verlieren. Da können Gespräche im CPTE einen Vorwand liefern, um uns vorzuhalten: Ihr habt doch mitdiskutiert!
PD: Sie hatten nach einer „Politik des leeren Stuhls“ gefragt. Die machen wir ganz sicher nicht. Aber falls die Regierung zur Krankenversicherung eine Politik fahren will, in der am Ende sie entscheidet, dann werden die Gewerkschaften ihr klar zu verstehen geben: Kein Leistungsabbau. Beitragserhöhungen, falls nötig. Und die gouvernance in der CNS muss abgesichert sein.
Im Koalitionsvertrag steht, die gouvernance der CNS werde überprüft. Ist dazu schon etwas geschehen?
PD: Ministerin Martine Deprez hat gelegentlich durchblicken lassen, dass das Tripartite-Modell der CNS infrage stehen könnte. Wir wollen das nicht, darüber ist mit uns nicht zu reden. Die Beschäftigten zahlen Beiträge, also werden sie durch die Gewerkschaften vertreten. Falls Martine Deprez etwas anderes einführen will, dann muss sie das mit dem Patronat versuchen, wie das zu den Kollektivverträgen versucht wurde. Dann werden wir die Öffentlichkeit informieren. Wird die Krankenversicherung verschlechtert, trifft es die Menschen sofort. Und wenn ihnen über mehr Eigenbeteiligung an die Tasche gegangen werden soll, werden wir dafür sorgen, dass die Leute das ganz schnell erklärt bekommen, und wir werden entsprechend reagieren.
NB: In die Krankenkassen-Quadripartite gehen wir sicher, aber mit einer anderen Haltung. Alles andere müssen wir von Fall zu Fall betrachten. Wenn Luc Frieden morgen eine weitere Sozialrunde einberuft, wäre eine Teilnahme für uns ganz schwierig.
Laut Koalitionsprogramm soll, falls innerhalb eines Jahres mehr als eine Indextranche fällig wird, eine Tripartite einberufen werden. Falls es dazu kommt – gehen Sie hin?
PD: Wer die größte Attacke auf das Sozialmodell geritten hat, mit der Infragestellung der Rolle der Gewerkschaften zu Kollektivverträgen, mit der Infragestellung der Arbeitsbedingungen im Privatsektor, und wer gleichzeitig kein Problem damit hat, ein Gehälterabkommen für den öffentlichen Dienst auf den Tisch zu legen; wer all das gemacht hat und dann meint, er könne die Gewerkschafts-Union aus dem Hut zaubern, wenn er sie braucht, ist auf dem Holzweg.
NB: Wir werden ganz sicher nicht in eine Tripartite gehen, um eine Indextranche zu verschieben.
Stimmen Sie zu, dass der Premier Ihren Gewerkschaften ein politisches Geschenk zur Mobilisierung für die Kundgebung am 28. Juni gemacht hat, als er im état de la nation am 13. Mai zu einer Rentenreform sagte, was er sagte und wie er das tat? Renten und länger arbeiten versteht jeder, Kollektivverträge, so essenziell sie für Gewerkschaften sind, sind abstrakter…
NB: … wir hatten aber schon vor der Erklärung zur Lage der Nation auch zu den Renten mobilisiert, nicht nur zu den Kollektivverträgen. Doch es stimmt, der état de la nation ein paar Wochen vor der Maniff hat geholfen. Und noch heute weiß niemand, wieso der Premier diesen enormen politisch-kommunikativen Fehler beging. Zumal anschließend das Rätseln darüber einsetzte, wer davon vorab wusste, ob Martine Deprez informiert war, die Fraktionen, die Regierungsparteien.
PD: Ich denke, der Premier hat in drei Sätzen die Maske fallen lassen. Er hat gezeigt, dass die Schwätzmat-Aktion nur Show war. Abgesehen davon, dass es dadurch gelang, die Gewerkschaften im Rentendossier auf die Seitenlinie zu drücken. Weil das Patronat nur von Verschlechterungen sprach, wäre jede Regierungsentscheidung immer noch sozialer als die Forderungen des Patronats gewesen. Vielleicht hat Premier am 13. Mai die Situation falsch eingeschätzt, das weiß ich nicht. Aber in drei Sätzen sagte er, was ein Regierungschef eigentlich sagen sollte: Er redete Klartext.
Da die Kundgebung erfolgreich war, machte die Regierung OGBL und LCGB viele Zugeständnisse. Hatten Sie darüber nachgedacht, das nach außen als Erfolg zu verkaufen, und die Gespräche mit Regierung und UEL hätten vielleicht doch zu einer Einigung führen können?
NB: Wir waren uns sogar zu dritt, mit der CGFP, einig, dass das kein Erfolg war. Denn wir befanden uns in einer Situation, in der wir über jede weniger schlimme Verschlechterung froh waren. Das Einlenken der Regierung zu den Kollektivverträgen bedeutet nur, dass wir sie weiter verhandeln dürfen, Status quo. Dagegen bedeutet es weder mehr Kollektivverträge, noch bessere Kollektivverträge. Zur Sonntagsarbeit im Einzelhandel gilt heute, dass acht Stunden nur mit Kollektivvertrag möglich sind, künftig soll das nur in Betrieben ab 30 Mitarbeitern so sein. Woraus folgt, dass mehr als 90 Prozent der Betriebe keinen Kollektivvertrag brauchen werden, um auf acht Stunden zu gehen. Dank unseres Drucks und unserer Mobilisierung wird alles viel weniger schlimm, als es hätte kommen können, doch es bleibt bei Verschlechterungen. Und was die Renten angeht: Klar sind wir froh, dass das Resultat vom 3. September viel weniger gravierend ist als die Ankündigungen im état de la nation. Aber wenn am Ende der Premier sagt, ich habe zugehört und mache nun, was ich will, kann auch das kein Erfolg sein. Von der Form her auf keinen Fall, und leider auch vom Inhalt her nicht ganz, weil es dennoch eine Reihe Verschlechterungen gibt.
PD: Hinzu kommt: Wenn man in den Gesprächen die UEL sagen hört, dass sie Betriebsvereinbarungen will, womit wir ganz große Probleme haben, weil eine Delegation ohne Gewerkschaften sich in einem Machtgefälle gegenüber dem Patron befindet; wenn die UEL in diesen Betrieben obendrein das Arbeitsrecht in ihrem Sinne angepasst haben will und sich wünscht, dass das über eine Gesetzesänderung juristisch einwandfrei gemacht wird; wenn es darüber keine Einigung gibt und das Thema vom Tisch genommen wird, der Präsident der UEL in Interviews aber andeutet, dass er es im CPTE in anderer Form erneut auf den Tisch bringen könnte, dann muss man verstehen, dass das für uns kein Erfolg ist. Der Sozialkonflikt ist im Moment abgewendet. Das heißt aber nicht, dass es zu keinem größeren Sozialkonflikt kommen könnte. Gegenüber der Presse hat der UEL-Präsident gesagt, „mal sehen, wie viele Kollektivverträge wir noch abschließen werden“. Das ist eine Kriegserklärung an die Gewerkschaften. Würde die UEL das umsetzen wollen, werden wir so aufgestellt sein, dass wir die Interessen der Beschäftigten mit allen Mitteln verteidigen können.
Apropos Sécu: Ich meine, auch als OGBL und LCGB ihre Mitglieder mobilisierten, wurde in der CNS und der Rentenkasse CNAP mit den Vertretern der UEL gut zusammengearbeitet. Was wird daraus unter der neuen Arbeitsweise der Gewerkschafts-Union?
NB: Das ist eine wichtige Frage. In der CNS haben wir nicht per se konträre Interessen. Wir haben mit den Patronatsvertretern schon gemeinsame Papiere an die Ministerin verfasst. In der CNAP waren wir uns mit ihnen einig, dass sie von verschiedenen Ausgaben befreit werden sollte, die nichts mit den Renten zu tun haben. Wir sind uns nicht hundertprozentig einig, doch es gibt Allianzen zu bestimmten Fragen. Wie sich das weiterentwickelt, wird sich vor allem am heißen Eisen Krankenversicherung zeigen.
PD: In der Sozialversicherung wurde bisher im sozialpartnerschaftlichen Geist zusammengearbeitet. Aber falls die Regierung wegen des Krankenstands eine Hexenjagd auf Krankgeschriebene unterstützt, wie das Patronat sie fordert, dann könnten wir in eine ähnliche Situation kommen, wie wir sie mit der Regierung in den letzten Monaten hatten. Und wenn ich Aussagen höre, dass keen ee Frang Steuergeld zusätzlich in die Krankenversicherung fließen soll, obwohl sie Altlasten trägt, die der Staat ihr auferlegt hat, dann wäre die Diskussion ganz schnell beendet, falls mehr Steuergeld an Leistungsverschlechterungen gebunden würde.
Was halten Sie davon, dass die Renten-Pisten der Regierung ein Signal an die jungen Generationen senden, dass vor allem sie belastet werden? Während das für die schon Pensionierten zumindest nicht gleich so sein soll, denn das ajustement, die Anpassung der Renten an die Reallohnentwicklung, will die Regierung erst einmal nicht antasten.
NB: Die Rentenreform von 2012 sollte die Botschaft enthalten, dass auch die Pensionierten belastet würden. Deshalb hielt die damalige Regierung fest, das ajustement zu einem bestimmten Moment anzutasten. Nun aber soll die Rentenanpassung nicht um 50 Prozent gekürzt werden, wie laut der Reform von 2012 möglich, sondern, wie die aktuelle Regierung sich das vorstellt, um 75 Prozent, wenngleich erst um das Jahr 2030. Es wird also auch die Pensionierten treffen. Wir stellen fest, dass die Regierung nicht imstande ist, das System längerfristig abzusichern, sondern sich drei bis vier Jahre Zeit erkaufen will, und dann kommt die große Diskussion. Ich meine, darauf hat die Regierung es angelegt. Ob es eher die Jungen sein werden, diese Frage stellt sich heute noch nicht so sehr. Es werden déi schaffend Leit sein.
Rechnen Sie damit, dass die Mehrheitsfraktionen im Parlament den Renten-Gesetzentwurf der Regierung noch verschärfen werden, wenn er ihnen vorgelegt wird? Oder werden sie ihn durchwinken und die Renten zum Wahlkampfthema werden lassen?
PD: Wir werden schon ehe der Text ins Parlament kommt, die Fraktionen nach ihrer Meinung fragen. Und wir wären froh, wenn sie nicht sagen, mir sinn an enger Kuck-Fabrik, sondern klar antworten. Aber lassen Sie mich noch etwas zur Generationengerechtigkeit sagen. Sowohl die Reform von 2012 als auch die Pisten jetzt belasten die künftigen Generationen. Die Reform von 2012 kürzt die Renten über 40 Jahre hinweg. Die Gewerkschaften dachten schon damals darüber nach, wie nicht nur das Pensionssystem, sondern die gesamte Sozialversicherung sich aus alternativen Finanzquellen stärken lässt, damit wir nicht nur auf höhere Beiträge setzen müssen. Die Frage ist ja, was die Gesellschaft für Kranke aufwenden will und für Pensionierte. Wer in Rente geht, ist ja kein Parasit, sondern hat ein Arbeitsleben hinter sich. Wer lange studiert hat und mit 25 oder 30 ins Arbeitsleben eintritt, dessen Rente wird ganz unabhängig von jeder Reform auf einen Stand berechnet, der sich eigentlich erst nach 40 Jahren voll entwickelt. Also werden diese Leute, wenn sie sich den 60 nähern, nach der Höhe ihrer Rente schauen und sich fragen, ob sie noch weiterarbeiten sollten. Sofern sie das dann können! Was sein soll, wenn sie es nicht können, darauf haben wir heute keine Antwort. Auch keine auf die Frage, was sein soll, wenn jemand meint, was er aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen kann, reicht ihm nicht. Weil er über keine 40 Jahre Karriere verfügt.
Die Regierung will Privatversicherungen steuerlich interessanter machen.
PD: Aber wer kann sich eine leisten? Vielleicht die fünf Prozent im Privatsektor, die über den Cotisatiounsplaffong hinaus verdienen. Das wäre eine Politik für die ganz breiten Schultern. Die Diskussion darüber war absolut nicht möglich. Wir sagten deshalb, suchen wir nach Finanzierungs-Alternativen. Zum Beispiel über eine spezielle Steuer, ähnlich wie die Solidaritätssteuer. Oder über einen ganz kleinen Prozentsatz nach dem Modell der Pflegeversicherungsbeiträge, für die alle Einkünfte berücksichtigt werden. Es ist eine Schwäche der Regierungspolitik, dass sie zu den Renten so agiert hat, wie sie agiert hat.
Was bedeutet der neue gewerkschaftliche Ansatz für den LCGB? Traditionell wurde er als die mehr konsensorientierte Gewerkschaft verstanden.
PD: Der LCGB hat sich schon 2011 einen neuen Ansatz gegeben. Wir sagten, wir konzentrieren uns auf den Privatsektor. 2014 schrieben wir die Inkompatibilität von Gewerkschaftsmandat und politischem Mandat in unseren Statuten fest. Seit ich Präsident bin, stellt der LCGB seine Aktionsprogramme in aller Unabhängigkeit auf. Wir sind eine Gewerkschaft, die sich am Interesse ihrer Mitglieder orientiert. Offenbar wird das anerkannt, sonst hätten die Kollegen vom OGBL mit uns kaum die Gewerkschafts Union gebildet. So gesehen, verstehe ich Ihre Frage nicht.
Die Entscheidung der Index-Tripartite im März 2022 trug der LCGB mit, der OGBL nicht.
PD: So eine Situation wird nicht mehr eintreten. Über die Gewerkschafts-Union haben wir strukturell festgehalten, dass wir gemeinsam auftreten. Alle Diskussionen, die wir mit der Regierung führten, haben wir gemeinsam vorbereitet, und was der eine sagt, gilt auch für den anderen. Kommt es zu einer Tripartite, muss sie gemeinsam bewertet werden, und dann wird gemeinsam entschieden, ob es zu einer Unterschrift kommt oder nicht.
Ist das die Einheitsgewerkschaft oder doch noch nicht?
PD: Es ist eine strukturell stärkere Zusammenarbeit zweier Organisationen. Das ist ein dynamischer Prozess. Wie weit er gehen wird, kann ich heute nicht sagen. Aber den Erfolg, den wir hatten, verdanken wir unserer Zusammenarbeit. Die Zeiten ändern sich, darauf müssen wir uns einstellen.