Kino

Gegen Trump?

d'Lëtzebuerger Land du 22.11.2019

Bei Regisseur Roland Emmerich herrscht wieder einmal der Ausnahmezustand: Midway schildert das Duell eines amerikanischen und japanischen Flottenverbands im Pazifik am 4. Juni 1942, dem der Angriff auf Pearl Harbor vom 7. Dezember 1941 vorausging. Aufgrund der Tatsache, dass die inszenierte Gewalt und die vielen Todeskämpfe selbst essentieller Bestandteil des Genres sind, hat sich die Auffassung durchgesetzt, der Kriegsfilm sei unfähig den Krieg zu verurteilen, weil sein Gegenstand der Krieg selbst ist. Mit dem Begriff Antikriegsfilm ist folglich eine besondere Perspektive auf den Kriegsfilm und eine spezifische moralische Haltung gemeint.1

Der Grundton von Roland Emmerichs Midway ist dann auch logischerweise von tiefem Pathos bestimmt. Und ganz in der Tradition des Kriegsfilms gibt es auch hier nicht den einzelgängerischen Helden, sondern nur die Gruppe zählt. Da ist Edwin Layton (Patrick Wilson), der Admiral Chester W. Nimitz (Woody Harrelson) und nicht zuletzt der immerzu Kaugummi-kauende strahlende Held Richard Best (Ed Skrein), der sich nah an der Parodie auf das Yank-Image bewegt, ohne dass der Film tatsächlich selbstironische Zwischentöne einbaut. Sehr klar stehen die Guten gegen die Bösen, die dann auch folgerichtig für das höchste Gut des Menschen kämpfen, die Freiheit. In der gleichnamigen Version von 1976 unter der Regie von Jack Smight gab es noch so etwas wie selbstkritische Momente und darin verlieh auch ferner Toshirô Mifune dem bösen Japaner ein etwas würdevolles Gesicht. Bei Emmerich jedoch ist der Feind nicht weiter definiert. Es überwiegt ein kriegerischer Patriotismus, der selbst einen Film aus Kriegszeiten wie Thirty Seconds Over Tokyo (1944) übetrifft, der nicht zuletzt durch die regulierenden Maßnahmen des Office of War Information nuancierte und selbstkritische Noten setzte. Momente der Introspektion und Selbstreflexion gehen dabei weitestgehend verloren, derart unterwirft der Film sich der Hymne auf Opferbereitschaft für die Sache – die Nation. Junge Männer sterben den dramatischen Heldentot, das Massenmorden auf amerikanischer Seite wird als heroisch-notwendige Verrichtung dargestellt, die die Weltmacht triumphieren und stärker aus dem Konflikt hervortreten lässt.

So sehr der Film seine moralischen Positionen vereinfacht und transparent macht, so wenig lässt sich Ähnliches für die Form sagen. Midway entspricht der aktuellen Entwicklung der Filmsprache: Mit vielen Reißschwenks und rasanter Schnittfrequenz wird in Anlehnung an die Marvel-Superheldenfilme eine transparente Filmästhetik zugunsten sinnlicher Reizüberflutung zunichte gemacht –Martin Scorseses Vergleich in Richtung der Vergnügungsparks ist hierfür bezeichnend. Emmerich will seinen Film verstanden wissen als einen Gegen-Reflex auf den aktuellen US-amerikanischen Rechtsruck, indem er eine vereinte Nation zeigt, die für die gemeinsame Sache eintritt. Sicherlich hat der deutsche Regisseur ein gewisses Gespür für den Puls der Zeit, wenn auch kein überaus visionäres: So spielt er etwa in Day After Tomorrow auf den Klimawandel an. Inwiefern sich Emmerichs pathetischer Stil in Midway dann aber, mit Blick auf sein schematisch-reduziertes Feindbild von der Rhetorik eines Donald Trump entfernt, ist indes fraglich. Sein Film propagiert denn auch viel eher einen Gewalt feiernden Charakter, der wenig reflexiv-distanzierend wirkt, sondern droht in einem martialischen Action-Spektakel jeden noch so oberflächlich kritischen Impuls unter dem lauten Bombenhagel untergehen zu lassen. Hinsichtlich dieser Tendenz zeitgenössischer Blockbuster ist doch zu fragen, ob aktuelle Kriegsfilme nicht gleichwohl – wenn auch unfreiwillig – den Neuen Rechten in die Hände laufen? 2017 war es noch Nigel Farage, der den Kinostart von Dunkirk zum Anlass nahm, um für einen harten Brexit zu werben. Nichtsdestoweniger ist Christopher Nolans Ansatz in Dunkirk, ein Kriegserlebnis im Moment zu betrachten, der erzählerisch ambitioniertere Kriegsfilm.

1 In diesem Zusammenhang nimmt All Quiet on the Western Front (1930), nach dem Roman von Erich Maria Remarque, immer noch eine Sonderstellung ein und ist innerhalb des Genres eher die Ausnahme.

Marc Trappendreher
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