Die Eröffnung des Prozesses um die ehemalige Kongregations-klinik Sainte-Élisabeth am Montag vor der siebenten Strafkammer des Bezirksgerichts Luxemburg hätte in einen Film von Luis Buñuel gepasst: Sechs Ordensschwestern, alle schon recht betagt, in Ordenskleidung und mit schweren hölzernen Kreuzen vor der Brust, nahmen Platz auf der Anklagebank. Vorgeworfen wird ihnen fahrlässige Körperverletzung beziehungsweise unterlassene Hilfeleistung. Vor elf Jahren bekleideten sie in der Klinik leitende Ämter, bis hin zum Verwaltungrat.
Das Bild von den Nonnen, die sich versündigt haben könnten, ist vielleicht gerade stark genug, um das Unbehagen zu illustrieren, mit dem so manche Mitglieder derzeitiger Klinik-Verwaltungsräte den „Hepatitis-Prozess“ verfolgen: Noch nie in der Luxemburger Krankenhausgeschichte stand ein Verwaltungsrat so gut wie geschlossen vor einem Strafgericht. Je nachdem, zu welchem Urteil das Gericht kommt, könnte es anschließend reihenweise Demissionen geben.
Aber dass ein Sitz in einem Klinik-Verwaltungsrat ein abgehobenes Ehrenamt wäre, das frei ist von Verantwortung, kann längst nicht mehr behauptet werden: Zu groß sind die Fährnisse des modernen Krankenhausbetriebs, zu oft landen auch hierzulande Haftpflicht-Streitfälle um Behandlungs- oder Betreuungsfehler vor Gericht. Insofern ist der „Hepatitis-Prozess“ eine längst fällige Begegnung mit der Realität.
Und er bietet vielleicht eine besondere politische Gelegenheit: Einerseits sollen die auf fünf Wochen angesetzten Verhandlungen klären, wie sich zwischen Frühjahr und Herbst 1998 fünf Patienten der Clinique Sainte-Élisabeth mit dem Hepatitis-C-Virus infizieren konnten, welche Rolle dabei ein Anästhesiepfleger spielte, der die Infektion übertragen haben könnte, und inwiefern in der Klinik hygienische Standards missachtet wurden (d‘Land, 29.06.2001). Zum anderen aber wird gefragt, was Klinikdirektion und Verwaltungsrat wussten, vor elf Jahren gegenüber den betroffenen Patienten, der Gesundheitsdirektion und der Staatsanwaltschaft jedoch verschwiegen, und was sie zu tun unterließen.
Dieser Punkt aber reicht über die Clinique Sainte-Élisabeth hin-aus und betrifft ein ganzes System, in dem das organisatorische Miteinander und die Veranwortlichkeiten von Spitaldirektionen, Verwaltungsräten, Ärzten und Paramedizinern nach wie vor nicht zufriedenstellend geklärt sind. Es ist kein Zufall, dass kurz vor Beginn dieses Prozesses ein anderes Gericht am Beispiel der Neurochirurgie im CHL die Frage berührte, welches Weisungs-verhältnis es zwischen Ärzten, Médecins-chef de services und Klinikdirektion gibt. Ebenso wenig zufällig widmet der Wirtschafts- und Sozialrat in seinem vor zwei Wochen vorgestellten Jahresgutachten dem Gesundheitswesen ein eigenes Kapitel und verlangt dort unter anderem „une reponse“ auf organisatorische und Weisungsfragen in den Spitälern (d‘Land, 10.04.2008).
Vielleicht gibt die nächste Regierung diese Antwort. Zum einen fällt der „Hepatitis-Prozess“ mitten in den Wahlkampf. Zum anderen wäre die Antwort im ureigenen Interesse der aktuellen Klinik-Verwaltungsräte, unter denen sich nicht wenige hoch-rangige Politiker befinden. Dass mit der ehemaligen Clinique Sainte-Élisabeth ein Kongregationsspital, das der CSV nahe stand, sich im Rampenlicht befindet, könnte diesen politischen Klärungsprozess durchaus beschleunigen.