Der Graph von Luxemburg sind eigentlich zwei. Von ihnen war die Rede, als Umweltministerin Carole Dieschbourg und Staatssekretär Camille Gira (beide Déi Gréng) am Montag über die Klimaschutz-Lage der Nation referierten. Graph Nummer eins zeigt, dass zwischen 2005 und 2015 die Einwohnerzahl des Landes um 20 Prozent zunahm, während die Treibhausgasemissionen aus dem Brennstoffverbrauch der Haushalte um 15 Prozent sanken. Graph zwei ist zu entnehmen, dass die Emissionen insgesamt schon seit 2013 geringer sind als eine Trajektorie vorschreibt, nach der Luxemburg bis 2020 sein CO2-Aufkommen um ein Fünftel gegenüber dem von 2005 senken soll.
Das sieht natürlich gut aus. Aber Camille Gira verkündete, „die Entkopplung von Bevölkerungswachstum und CO2-Ausstoß“ sei gelungen. Und weil die nationale Emissionsbilanz insgesamt seit 2011 immer besser wird, während Bevölkerung und Wirtschaft zulegen, werde das Wachstum insgesamt vom CO2-Ausstoß entkoppelt.
Solche Sätze sind Polit-Marketing. Als die CSV im Nachhaltigkeitsministerium das Sagen hatte, erzählte sie dieselbe Geschichte; der Graph von Luxemburg zeigt ja schon länger in eine erfreulichere Richtung. Man darf aber nicht vergessen, wo Luxemburg herkommt: 2012, im ersten Jahr der Trendwende, die bis heute anhält, stammten zwei Drittel der Emissionen aus dem Straßentransport und bei genauerer Betrachtung 55 Prozent aus dem Dieselverkauf. Der Brennstoffverbrauch der Haushalte trug nur 9,5 Prozent zur Bilanz bei. Ein Jahr später hatten die Straßentransport-Emissionen zwar um drei Prozent abgenommen. Dennoch lagen sie knapp halb so hoch wie in der ebenfalls reichen, aber mehr als acht Millionen Einwohner zählenden Schweiz. Deshalb lautet, auch wenn die Spritverkäufe Jahr für Jahr abnehmen, die politisch zentrale Frage nach wie vor: Was tun mit dem CO2-Anteil aus diesem Bereich? Der aktuelle Graph von Luxemburg ist dabei nicht so wichtig. Sondern der, der nach der „Lastenteilung“ innerhalb der EU nach dem Pariser Klimagipfel gezeichnet wird. Carole Dieschbourg geht davon aus, vom reichen Großherzogtum könnte verlangt werden, bis 2030 sein Treibhausgasaufkommen um 35 bis 40 Prozent gegenüber 2005 zu senken. Das wären bis zu 70 Prozent weniger Emissionen aus dem Spritgeschäft.
Dass die aktuelle Regierung darauf eine Antwort gibt, wird immer unwahrscheinlicher. In einer Projektion, die sie im Februar an das Uno-Klimasekretariat schickte, steht, der Energieverbrauch im Transport werde zwischen 2015 und 2030 um 28 Prozent wachsen, die Einwohnerzahl um 20 Prozent. Das sieht weder nach „Entkopplung von Emissionen und Wachstum“ aus, noch nach einem Politikansatz.
Und schon im Herbst hatte das Groupement pétrolier vorgerechnet, jede Sprit-Emis-sionssenkung um zehn Prozentpunkte werde die Staatskasse 150 Millionen Euro Akziseneinnahmen kosten. Falls das stimmt, würde schon ein fünfzigprozentiger Einschnitt in den Spritverkauf teurer als die geplante Steuerreform. Die aber ist nun publik, während die „Tanktourismus-Studie“ immer wieder verschoben wird. Absehbar ist deshalb, dass die Regierung nichts unternimmt und sich darauf verlässt, dass die im Ausland eingetretenen Akzisen-Konstellationen, vor allem zwischen den Niederlanden und Belgien für LKW-Diesel, Luxemburg weiterhin ein wenig unattraktiver als Tank-Des-tination machen. Und darauf, dass in der politisch zerstrittenen EU die Entscheidung über die Lastenteilung nach dem Pariser Klimagipfel sich hinziehen wird. Dazu passt, dass Premier Xavier Bettel (DP) in seiner Erklärung zur Lage der Nation der Klimaschutzpolitik einen einzigen Satz widmete. Wenn es drauf ankommt, haben Déi Gréng, die in der Opposition noch riefen: „Raus aus dem Tanktourismus!“, in der Koalition nicht viel zu sagen. Dann beginnen sie sich ein entkoppeltes Wachstum vorzustellen.