Fotografie

Bilder über Bilder

Le #Mao de Leonora Bisagno et Bruno Baltzer chez Arendt
Photo: Boris Loder
d'Lëtzebuerger Land du 06.04.2018

Die meisten Fotografien der insgesamt elf Künstler, die im Eingangsbereich des Arendt House ausgestellt sind, sind unter Acrylglas veredelt, in dem sich an sonnigen Tagen das Geschehen auf dem Boulevard Kennedy wiederspiegelt; Bilder, die sich über Bilder legen. Betrachtet man die Fotografien der Ausstellung An Image is an image is an image eingehend, bemerkt man, dass Motive sich wiederholen, auf demselben Bild ineinander übergehen, dass Motive zitiert oder schlicht abfotografiert dargestellt werden.

In Anlehnung an Gertrude Steins Vers „Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose“ widmet sich die von Paul di Felice kuratierte Ausstellung den verschiedenen Formen der Appropriation, also der Reproduktion eines bestehenden Werks eines anderen Künstlers. Damit ist kein blindes Kopieren gemeint; die Künstler suchen eine konzeptionelle Auseinandersetzung mit dem Original.

So findet sich etwa der dekonstruierende Rückgriff auf die Filmkunst im Werk Autre Chose des portugiesisch-luxemburgischen Künstlers Marco Godinho, das auf eine Szene aus Safaa Fathys Besides Derrida zurückgreift. Mit Sequence of a forgotten moment liefert Godinho dem Betrachter in der ausgefallenen Form eines Wackelbilds einen landschaftlichen Interpretationsspielraum entlang der Wellenbewegung des Atlantischen Ozeans gegen das portugiesische Festland.

Das ungarische Künstlerduo Little Warsaw greift im Werk The body of Nefertiti auf die Kunst des Altertums zurück: Zu der historischen Büste wird der dazugehörige Körper geliefert. Somit gelingt dem Projekt durch den formschlüssigen Übergang zwischen musealem Artefakt und zeitgenössischer Kunst ein außergewöhnlicher Brückenschlag.

Die Luxemburgerinnen Elisabeth und Carine Krecké zeigen mit States of emergency Appropriationen ihrer eigenen Bilder, die sie in der Pariser Metro aufgenommen und anschließend mithilfe unterschiedlicher Prozesse soweit verfremdet haben, dass die gehetzten Berufspendler zwar noch zu erkennen sind, jedoch auf eine Handvoll Tonabstufungen reduziert werden. Gleich der Wahrnehmung in einem Alarmzustand fokussiert sich der Blick auf wesentliche Muster und Schemen, während Details verschwinden.

Dem Monumentalen zugewandt ist die Serie Famous people have no stories von ­David Brognon und Stéphanie Rollin, die Hände der Statuen von Philosophen, Schriftstellern und anderen Berühmtheiten fotografisch dekontextualisiert und somit eine Art Index bildet. Das klassische Motiv der Hand verweist, hier über den Umweg des Denkmals, auf das tatsächliche Wirken der repräsentierten Person.

Mit dem 83-jährigen Holger Trülzsch wird die Ausstellung dem Anspruch gerecht, eine generationenübergreifende Zusammenstellung zu zeigen. Für seine Serie Fließende Landschaften ließ Trülzsch, in den 60-ern Teil der Situationistischen Internationalen, flüssige Farbe über Kunststoffplanen laufen. Die kräftigen Farben in Kombination mit der Topographie der Planen erwecken den Eindruck eines expressionistischen Gemäldes. Mit diesem Verfahren verweist Trülzsch auf den handwerklichen Aspekt klassischer Landschaftsmalerei und kombiniert diesen mit der Arbeitstechnik der Fotografie zu erstaunlich abstrakten Werken. Neben diesen wuchtigen Aufnahmen sind auch einige seiner Oxidationen aus der Phase seiner produktiven Symbiose mit der Künstlerin Veruschka zu sehen.

Eine ästhetisch-motivische Aneignung hingegen liefert die Luxemburger Fotografin Anna Krieps, die in Cosmic dreams ihre Schwester Vicky im Kosmonautenanzug inszeniert. Subtil und mit durchaus ironischen Anklängen besteht hier die Aneignung im ikonischen Bild des Kosmonauten als Volksheld einerseits und der Relation zwischen dem Raumfahrer als individueller Traumrolle und dem Kosmos als kollektivem Traumziel andererseits.

Ebenfalls ikonisch und gleichsam metatextuell wird es in der scheinbar repetitiven Arbeit von Leonora Bisango und Bruno Baltzer, die mit #Mao das bekannte Porträt des Revolutionärs in unterschiedlichen Qualitätsstufen, von verpixelt bis unscharf, darstellen. Tatsächlich handelt es sich bei der hintergründigen Arbeit um abfotografierte Handydisplays von Touristen, die das weltbekannte Fresko eingefangen haben. Somit liegt in diesem Werk des Künstlerpaars, das sich mit Macht und deren Repräsentation beschäftigt, eine vielschichtige Form der Appropriation vor, die zudem eine politische Dimension annimmt. Entstanden sind die Bilder während einer Künstlerresidenz in China.

Die Ausstellung wird dem erklärten Anspruch gerecht, auf hohem Niveau einen inhaltlich und methodisch breit gefächerten Einblick in verschiedene Ausprägungen der Appropriation zu geben.

An Image is an image is an image. Bei Arendt & Medernach. Samstags, sonntags und feiertags von 9-18 Uhr. Weitere Informationen: www.arendt.com

Boris Loder
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