In Deutschland werden nächstes Jahr die meisten privaten Krankenversicherungen teurer. Zwei Drittel der 8,7 Millionen privat Vollversicherten müssen sich auf im Schnitt um 18 Prozent erhöhte Prämien gefasst machen. Manche sogar auf 30 Prozent.
Mit Luxemburg hat das zunächst nichts zu tun. Es betrifft auch jene Leute nicht, die sich in Trier privat behandeln lassen: Die Gebührenordnung der Privatmedizin ist in Deutschland seit 1996 fast unverändert. Aber dass die Prämien steigen sollen, wird auf die Inflation zurückgeführt, auf mehr Aufwand und höhere Personalkosten in den Kliniken sowie darauf, dass neue Therapien, Medikamente und Diagnosetechniken oft sehr teuer sind. Das liest sich von hier aus vertraut. CNS-Präsident Christian Oberlé hatte schon vor zwei Jahren in einem Land-Interview erklärt, „ein Katalog von Sparmaßnahmen“ müsse her. Die Ausgaben der Krankenversicherung nähmen seit 2018 schneller zu als die Einnahmen (d’Land, 2.9.2022). Im Sommer 2022 schätzte die CNS, die Reserve der Krankenversicherung könnte 2025 oder 2026 unter das gesetzlich vorgeschriebene Minimum fallen. Deshalb der Katalog von Sparmaßnahmen. Oder ein Paket wie in der Gesundheitsreform von 2010, mit dem auf die Auswirkungen der Finanzkrise reagiert wurde: An den Arzthonoraren wurde geschraubt, die Tarife der Privatlabors wurden gekürzt, den Spitälern wurde ein Globalbudget auferlegt. Die Selbstbeteiligungen der Versicherten wurden erhöht, der Beitragssatz für Gesundheitsleistungen stieg von zwei Mal 2,7 Prozent auf zwei Mal 2,8 Prozent auf ein Bruttogehalt.
Wie die Lage nun ist, wird zur Diskussion stehen, wenn Anfang November die Krankenkassen-Quadripartite zusammentritt. Vermutlich ist die Lage nicht gut. Nach den Kammerwahlen hatte die Generalinspektion der Sozialversicherung in einer Note an formateur Luc Frieden den kritischen Moment auf 2027 veranschlagt. Doch da ging sie davon aus, dass die Beschäftigung – wegen der Beitragszahler ein wichtiger Teil der Rechnung – im Jahresschnitt bis 2027 um 2,3 Prozent wüchse. Seien es 0,5 Prozentpunkte weniger, fiele die Reserve der CNS schon 2026 unters Limit. Weil das Statec in seinen jüngsten Projektionen nur 0,9 Prozent Beschäftigungszuwachs für dieses Jahr, 1,5 Prozent für 2025 und 2,1 Prozent bis 2028 berechnete, kann man nicht ausschließen, dass nächstes Jahr eingegriffen werden muss, damit das 2026 seine Wirkung entfaltet.
Dabei hatten CSV und DP im Wahlkampf alles andere als Sparen versprochen. Sondern einen Ausbau der Versorgung: Ärztehäuser, Ärztegesellschaften, die „Befreiung der Privatinitiative“ von den Zwängen einer „sozialistischen Planwirtschaft“. IRM à gogo, damit niemand mehr nach Trier fahren muss. Doch wer die Versorgung, die schon jetzt nicht schlecht ist, auf ein Niveau heben will, das mit der deutschen Privatmedizin konkurrieren kann, muss erklären, wie das bezahlt werden soll. Ohne Privatversicherungen, deren Prämien mal eben um 18 Prozent steigen.
Es ist kein Zufall, dass Gesundheits- und Sozialministerin Martine Deprez (CSV), seit sie im Amt ist, keine Versprechen gemacht hat. Außer für mehr Prävention, aber schon die wird kosten. Ab November wird die Ministerin sagen müssen, was möglich sein soll, ob gespart werden muss oder was sonst werden soll. Sie wird dann die erste Runde der „breiten Konsultation“ über die Renten hinter sich haben. Vielleicht finden Martine Deprez und die Regierung anschließend, dass die Santé das dringendere Problem darstellt. In der Rentenreserve liegen 27 Milliarden Euro. Bei konstanter Politik sollen sie in den 2040-er Jahren aufgezehrt sein. Die Reserve der Krankenversicherung ist ein fonds de roulement, mit dem die CNS auf Fluktuationen innerhalb eines Jahres reagieren kann, mehr nicht.
Und natürlich wäre eine Gesundheitsreform, die zum einen rationalisiert, zum anderen ausbaut, politisch anspruchsvoll. Der Ärzteverband wird Forderungen erheben, der OGBL Gehälter laut Kollektivvertrag verteidigen, die UEL „Die Lohnnebenkosten!“ rufen, falls von Beitragserhöhungen die Rede ist. Schon die Erhöhung um zwei Mal einen Promillepunkt 2010 war nicht leicht durchzusetzen. Am Ende könnte die Frage stehen, wie weit der Perimeter der Sécu reichen soll, was die Krankenversicherung angeht. Dass das Gesundheitssystem „solidarisch“ bleiben werde, steht im Koalitionsvertrag der Regierung nicht.