Krankenversicherung

Das gute Bezahlsystem

d'Lëtzebuerger Land du 06.09.2024

An Bus- um Tramhaltestellen in der Hauptstadt macht die CNS Werbung für PID, das Paiement immédiat direct: „Zéro avance de frais, la CNS s’occupe de tout!“ Und: Alles sei „à portée de clics“.

So einfach ist es aber nicht, was auch kaum verwundert. In Luxemburg ist das „Selbstzahlerprinzip“ die Regel, vor allem zur Begleichung von Arztrechnungen. Eigentlich ein Stück Privatmedizin und bei teuren Behandlungen nicht von jedem auszuhalten. Zumal wenn die Rückerstattung des Kassenanteils durch die CNS sechs bis acht Wochen dauert. PID ist der Versuch, den Ärzt/innen den Komfort der Selbstzahler zu erhalten, gleichzeitig den Patient/innen entgegenzukommen, als gälte überall der Tiers payant, bei dem eine Krankenkasse sich tatsächlich um alles kümmert. Drittens soll PID die CNS entlasten. Denn mit PID geht alles elektronisch und ganz schnell.

Doch wie 100,7 am Montag meldete, machen mittlerweile zwar 392 Ärzt/innen beim PID mit, während es Ende Mai 111 waren. Bis zu allen 2 213 Mediziner/innen mit „activité significative“ (Stand 2022) ist aber noch ein Weg zu gehen. Die CNS hofft, dass durch ihre Kampagne Patient/innen Druck auf die Ärzt/innen machen, PID zu nutzen. Was eine Ergänzung der Praxis-Software erfordert, und bei Mediziner/innen, die keine haben, die Anschaffung so einer Software. Hinzu kommt, dass die Ärzt/innen akzeptieren müssten, dass die Rechnungen „transparent“ werden.

Noch sind sie es auch mit PID nicht immer. Dabei war das so gedacht, als die CNS und die Agentur eSanté 2019 begannen, einen „Regelmotor“ zu entwickeln. Der würde im Hintergrund jeden Posten überprüfen, den Ärzt/innen in Rechnung stellen. Nachschauen, ob das den Tarifen der Gebührenordnung entspricht, sowie den Vorschriften, welche Tarife miteinander kombiniert werden dürfen. Wie viel die Krankenversicherung rückerstattet, würde der Regelmotor ebenfalls ausrechnen. Und angeben, ob eine Leistung aus eigener Tasche bezahlt werden muss. Am Ende erhielte der Patient eine Rechnung, der er zustimmen müsste, um die digitale Transaktion per Knopfdruck auf dem Handy auszulösen. Im PID heute versieht im Hintergrund der Regelmotor seine Arbeit. Doch die detaillierte Rechnung gibt nicht jeder Arzt von sich aus heraus; Land-Informationen zufolge tun viele das erst auf Nachfrage, obwohl eine Konvention zwischen CNS und Ärzteverband AMMD das anders vorsieht. PID ändert offenbar nichts an der unterlegenen Position des Patienten. Jedenfalls nicht immer, oder noch nicht.

Dafür scheint es einerseits technische Gründe zu geben: In einen digitalen Ablauf eingebunden ist der „Accord“ des Patienten generell noch nicht. Die Rechnung wird ausgedruckt, wie gehabt, anschließend zückt der Patient seine Geldkarte. Wie die Digitalisierung genau vonnstatten gehen soll, per App oder auch auf andere Weise, weil nicht jeder ein Smartphone hat, diskutiert die CNS noch.

Wie Transparenz hergestellt werden soll, ist in einem System mit Selbstzahler für alle aber auch eine politische Frage. Bei den Mediziner-Fachgesellschaften sorgt in anscheinend unterschiedlichem Maße die Aussicht für Begeisterung, dass die Patient/innen alles vorab sehen und dann ihr Okay zur Rechnung geben sollen. Denn sie enthält ja ein „ob“.

Der andere Punkt der Transparenz betrifft den Vermerk von Leistungen auf der Rechnung, für welche die Krankenversicherung nicht aufkommt. Wie das, was manche Ärzt/innen heute als convenances personnelles ausgeben, in Wirklichkeit vielleicht aber eine Behandlung mit Akupunktur betrifft, die keine Kassenleistung ist. So etwas in die neuen Rechnungen zu integrieren, wäre eine Innovation, die schnell in die Diskussion führen könnte, wie weit der Perimeter der CNS eigentlich reicht. Bemerkenswerterweise ist heute nicht mal mehr der OGBL gegen so viel Privatleistungen auf den Rechnungen – vor zehn Jahren wäre das für ihn noch dem Einstieg in eine Zwei-Klassen-Versorgung gleichgekommen.

Heute dagegen sieht es eher so aus, als könne ein richtig breit genutztes PID und Transparenz auf den Rechnungen in eine gesellschaftliche Diskussion mit offenem Ausgang münden: 2017 erhielt eine Petition die Mehrheit, die den Tiers payant verlangte wegen der langen Rückzahlungsfristen der CNS. Die nächste Petition verlangt vielleicht den Ausbau der Leistungen der Krankenkasse.

Peter Feist
© 2024 d’Lëtzebuerger Land