Dieses Jahr feierte Luxemburg das zehnjährige Jubiläum der Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe, ein Meilenstein für die Anerkennung der queeren Gemeinschaft. Seitdem stagnierte die rechtliche Entwicklung jedoch. So sehr sogar, dass Luxemburg in nur wenigen Jahren vom 3. auf den 10. Platz auf der Rainbow Map der International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (ILGA) abgerutscht ist. Kann der überarbeitete nationale LGBTIQ+ Aktionsplan das ändern?
Nicht weniger als 147 Aktionen sieht der überarbeitete nationale Aktionsplan zur Förderung der Rechte von LGBTIQ+-Personen vor. Die Vereine Rosa Lëtzebuerg und Trans & Intersex Luxembourg begrüßten vor allem das geplante Verbot von Konversionstherapien. Es handelt sich hierbei um Maßnahmen, die zum Ziel haben, die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität eines Menschen zu unterdrücken oder zu verändern. Auch soll ein neutraler Geschlechtseintrag in Ausweisdokumente nicht-binärer Personen ermöglicht werden und in Dokumenten soll nur dann ein Geschlecht angegeben werden, wenn es auch relevant ist. Für Regenbogenfamilien gibt es rechtliche Fortschritte: Gleichgeschlechtliche Eltern sollen künftig beide als offizielle Elternteile anerkannt werden, auch bei Kindern, die durch medizinisch unterstützte Fortpflanzung oder durch Leihmutterschaft im Ausland geboren wurden.
Die NGO Trans & Intersex Luxembourg begrüsst diese Maßnahmen, das „starke Engagement der Regierung“ und die „die Zusammenarbeit zahlreicher Ministerien.“ Doch Trans & Intersex Luxembourg genau wie Rosa Lëtzebuerg sehen in dem neuen Aktionsplan zwei große Versäumnisse.
Transmenschen sind nach wie vor immer noch auf ein psychiatrisches Gutachten angewiesen, um Zugang zu Gesundheitsleistungen wie Hormonbehandlungen und Chirurgische Eingriffe zu erhalten. Es werde weiterhin an Bedingungen festgehalten, „die der Selbstbestimmung widersprechen,“ so heißt es von Rosa Lëtzebuerg. Trans & Intersex Luxembourg erinnert, dass dieses psychiatrische Gutachten keine medizinische Grundlage hat, und dass die meisten betroffenen Person keine psychischen Erkrankungen haben und deswegen auch keine psychiatrische Behandlung benötigen. Außerdem gäbe es in Luxemburg bereits einen Mangel an Psychiater:innen für Menschen, die wirklich auf diese Hilfe angewiesen sind.
Hinzu kommt, dass ein psychiatrisches Gutachten manchmal ein langwieriger, oft belastender und erniedrigender Prozess ist, da trans Menschen dabei häufig sehr intime Fragen über sich ergehen lassen müssen.
„Wir hören abstruse Sachen, dass die Leute Stereotypen erfüllen müssen“, so Dr Erik Schneider, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Sprecher von Intersex & Transgender Luxembourg. Er erinnert sich an einen Trans-Mann, dessen Arzt sich über seine sexuelle Orientation erkundigte. Als er sagte, er stehe auf Männer, fragte ihn der Arzt, auf welchen Typ Mann er denn stehe. Der Trans-Mann nannte ein paar bekannte Schauspieler. Da es sich um cis-hetero Männer handelte, schloss der Arzt daraus, dass der Trans-Mann dann ja dann eigentlich doch eine Frau sein wollte. Das, obwohl sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität ja unterschiedliche Konzepte sind. „Das ist noch nicht überall angekommen,“ bedauert Erik Schneider. „In den Schulen lernen unsere Kinder und Jugendliche, wir sollen bitte von den Stereotypen wegkommen. Aber in der Psychiatrie müssen sie die bitte übererfüllen, vor allem wenn sie trans sind,“ so Dr Erik Schneider.
Dies sei auch eine schwierige Hürde für nicht binäre Personen. „Sie müssen sich entweder selbst verleugnen oder sich gegenüber den Ärzten verstellen und lügen.“ Er nennt als Beispiel eine nicht binäre Person, der bei der Geburt das weibliche Geschlecht zugewiesen wurde, und die eine kleine Dosis Testosteron nehmen möchte, um eine tiefere Stimme zu bekommen, sich aber keinen Bartwuchs wünscht. „Wenn diese Person das so offen und transparent sagen würde, würde sie nie eine Bescheinigung kriegen,“ so Schneider. Denn sie entspreche dann nicht den gängigen Stereotypen einer Transperson.
Für manche Menschen sei der Prozess des Gutachtens so belastend und demütigend, dass sie hinterher psychologische Unterstützung in Anspruch nehmen müssen. Der Staat zahle also für die Behandlung gesunder Menschen, die dann nachher wieder aufgefangen werden müssen. „Warum hält Luxemburg an dieser Rückständigkeit fest?“ fragt Dr Erik Schneider.
Yuriko Backes kündigte nach der Veröffentlichung LGBTQIA+ Plan an, dass eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Gesundheitsministerin Martine Deprez über dieses Thema diskutieren werde. In Irland, Dänemark, Portugal und auch in Deutschland wurden jedoch bereits Selbstbestimmungsgesetze eingeführt.
Eine weitere Priorität von Rosa Lëtzebuerg und Trans & Intersex Luxembourg war das Verbot geschlechtsverändernder Operationen an intersexuellen Kindern, also Kinder die mit einer Kombination männlicher und weiblicher biologischer Geschlechtsmerkmale geboren wurden. Dieses Verbot wurde nicht im überarbeiteten Aktionsplan festgehalten. Man wolle erstmal rechtliche Rahmenbedingungen anderer EU-Länder analysieren und auch hier eine Arbeitsgruppe einrichten.
Laut einer Studie der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) von 2023, die auch im LGBTIQ+ Aktionsplan erwähnt wird, werden queere Menschen in Luxemburg immer noch diskriminiert und sogar angegriffen. Die Hälfte der Befragten gaben an, im Jahr vor der Studie belästigt worden zu sein. In den Schulen sind die Zahlen noch erschreckender: 68% aller Befragten geben an, dort Mobbing, Spott, Hänseleien, Beleidigungen oder Drohungen ausgesetzt gewesen zu sein. Es kommt dazu, dass queere Menschen aus Angst ihr Verhalten verändern: laut der Studie vermeiden 48% „oft oder immer das Händchenhalten mit ihrem gleichgeschlechtlichen Partner.“
Diese Realität ist nach wie vor eine Belastung für queere Menschen, das findet auch Erik Schneider. Doch trans und nicht-binäre Menschen leiden sehr unter den systemischen Hindernissen, die ihnen in den Weg gelegt werden, so Schneider. „Der Hate Speech wird sehr in den Vordergrund gestellt, und in meinen Augen ist da so eine ungleiche Gewichtung gegenüber den Belastungen, die die Psychiatrie bewirkt.“
Den Rückstand im Ilga-Ranking wird Luxemburg sobald nicht vollständig aufholen, dafür fehlt es schlicht an gesetzlichen Schritten. Über verschiedene Anliegen werde nun schon seit einem Jahrzehnt in Arbeitsgruppen diskutiert, es wäre „an der Zeit, dass auf Analyse und Diskussion endlich verbindliches politisches Handeln folgt“, so Rosa Lëtzebuerg.
In der westlichen Welt geraten LGBTIQ+ Rechte wieder zunehmend unter Druck. Rechte von trans und nicht-binären Menschen werden in den USA, aber auch in Ungarn und Großbritannien abgebaut. Luxemburg ist von diesem Rechtsruck nicht verschont. Gerade jetzt wären konkrete Maßnahmen ein wichtiges Signal: Sie würden queeren Menschen Schutz bieten und zugleich ein internationales Zeichen für Menschenrechte setzen.