Arbeitslosigkeit

Alles versucht

d'Lëtzebuerger Land du 31.01.2014

Während der Kabinettsitzung am vergangenen Freitag diskutierte die Regierung über die Arbeitslosigkeit. Nach der Sitzung wiederholte Arbeitsminister Nicolas Schmit (LSAP) an der Seite von Premier Xavier Bettel (DP) zufrieden die Power­point-Vorführung der Arbeitsamtsdirektorin. Zu Beginn seiner Vorstellung kündigte Schmit noch „ein neues Aktionsprogramm“ an, doch am Ende präzisierte er: „Die Sachen sind schon im Gange“, die Maßnahmen seien schon während der vorigen Legislatur­periode begonnen worden. Entschuldigend zitierte er den ehemaligen französischen Präsidenten François Mitterrand, der 1993 in einem Fernsehinterview geseufzt hatte: „En matière de lutte contre le chômage, on a tout essayé...“

Tatsächlich wurde auch hierzulande schon so viel versucht, dass die neue Regierung trotz der bescheidenen Erfolge vor allem weiter machen will wie bisher und die nächsten vier Jahre lang vor allem an den „Schräubchen drehen“ will, von denen der ehemalige Sozialminister Mars Di Bartolomeo (LSAP) so gerne sprach. Unter den zahlreichen Beschäftigungsmaßnahmen, Fortbildungsangeboten und Zuschüssen soll weiter aufgeräumt werden, weil sie noch aus den legendären Zeiten der Haushaltsmehreinnahmen stammen, als Geld keine Rolle spielte, um den Anstieg der Arbeitslosenquote zu bremsen. Gleichzeitig soll ein Teil dieser Maßnahmen ab Juni zu der Beschäftigungsgarantie für Jugendliche vereint werden. Die öffentlichen Unternehmen, deren Investitionen LSAP-Spitzenkandidat Etienne Schneider schon vor einem Jahr zu einem „Marshall-Plan“ addiert hatte, sollen nun mehr Arbeitslose aufnehmen. Schließlich waren die erfolgreichsten Beschäftigungsmaßnahmen der vergangenen Jahrzehnte die Einführung der Pflegeversicherung und der Chèques services, und die beiden Branchen, die vergangenes Jahr am meisten neue Arbeitsplätze schufen, waren nicht Finanzen, IT oder Leiharbeit, sondern Gesundheit und Soziales sowie öffentlicher Dienst und Bildung.

Die Beschäftigungspolitik der vergangenen Jahre war nicht immer glücklich. Die Zahl der Arbeitslosen wurde dadurch in die Höhe getrieben, dass seit 2002 versucht wird, die Ausgaben für Vorruhestandsregelungen und Invalidenrenten zu senken, so dass Tausende von Teil-Arbeitsunfähigen auf den Arbeitsmarkt gedrängt wurden, wo es keine Nachfrage für ihre niedrigere Produktivität gibt. Sozialminister Romain Schneider (LSAP) legte nun am Freitag einen Gesetzentwurf vor, um ihre ärztliche Kontrolle zu verstärken. Als Folge der neuen staatlichen Haushaltspolitik waren die gewerkschaftsnahen Beschäftigungsinitiativen in den Konkurs entlassen worden. Von ihnen war am Freitag ebenso wenig noch die Rede wie von einer geplanten Senkung des RMG oder der von der Fedil geforderten Flexibilisierung des Arbeitsrechts.

Um zu zeigen, wie ernst es der Regierung ist, betonte Xavier Bettel, dass die Direktorin des Arbeitsamts alle paar Monate dem Ministerrat Rede und Antwort stehen wird. Denn auch die neue Regierung hat den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit zu ihrer Priorität erklärt. Welche würde sich schon trauen, dies nicht zu tun? Wie ihre Vorgängerinnen reicht sie aber ihre Verantwortung an das angebliche Paradox weiter, dass die Arbeitslosigkeit nicht sinke, obwohl die Zahl der Arbeitsplätze steige. Doch dass der Luxemburger Arbeitsmarkt mit seinem höheren Lohnniveau einen Anziehungspol für das große und damit vielfältiger qualifizierte Arbeitslosenreservoir der Großregion bildet, ist das Eine. Das Andere ist, die Schlussfolgerung daraus zu ziehen, dass die Arbeitslosigkeit dadurch das individuelle Problem oder gar die Schuld der einheimischen Arbeitslosen geworden ist, deren Wettbewerbsmangel einzeln therapiert werden soll. Daran kann auch das von allen Seiten überforderte und deshalb regelmäßig reformierte und umgetaufte Arbeitsamt nur wenig ändern.

Romain Hilgert
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