Luxemburgensia

Per ICE durch die Galaxis

d'Lëtzebuerger Land du 18.01.2013

Vielleicht gibt es sie: Kinder, die den neuen Lesestoff, den ihnen das Christkind und pflichtbewusste Eltern vor nun fast einem Monat zugedacht haben, bereits gänzlich aufgebraucht haben und nun wieder gelangweilt zum Gameboy – oder wie die Höllenmaschinen zurzeit auch heißen mögen – greifen wollen. Einmal angenommen, sie existieren und lassen sich von unrettbar altmodischen Medien wie CDs und handfesten Büchern nicht abschrecken, in denen – huch! – mehr Text als Illustration zu finden ist, so könnten solche Kinder für Darek Kurowskis „Kosmosical“ den CD-Player der Eltern vom Hausstaub befreien und es sich in einer besonders gründlich weichgesessenen Ecke des Sofas mit Kosmockel gemütlich machen. Falls das passiert, sollten sich ihre Eltern freuen, denn das Buch mit Begleit-Album (das sogar Playback-Versionen der Lieder enthält), in dem am Ende ausdrücklich zum Mittanzen aufgefordert wird, spricht Leser und Zuhörer auf mehreren Ebenen an und ist damit aus pädagogischer Sicht von vornherein ein Treffer.
Aber auch die Geschichte verbindet verschiedene Dimensionen: Durch das Kinderzimmer der Zwillingsschwestern Anaïs und Lilli Blondetti braust eines Abends eine Art Hogwarts Express aus dem Weltall, ein intergalaktischer Zug, aus dem ein Außerirdischer – man möchte sagen: wie aus dem Buche – steigt: grün, mit Antenne auf dem Kopf und fiepender Stimme. Ansonsten hat der außerirdische Tourist eine durchaus menschenähnliche Physiognomie, wenn er auch etwas rundlich um die Leibesmitte ist. Sein dicker Bauch bringt dem Fremden, der zum Glück in Sekundenschnelle Luxemburgisch lernt, den Namen „Kosmockel“ (aus „Kosmos“ und „mockeleg“) ein. Er muss auf seinem Heimatplaneten einen Aufsatz über einen unerforschten Planeten schreiben und hat sich ausgerechnet die Erde dazu ausgesucht.
Eine Dimension für Eltern, die das Buch mit ihren Kindern zusammen lesen wollen, ist auch gleich mit eingebaut: Nicht nur, dass Kosmockel hin und wieder auf die Metaebene, nämlich Richtung Leser, linst, der Autor platziert auch Witze eigens für die Großen (zum Beispiel „Dobausse lauden Kiercheklacken an nerven atheistesch Spatzen“), die unverstanden über Kinderköpfer hinwegfliegen dürfen, ohne dass das für das Verständnis der Geschichte größeren Schaden anrichtet.
Ein Alien im Kinderzimmer? Was soll die Mutter dazu sagen? Beim Anblick des unerwarteten Gasts bleibt die alleinerziehende Madame Blondetti ganz lässig. Sogar die kratzbürstige Nachbarin, Madame Braddelmann (sehr amüsant gesungen von Thorunn Egilsdottir), kann ihrer Coolness nichts anhaben. Eine Mutti wie aus den kühnsten Kinderträumen ist sie aber nicht: Kosmockel hat die nützliche Gabe, mit einer unauffälligen Handbewegung „Gutheit“ an beliebige Wesen zu verteilen, was im Fall der Mutter bedeutet: den Gast einfach freundlich aufzunehmen. Als Madame Braddelmann Kosmockel bei der Polizei verpfeift und der Alien unter Androhung von Freiheitsberaubung mit seinen neuen Freundinnen in die Schule muss, erweist sich die Gutheits-Gabe als rettend. Nicht genug damit, dass der Lehrer, eine diabolische Version von Groucho Marx, seine Klasse mit unverständlichen Fragestellungen und willkürlicher Benotung schikaniert: Auch ein paar Kinder hänseln und piesacken den neuen Mitschüler aus dem All. In dieser kleinen Vorhölle hat Kosmockel einiges zu tun, bis sich die Gutheit in Form allgemeiner Tanz- und Gesangseinlagen ausbreitet.
Kurowskis Kosmockel liefert den Beweis dafür, dass Veröffentlichungen im Selbstverlag nicht automatisch mit dilettantischem Gewurstel gleichzusetzen sind: Sowohl Buch als auch Begleit-CD bestechen durch ihre professionelle und bis ins Detail durchdachte Aufmachung. Das gilt erstens für die Illustration des Bandes, die nicht nur auf eine reine Abbildung der Geschichte setzt. Überall im Buch können die jungen Leser kleine Aliens entdecken, die Instrumente ausprobieren, das Kinderzimmer der Blondetti-Mädchen inspizieren oder die Schule erkunden. Auch für die CD hat sich Kurowski Hilfe von kompetenter Seite geholt, unter anderem von Daniel Balthasar und Serge Tonnar. Eltern wird freuen, dass die Songs nicht so quietschig und überdreht ausfallen, wie das bei Kinder-CDs häufig der Fall ist. Die fehlende Nervigkeit hat höchstens die Kehrseite, dass die Songs insgesamt nicht besonders eingängig und griffig ausfallen. Kosmockel hat vielleicht nicht das Zeug zum neuen Klassiker, gehört aber dennoch in unserem Teil der Galaxis zu den empfehlenswerteren luxemburgischen Kinderbüchern.

Darek Kurowski (Text a Musek); Mirco Brüchler (Illustratiounen): Kosmockel. Kosmosical fir Kanner an déi, déi et wëlle ginn. Verlag Darek Kurowski, Luxemburg, 2012; weitere Informationen unter: www.darekkurowski.com.
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