Der Titel seines neuen Werks steht vielleicht mehr als irgendein anderer Ken Loach-Film am treffendsten für den mittlerweile 87 Jahre alten britischen Filmemacher. Loachs Schaffen reicht weit zurück, die Wurzeln seines Kinos gehen auf seinen Erstlingsfilm Kes (1969) zurück, der Film, der noch die British New Wave mitgestaltete. Mit The Old Oak nun führt der Veteran des britischen sozialrealistischen Kinos, in enger Zusammenarbeit mit seinem Drehbuchautor Paul Laverty, seine linksgerichtete Agenda fort: tief in der Tradition dieser britischen Filmströmung der Sechzigerjahre verwurzelt, standhaft und resolut. Ein Pub in einem ehemaligen Grubendorf bei Durham im Nordosten Englands dient ihm als Dreh- und Angelpunkt für seine neue Erzählung, die immer noch auf sozialrealistische Weise, aber weniger determiniert, die Perspektive der Proletarier fokussiert. TJ Ballantyne (Dave Turner) ist der Besitzer des „Old Oak“, dem nach der Ankunft syrischer Flüchtlinge, die ohne Vorwarnung im Dorf untergebracht wurden, die Schließung droht. Bald trifft TJ auf die junge Syrerin Yara (Elba Mari), die sich als Fotografin versucht. Zwischen den beiden entwickelt sich eine Freundschaft, die jedoch die Missgunst der Stammbesucher der Kneipe nach sich zieht...
Die Misere der Arbeiterklasse, die nun auch ihre Identität in Gefahr glaubt, geht auf kulturell-ethnische Problemfelder über. Die Ängste und Sorgen der kleinen Leute inmitten einer sich verändernden Lebenswirklichkeit nimmt Loach wohl ernst, die von Wohnungsknappheit und Flüchtlingsbewegungen geprägt ist, ohne diese aber einseitig zu vertreten. Je größer das gesellschaftliche Elend, so Loach, desto größer auch deren Offenheit für antisemitisches Gedankengut. Was in diesem Kontext auffällt ist der etwas betuliche, paternalistische Blick Loachs auf den Arbeiter, den er gegen die Zuwanderer ausspielt, um sein Konfliktpotenzial zu beziehen. Die Immigranten sind es denn auch, die etwas klischeehaft über ihre Kultur die Einsicht und den Umschwung des weißen, verbitterten Mannes bewirken. Die Annäherung vollzieht sich über die Kulinarik, Loach besingt da den interkulturellen Dialog über die gemeinsamen Speisen, die er auf den Arbeiterstreik von 1984 rückschließt. „When we eat together we stick together“ heißt es. Dieser Zusammenschluss wird dann noch um die Idee der Resilienz durch den Glauben und die Kirche als Ort der Hoffnung erweitert. Es ist wegen dieser Schwerpunktsetzung auf das Verständigungsangebot der Kulturen, dass nach I, Daniel Blake (2016) und Sorry We Missed You (2019), die unerbittliche, stringente Systemkritik in The Old Oak allenfalls noch beiläufig mitgeführt wird. Deshalb auch wirkt der Film in seinen Konfliktlinien weicher gezeichnet, es ist ein Film des süßeren Sozialrealismus, unter manchen Aspekten wirkt er sogar mehr dem New British Cinema der Neunzigerjahre verbunden. Es überwiegt nun unzweifelhaft Loachs Sinn für die larmoyante Überredung zum großen Gefühl angesichts der Verzweiflung, die sich kontrastiv zu den Vorgängerfilmen auch in der Formsprache äußert: Der Hang zu einem klassischeren, dramatischen Inszenierungsstil wird besonders in den Passagen deutlich, wo sich emotionale Filmmusik einschleicht, für Loach eher ungewöhnlich. Und es mutet seit Charlie Chaplin wie eine Konstante des gefühlsbetonten proletarischen Kinos an, dass dem Helden ein Hund beigestellt wird – das gilt auch für Fallende Blätter, der neue Film des finnischen Regisseurs Aki Kaurismäki. Ganz in dieser filmhistorischen Linie verkörpern sie die schweigsame Menschenliebe, die sich durch alle diese Filme zieht. Hunde bleiben bei den Unterprivilegierten und wissen oft mehr als die Menschen, ja sie erahnen das Unglück, bevor es geschieht. So auch hier, indes tränkt Loach die Schicksalsverbundenheit zwischen Mensch und Tier in eine allumfassende Sentimentalität, die Kaurismäki so nicht betreibt. Loach schildert all dies zwar wie gewohnt einfach und sparsam in der Form, ohne aber die Dringlichkeit der Vorgängerfilme anzustreben.