Droht der Handelskrieg?

Krieger und Händler

d'Lëtzebuerger Land du 16.03.2018

Kaum ist die neue Bundesregierung im Amt, wird sie sich in erster Linie um ein Thema kümmern müssen: dem drohenden Handelskrieg mit den Vereinigten Staaten unter der Administration Trump. Für die Exportnation Deutschland, die vom Welthandel wie kaum ein anderes Land abhängt und profitiert, geht es um die Wahrung des eigenen Wohlstands und wirtschaftliche Prosperität. Zwar stößt US-Präsident Donald Trump mit seiner Entscheidung, Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte zu verhängen, weltweit auf Unverständnis, doch wird ein aufziehender Wirtschaftskrieg vor allen Dingen Deutschland treffen – und damit auch die Europäische Union.

Vergangene Woche besiegelte Trumps Unterschrift Einfuhrzölle auf Stahl in Höhe von 25 Prozent und auf Aluminium in Höhe von zehn Prozent. Nächste Woche sollen diese in Kraft treten. Der amerikanische Präsident begründete seine Entscheidung damit, dass Stahl von großer Bedeutung für die Verteidigungsfähigkeit der USA sei: „Ohne Stahl keine Nation.“ Ausgenommen von den Zöllen werden zunächst nur die Nachbarländer Kanada und Mexiko. Eine besondere Klausel soll es anderen Staaten ermöglichen, auf der Grundlage von Einzelfallentscheidungen Ausnahmen zu erreichen. Dafür müssen diese aber nachweisen, dass sie durch „alternative Mittel“ den negativen Einfluss, den ihre Stahllieferungen auf die nationale Sicherheit der USA hätten ausgleichen können. Die Vereinigten Staaten bräuchten ihre Stahlproduktion für ihre Verteidigungsindustrie. Diese Begründung ist notwendig, denn die Welthandelsorganisation (WTO) erlaubt protektionistische Maßnahmen, wenn die nationale Sicherheit eines Mitgliedsstaates gefährdet ist. Doch eine offizielle Stellungnahme der WTO blieb bislang aus. Der rechtliche Hintergrund der Maßnahmen sei noch unklar, so ein Sprecher.

Die EU hält das Argument der nationalen Sicherheit für nicht stichhaltig, denn das US-Militär benötige gerade einmal drei Prozent der Stahlproduktion. Dieser Deutungsweise folgt auch Berlin bislang. Sie hält die Zölle für „rechtswidrig“. Die Maßnahme diene rein wirtschaftlichen Interessen, so ein Regierungssprecher vergangene Woche. Bundeskanzlerin Angela Merkel ruft derweil zur Besonnenheit auf: Zwar sehe man die Zollerhebung mit Sorge. „Aber den Vorzug müssen jetzt erst einmal noch Gespräche haben.“ Die Bundesregierung alleine kann keine Gegenmaßnahmen ergreifen, denn Außenhandelsbeziehungen sind eine Sache der EU.

Wirtschaftswissenschaftler und Ökonomen sind sich uneins, wie auf die Ansage aus Washington geantwortet werden soll. Dennis Snower, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft, verweist auf Erfahrungen: „Wir wissen aus der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, was daraus erwachsen kann. Die restliche Welt ist deshalb gut beraten, sich mit Gegenmaßnahmen zurückzuhalten.“ so Snower in einem Interview mit der Tageszeitung Berliner Morgenpost. Ähnlich die Reaktion von Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Die Europäische Union müsse einen kühlen Kopf bewahren. Der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, spricht sich hingegen für angemessene Reaktionen aus: „Die EU darf nicht tatenlos zusehen, wie Trump die Welthandelsregeln mit Füßen tritt und zu seinen Gunsten verdreht.“ Die EU-Kommission plane daher zu Recht gezielte Nadelstiche mit Strafzöllen auf ausgewählte US-Produkte – wie Erdnussbutter und Jeans, Whiskey, Mais und Harley-Davidson-Motorräder.

Gegenschläge wird es ohnehin so schnell nicht geben. Noch setzt die EU-Kommission darauf, dass Europa von den Strafzöllen ausgenommen wird und zückt dazu die China-Karte, indem sie den Schwarzen Peter nach Peking abgibt, das mit Stahl zu Dumping-Preisen den Weltmarkt flute. In den nächsten Tagen sollen Gespräche zwischen Brüssel und Washington Klarheit bringen. Bleibt die USA bei ihrer Haltung, wird die EU zunächst Beschwerde bei der WTO einreichen. Zweiter Schritt der Eskalation wären dann die Einführung von Zöllen – in Rücksprache mit der WTO – für rund 200 US-Produkte. Alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben Zustimmung zu diesem Procedere signalisiert. Doch diese Eskalationsstufe wird ohnehin erst in einigen Monaten erreicht, denn die EU wird zunächst das Inkrafttreten der US-amerikanischen Zölle abwarten und hat sich dann 90 Tage lang Zeit für eine Reaktion gegeben.

In Europa gibt es derzeit mehr als 300 000 Beschäftigte in der Stahlbranche, davon rund 100 000 in Deutschland. Die Branche hat durchaus Gewicht. Die US-Zölle die beiden deutschen Branchenführer Thyssen-Krupp und Salzgitter nur im geringen Maße. Die Zahlen: Die USA importierten 2017 rund 36 Millionen Tonnen Stahl und damit weniger als acht Prozent der weltweit gehandelten 473 Millionen Tonnen. Thyssen-Krupp produzierte im vergangenen Jahr knapp zwölf Millionen Tonnen, davon wurden 500 000 Tonnen in die USA verschifft. Insgesamt gingen etwa 4,5 Produzent der deutschen Stahlproduktion in die Vereinigten Staaten. Beim deutschen Export fällt der Stahlhandel ohnehin nicht sonderlich ins Gewicht. Das ist eine Seite der Medaille.

Die andere: Weitaus größer wird der Effekt der Strafzölle, wenn nun der für die USA vorgesehene Stahl den europäischen Markt überschwemmt. Indirekt könnten diese Überkapazitäten nutzen, denn die weiterverarbeitende Stahlindustrie sollte einen Nutzen von fallenden Preisen haben – so absurd dies auch klingt. Doch sobald Zölle etwa auf Maschinen erhoben werden, insbesondere auf Autos, dann sind die Auswirkungen der US-Strafzölle weitreichend. Der Maschinenbau macht die Hälfte der deutschen Exporte aus. Das deutsche Auto würde in den USA auf jeden Fall teurer, sollte ein Zoll darauf erhoben werden, egal wie günstig der Stahl auch sein mag.

Martin Theobald
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