Das Epizentrum des Fortschritts im Weltraumbergbau liegt hinter den Bahngleisen. In einem unscheinbaren und fast leeren Gebäude auf dem Gelände von Paul Wurth sind das Silicon Valley und Cape Canaveral dermaßen weit weg, dass man sich kaum traut, durch den Eingang zu gehen. Und doch: Im zweiten Stock brennt Licht, an den Wänden hängen Bilder aus dem Weltraum und herrscht rege Geschäftigkeit. Die Mitarbeiter von Ispace teilen sich hier ein Gemeinschaftsbüro. In einem Bücherregal stehen Reiseführer und allerhand Gimmicks, ein Weihnachtsbaum ist dekoriert, und in der Ecke auf einem Tisch drapiert stehen sie: Die Moon rover, Mond-Geländewagen. Silberglänzend sind sie, mit Solarzellen ausgestattet, kleinen Antennen und breiten Rädern, die eigentlich eher aus Speichen bestehen. Und sie sind erstaunlich klein, in etwa von der Größe der Wägelchen, wie man sie Kleinkindern zum vor sich herschieben gibt, wenn sie laufen lernen, wenn sie laufen lernen. Auch sonst erinnern sie ein bisschen an Spielzeug, solches, das kleine Jungs und Mädchen aus Plastikteilen zusammensetzen. Und tatsächlich bestätigt sich beim Anfassen: Der Mini-Geländewagen besteht aus sehr hartem Plastik.
Mehr als zehn Jahre Forschung stecken in den Rovern. Entwickelt wurden sie im Rahmen des vom Internet-Riesen Google 2007 ausgeschrieben Lunar X Prize, ein Wettbwerb, dessen Ziel es war, Material zu entwickeln, um bis 2018 eine private Mondlandung zu vollziehen. Das Projekt wurde schließlich aufgeben. Dem japanischen Team Hakuto, das für die Mondmission den Geländewagen entwickelte, gehörten einige der Gründer der Firma Ispace an, die nun auch ohne Google am Projekt Mondlandung weiterarbeiten. Hauptsächlich geschieht das in Japan, wo sie derzeit auch einen Lander, also ein Landegerät, entwickeln, das den Geländewagen auf Mond absetzen soll.
Zwei Mondmissionen hat Ispace geplant und dafür bereits entsprechende Ladekapazität auf Falcon-9-Raketen der Firma Space X reserviert. In zwei Jahren soll eines der Ispace-Landegeräte auf Orbit um den Mond gebracht werden, um Daten zu sammeln für anschließende Missionen. Denn nur ein Jahr später, 2021, soll die zweite Mission folgen: Dann soll die Landung auf dem Mond gelingen. Aus dem Landegerät wird eine Ladeklappe heruntergelassen werden und der Rover herunterfahren. Dieser Rover soll einen zweiten Mini-Rover enthalten, der mit vier Kameras ausgestattet ist und der im 360-Grad-Winkel alles um ihn herum erfasst. Über ein Kabel soll er mit dem Haupt-Rover in ständiger Verbindung bleiben und dieser Mini-Rover ist es, der dann in Krater herunterfahren kann, um deren Oberfläche zu erforschen.
Im Rahmen der Initiative Spaceresources, die von der vorigen Regierung und mit dem Impuls von Wirtschaftsminister Etienne Schneider (LSAP) lanciert wurde, gründete Ispace eine Filiale in Luxemburg. 15 Mitarbeiter beschäftigt Ispace hier, alles Hochqualifizierte, mindestens mit einem Master-Abschluss. Während das Gros der Forschungs- und Entwicklungsarbeit an den Geräten, die 2020 ins All geschossen werden sollen, in Japan stattfindet, konzentrieren sich die Ingenieure in Luxemburg auf andere Bereiche. Sie arbeiten beispielsweise an den Navigationsinstrumenten, die es dem Mond-Geländewagen später erlauben sollen, sich auf dem Erdtrabant zu orientieren und an den Kommunikationsgeräten, welche die gesammelten Daten übertragen sollen. Das muss alles sehr schnell gehen, erklärt Maia Haass, Firmen-Pressesprecherin, die redet, als ob sie selbst einen Abschluss in Weltraumwissenschaften hätte. Denn auf dem Mond kann der Geländewagen nur einen Tag funktionsfähig bleiben – das sind immer 14 Tage auf der Erde – weil die Nächte auf dem Mond mit -150 Grad dermaßen kalt sind, dass die Batterien und Solarzellen nach einer Nacht unwiderruflich kaputt sind. In einer von Paul Wurth verlassenen Halle hat Ispace deshalb einen großen Sandkasten angelegt, in dem die Mondoberfläche mit Kratern nachgestellt ist. David Regad, Senior Payload Electrical Engineer, holt einen sehr starken Spot, um den Sandkasten in der ansonsten dunklen und kalten Halle zu beleuchten. Dort können er und seine Kollegen Gerätetests durchführen.
Eine weitere Mitarbeiterin, Expertin in Mond-Geologie, sucht nach geeigneten Orten, an denen der Lander auf der Mondoberfläche aufsetzen kann. Denn Hauptauftrag von Ispace Europe ist es, eine Mission vorzubereiten, um auf dem Mond nach Wasser zu suchen: Polar Ice Explorer. Diese Mission, für die noch kein festes Datum steht, soll im Rahmen der Europäischen Weltraumagentur (Esa) starten. Das heißt, dass die Firma das Projekt entwickelt und dafür Esa-Gelder, die Luxemburg eingezahlt hat, zur Finanzierung beantragt. Deshalb müssen die Ispace-Mitarbeiter nicht nur eine Landestelle in der Nähe von Orten aussuchen, an denen es wahrscheinlich Mondwasser geben könnte, damit der Rover nicht zu weit fahren muss. Sondern sie müssen in diesem Gebiet zudem eine Stelle identifizieren, die frei von Geröll und Felsen ist, durch die das Landegerät beim Aufsetzen kippen könnte und an der sich die Landklappe problemlos ausfahren lässt.
Dass sich die Firma, die auf dem Mond nach Wasser suchen will, in Europa ausgerechnet Luxemburg ausgesucht hat, ist dem Luxemburger Weltraumgesetz geschuldet, das Privatfirmen erlaubt, Besitz von im All abgebauten Rohstoffen zu nehmen. Doch mit der Inbesitznahme ist es nicht getan, erklärt Haas, da der Boden, auf dem geschürft werde, den Firmen nicht gehört. Mit der Frage, wie der Bergbau im All geregelt werden soll, wenn der Boden nicht erworben werden kann, beschäftigt sich deshalb die Den Hager Arbeitsgruppe für Weltraumressourcen, die ein Konsortium aus Unis von allen Kontinenten gegründet hat, zu dem auch die Luxemburger Universität gehört. In dieser Arbeitsgruppe ist Kyle Acierno, CEO von Ispace Luxemburg, ebenfalls Mitglied. Er beschäftige sich, erklärt Haas, ganz konkret damit, mit welchen Maschinen die begehrten Ressourcen im All überhaupt gefördert werden könnten. Das Epizentrum des Fortschritts im Weltraumbergbau liegt, wie gesagt, hinter den Bahngleisen.