Der Premier und sein Geheimdienst

Restabilisierung

d'Lëtzebuerger Land du 07.12.2012

Nach dem Bekanntwerden seines erstaunlichen Gesprächs mit dem ehemaligen Geheimdienstdirektor Marco Mille hatte Premier Jean-Claude Juncker am Donnerstag eine Pressekonferenz einberufen, um den Großherzog und sich selbst aus der Schusslinie zu ziehen. Wenige Stunden vorher hatte der großherzogliche Hof es für nötig befunden, in einer Presseerklärung seine „unerschütterliche Verbundenheit mit dem Rechtsstaat“ zu beteuern. Diese Versicherung kam insofern überraschend, als das Staatsoberhaupt gemäß Artikel fünf der Verfassung bei seiner Thronbesteigung ausdrücklich darauf vereidigt worden war, „die Verfassung und die Gesetze des Großherzogtums Luxemburg zu achten und die nationale Unabhängigkeit und die Integrität des Staatsgebietes sowie die öffentlichen und persönlichen Freiheiten zu wahren“. In einem ersten, später wohl für ungenügend gehaltenen Anlauf hatte der großherzogliche Hof am Samstag „aufs Entschiedenste in den Medien erschienene Informationen über Beziehungen, die er mit den britischen Geheimdiensten unterhalten hätte, dementiert“. Juncker rief nun in seiner Pressekonferenz dazu auf, dem Staatsoberhaupt doch bitte zu glauben, dass es sich keines „Hochverrats“ schuldig gemacht habe. Der Staatsminister sprach von „Gerüchten“ und polterte, mit ihnen werde „das Ende des Kretinismus erreicht“. Sein Geheimdienstdirektor hatte aber behauptet, über „glaubwürdige Berichte“ zu verfügen, laut denen „der Großherzog selbst ständige Kontakte zum englischen Dienst unterhält“ (d’Land, 30.11.). Junckers Antwort damals: „Weess en, datt dee vum engleschen Déngscht ass?“ Nach den glaubwürdigen Berichten, dass das Staatsoberhaupt Hochverrat begehe, fragte er nicht. Milles Warnung, dass Unbekannte im Palais oder im Staatsministerium  das Staatsoberhaupt oder den Regierungschef abhörten, hielt Juncker für unglaubwürdig. Er wollte es aber auch solange nicht ausschließen, bis ein befreundeter Geheimdienst die CD entschlüsselt hat, die der Service de renseignement von seinem Informanten, dem Geschäftsmann M., mit dem Hinweis erhalten hatte, darauf befinde sich ein Gespräch zwischen dem Großherzog und Jean-Claude Juncker über die Bombenanschläge der Achtzigerjahre. Weshalb statt des Katz- und Mausspiels um die Entschlüsselung der CD kein Ermittlungsverfahren wegen Er­pressungsversuchs samt Hausdurchsuchung zur Sicherung des unverschlüsselten Beweismittels bei Informant M. eingeleitet wurde, behielt der Premier lieber für sich. Geheimdienstdirektor Marco Mille hatte dem Premier in dem heimlich aufgezeichneten Gespräch erklärt, „sicher zu wissen“, dass der großherzogliche Hof Abhörmaterial zu beschaffen versucht habe, und den Personenschutz der großherzoglichen Familie mit einer unkontrollierbaren  „Privatarmee“ verglichen. Laut Juncker habe der Nachrichtendienst aber die Beschaffung von Abhörmaterial mit einer Fangschaltung der Polizei im Jahr 2005 verwechselt, als der Hof von einem anonymen Telefonanrufer bedroht wurde. Der Personenschutz bestehe aus vier abkommandierten Polizeibeamten, und wer könne schon gegen den Schutz des Staatsoberhaupts sein? Im Zusammenhang mit den Sicherheitsfragen hatte Juncker zudem in dem aufgezeichneten Gespräch ein leicht anders gelagertes Sicherheitsrisiko, „die Geschichte des Prinzen“ Guillaume, angesprochen. Anders als die ihm von Mille nachgesagten Beziehungen zum britischen Geheimdienst hatte der großherzogliche Hof all diese Behauptungen nicht dementiert, sondern sich lediglich Aufklärung gewünscht. Hatte Juncker noch vor 14 Tagen in einem RTL-Interview erklärt, dass sein Gespräch mit Mille „im Frühjahr 2008“ stattgefunden habe, so wusste er nun, dass es „im Januar 2007“ war. Um den Großherzog, sich selbst sowie den Nachrichtendienst in dessen derzeitiger Zusammensetzung aus der Schusslinie zu ziehen, ist der Premier bereit, einige ehemalige Beamte, die sich „verselbständigt“ hatten, hineinzuschieben. Mit der Unterstützung des um eine neue Jungfräulichkeit bemühten parlamentarischen Kontrollausschusses entsteht so ein 2009 glücklich abgeschlossener „Geheimdienstskandal“. Er muss nur noch in den nächsten Monaten historisch aufgearbeitet werden. Srel-Observierte sollen sogar ihre persönlichen Karteikarten besichtigen dürfen, als ob der CSV-Staat mit seinem Spëtzeldéngscht untergegangen wäre wie einst die DDR mit ihrer Stasi.

Romain Hilgert
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