Martine Hansen, CSV-Abgeordnete aus dem Norden, wird künftig die CSV-Fraktion anführen. Nachdem Claude Wiseler als Fraktionsvorsitzender wegen der verlorenen Wahlen auf eine Kandidatur verzichtete und auch Marc Spautz nicht mehr als Parteipräsident antreten will, redet manch einer jetzt die Erneuerung der CSV herbei.
Das ist unrealistisch und allenfalls Wunschdenken. Neu an Martine Hansen ist, dass sie die erste Frau in der CSV-Geschichte ist, die den Fraktionsvorsitz übernimmt. In Oppositionszeiten wohlgemerkt, wenn die Karre im Dreck steckt. Sie ist in ihrem Wahlbezirk populär, das hat sie mit ihrem deutlichen Stimmenzuwachs bei den Wahlen bewiesen. Als ehemalige Direktorin der Ackerbauschule weiß sie, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen und sich in einer Männerdomäne durchzusetzen. Zudem gilt die Politikerin als loyal, sie genießt Vertrauen in der Partei. Aber nicht bei allen, wie die Gegenstimmen beim Votum in der Fraktion am Mittwoch zeigten.
Vor allem aber zeigte die Abstimmung: Die Partei ist sich nach wie vor nicht darüber einig, wie es weitergehen soll. Nachdem überdeutlich geworden ist, dass ein Aussitzen auf der Oppositionsbank und ein uninspirierter Plan als Wahlprogramm, der dazu viele Ideen des politischen Gegners aufgriffen hatte, nicht ausreichen, um die Wähler zu überzeugen und zurück an die Macht zu gelangen, herrscht Rätselraten, wie es weitergeht. Wie wird sich die Partei wieder fangen? Kann sie das überhaupt? Die Funkstille nach der Wahlniederlage, das Zögern, sogleich einen echten Schnitt zu wagen und stattdessen lieber abzuwarten, ob die Dreierkoalition nicht vielleicht doch vor der Regierungsbildung auseinanderbricht, ist Ausdruck des desolaten Seelenzustands der CSV. Noch immer wollen viele in der Parteiführung offenbar nicht einsehen, dass es nach einer goldenen Juncker-Ära, die mit einem Geheimdienstskandal und einer handfesten Führungskrise endete, echtes Umdenken braucht.
Dass mit Hansen keine inhaltliche Erneuerung kommen wird, dafür spricht nicht nur, dass sie zur Generation vom Breede Wee gehört, die gehofft, ja damit gerechnet hat, nach fünf Jahren Opposition zurück ans Ruder zu gelangen, als sei dies ein Erbrecht. In den Diskussionen nach der Wahlniederlage 2013 hat sich Hansen wenig aus der Deckung gewagt, sondern wie andere ihrer Generation darauf gesetzt, mit etwas Ausdauer die Durststrecke bald zu überstehen. Statt Kante mit eigenen Ideen zu zeigen, blieben sie und ihre FraktionskollegInnen blass. Auch die nächste Chance, die Arbeiten zum Wahlprogramm, nutzte sie nicht: Das von ihr verantwortete Bildungskapitel war, aller kenntnisreichen parlamentarischen Interventionen zum Trotz, wie der Rest des christlich-sozialen Masterplans ohne Inspiration.
Dass es mehr um Machtzuwachs einzelner Köpfe denn um eine Rundumerneuerung geht, zeigt sich auch daran, dass sich mit Frank Engel und Luc Frieden zwei Männer für den Parteivorsitz in Position bringen, die zur ausrangierten Garde der Partei gehören – Engel ist Europaabgeordneter, fällt gelegentlich mit markigen Sprüchen auf und war Gründer des rechten Thinktank Cercle Joseph Bech. Der ehemalige Justiz- und Finanzminister Luc Frieden galt schon einmal als Anwärter auf den Premierposten, bis er er sich durch berufliche Entscheidungen selbst ins Aus schoss. Früher kamen wichtige Denkanstöße aus den Reihen der Christlich-Sozialen Jugend. Von dort startete Jean-Claude Juncker seine politische Karriere, und es war die CSJ, die nach Junckers Weggang vehement ein Umdenken forderte. Doch die Denker von einst sind älter oder müde geworden. Serge Wilmes, nach Claude Wiseler Zweitgewählter im Zentrum, hat ebenfalls Interesse am Posten als Parteichef angemeldet, zählt aber als Erster Haupstadt-Schöffe inzwischen selbst zum Establishment.