DP

Claude the Crooner

d'Lëtzebuerger Land du 29.05.2008

Von der „neuen DP“ und davon, dass der „Erneuerungsprozess angekommen“ sei, gleichzeitig aber auch „wei­tergeht“, schwärmte Parteivorsitzender Claude Meisch am Samstag auf dem Parteitag der Liberalen. Inzwischen hat sich tatsächlich manches bei der DP geändert: Bis auf Frak­tionssprecher Charles Goerens hat sie die ganze Generation 1999 in die zweite Reihe oder in den Ruhestand befördert, und ein Jahr vor den Wahlen hat sich die neue Parteiführung eine Strategie zurechtgelegt, mit der sie versuchen wird, es besser zu machen als ihre Vorgänger 2004.

Neu war zuerst der Kongress selbst, der dank dem neuen Parteifinanzierungsgesetz als aufwändige Fernseh­show inszeniert war, mit Generalsekretär Georges Gudenburg als Show­master und Claude Meisch als Crooner. Sie stolzierten mit drahtlosen Mikro­fonen umher und unterhielten drei Stunden lang die Parteimitglieder. Rund 250 waren gekommen, obwohl sie seit vier Jahren in jeder Meinungsumfrage lesen müssen, dass ihre Par­tei noch immer nicht aus dem Loch gestie­gen ist, in das sie 2004 gefallen war.

Neu ist natürlich auch das delfin-freie Logo, das „modern und kompakt“ sei, so Meisch. Mit dem grünen Punkt in der Mitte soll auch ein Stück von dem jungen, modischen Liberalismus beansprucht werden, den die Grünen so erfolgreich verkörpern. „Liberale Grüne“ zu sein, hatte sich Meisch in seiner Verzweiflung auf dem Parteitag vor einem Jahr gewünscht. Von Umweltschutz war allerdings nicht viel zu hören am Samstag, außer dass die Bürger die Lust am Kampf gegen den Klimawandel verlören, wenn er sie belastete.

Vor allem aber hat sich die Wahlkampfstrategie geändert. Die neue DP kennt nur einen Gegner, die CSV. Dazu durfte der Mann fürs Grobe, Georges Gudenburg, am Samstag wieder einmal über die Christlich-Sozialen herfahren: „Die CSV ist heute das Synonym für politische Bankrotterklärung“, sie sei wohl eine Denkfa­brik, „aber sie denkt nur an sich selbst“. Ein Buchhalter, der sich wie Haushalts­minister Luc Frieden um Milliarden verrechne, würde in jedem Privatbetrieb entlassen. Meisch warf der CSV vor, „Angstpolitik“ zu betreiben und einen „Angstwahlkampf“ anzustreben.

Auch die Vorgängergeneration in der DP wetterte in liberaler, antiklerikaler Tradition privat gerne gegen die „Pafen“. Aber im Wahlkampf legte sie sich aus arithmetischer Vernunft lieber mit der LSAP an, um deren Platz als Koalitionspartner der CSV einzunehmen. Besonders stolz zeigte sich Gudenburg deshalb darüber, dass „wir wieder wissen, wofür die DP steht“. Gerade daran hatte nicht bloß der politische Gegner, sondern die eigene Parteibasis in den vergangenen Jahren gezweifelt.

Nun will die DP die vielen Mittelschichtenwähler zurück haben, welche die CSV ihr 2004 abspenstig gemacht hatte. Und, ohne auf dem Kongress darauf einzugehen, setzt sie auf den möglichen Abgang von Premier Jean-Claude Juncker, der die CSV gleich mehrere Sitze kosten würde, so hofft sie. Einige dieser Sitze wollen die Liberalen erhaschen, selbst wenn die Rechte nicht so geschwächt würde, dass eine Koa­lition ohne CSV möglich würde. Um dieses Ziel zu erreichen, versucht die DP, die Mittelschichtenwähler zu überzeugen, dass die CSV sie wirtschaftlich schädigte und politisch betrog. Dass die fleißigen Mittelschich­ten zwischen den raffgierigen Oberschichten und den umstürzlerischen Unterschichten aufgerieben würden, ist seit einem Jahrhundert ein liberaler Lieblingstopos.

Claude Meisch hatte schon vergange­ne Woche während einer Pressekonferenz vorgerechnet, wie schlecht es einer Mittelschichtenfamilie im CSV-Staat gehe. Denn einem vierköpfigen Haushalt mit einem mittlerem Halbnettoeinkommen von 4 683 Euro plus Kinderbonus blieben nach 2 096 Euro Ratenzahlung auf dem Eigenheim, 1 195 Euro Kinderkrippengebühren, 850 Euro für Heizung, Wasser, Strom und Auto noch 662 Euro „Kaukraft“ oder 170 Euro pro Haushaltsmitglied. „Da werden Urlaub und Restaurantbesuch zum Luxus.“ 

Das Thema Kaufkraft ist auch ein Versuch, am Index-Wahlkampf vorbeizukommen, bei dem die DP nichts zu gewinnen hätte. Hatte die neue Mann­schaft anfangs versucht, zur Freude ihrer mittelständischen Stammwählerschaft ihr Profil mit einigen radikalliberalen Sprüchen zu schärfen, so gab sie sich am Samstag lieber sozialstaatlich. Denn mit dem kleinen Mittelstand von Selbstständigen ist keine Wahl zu gewinnen, mit den Mittelschichten, zu denen auch Zehntausende von Angestellten und Beamten zählen, schon eher.

Daneben will die DP die Gesellschaftspolitik zum Thema machen, um die CSV-Wähler aus den Mittelschichten zu überzeugen, dass der ideologische Mief der Klerikalen nicht ihre Welt ist. Gudenburg versuchte am Beispiel der Reform der Staatsbürgerschaft und der Legalisierung der Euthanasie zu veranschaulichen, dass die Erneuerung der CSV gescheitert sei, dass sie weiterhin „konservativ in den Prinzipien und reaktionär in ihren Standpunkten“ sei.

Romain Hilgert
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