„Dies ist nur ein Anfang“, betonen Tom Theves und Simone Polfer vom Wirtschaftsministerium, wenn sie den Aktionsplan Umwelttechnologien ansprechen. Der Plan geht wie die Initiativen in Sachen Gesundheitstechnologien und Logistik auf das Jahr 2004 zurück, als man sich im Wirtschaftsministerium vornahm, fortan bei den Diversifizierungsbemühungen gezielt auf spezifische Bereiche zu setzen. Der Plan sei keine kurzfristige Antwort auf die aktuelle Krise, sondern als langfristige Maßnahme zu verstehen. Die Erwartungsdruck ist angesichts der Rezessionsängste allerdings groß.
Bereits jetzt gibt es in Luxemburg 188 Firmen und Unternehmen, die im Bereich der Umwelttechnologien tätig sind, sei es in Forschung oder Herstellung. Das ergibt eine von Luxinnovation erstellte Firmenkartographie, die feststellen sollte, welche Kompetenzen in Luxemburg vorhanden sind. Wie viele Arbeitsplätze von den Umwelttechnologien abhängen, kann man derzeit noch nicht genau sagen, verlässliche Zahlen zu ermitteln ist schwierig. Paul Wurth, der Hochofenspezialist, hat beispielsweise eine Abteilung, die Filteranlagen entwickelt, erklärt Theves. Auch das sei Umwelttechnologie, deswegen könne aber nicht das gesamte Personal des Unternehmens in die Statistik aufgenommen werden. Wie viele Dupont-Arbeiter, die Isolationsmaterialien herstellen, die durchaus in den Bereich der Umwelttechnologie fallen, soll man mitzählen? Luxinnovation hat jedoch nicht nur industrielle Großfirmen aufgestöbert. Immer mehr Start-Ups entwickeln oder nutzen Umwelttechnologie. Das merkt man, bekräftigt der Beamte, auch in den Subventionsanträgen, die beim Ministerium eintreffen. Eine Firma, hat sich zum Beispiel ein System ausgedacht, das die Entweichung von Wärme, und damit Energie, durch Aufzugschächte reduziert. Zu den 188 Firmen gehören aber auch Handwerker, die sich auf die Installation einer Umwelttechnik spezialisiert haben, oder Ingenieurbüros, die in der Beratung und Planung tätig sind.
Die Erhebung von LuxInnovation hat ergeben: Die Umwelttechnologien sind ein extrem breitgefächertes Wirtschaftsfeld. Deswegen erhielten Forscher der Uni Luxemburg den Auftrag, Teilbereiche zu identifizieren, denen man im Ausland großes Wachstumspotenzial zuspricht. Dazu wurden Wissensstand und Erkenntnisse aus sieben europäischen Ländern verglichen. Denn Luxemburg ist beileibe kein Vorreiter in der Umwelttechnik. Das Thema ist angesichts der Schwierigkeiten in traditionellen Industriezweigen auch bei den Nachbarn brandaktuell.
Vergangenen Herbst legte die deutsche Regierung ihren Masterplan Umwelttechnologien vor, die Österreicher bestimmten ihre Strategie bereits 2007. Die Deutschen wollen ihre Energie auf die Bereiche Wasser, Rohstoffe und Klimaschutz konzentrieren. Umweltminister Sigmar Gabriel sagte im November, das globale Marktvolumen für Umweltschutztechnik liege derzeit bereits bei einer Billion Euro, im Jahr 2020 könnten es gar 2,2 Billionen sein. Die deutsche Wirtschaft setzt auf die Umwelttechnologie, um ihren Titel als Exportweltmeister zu verteidigen. Im Jahr 2006 wurden Umweltschutzgüter im Wert von 56 Milliarden Euro ins Ausland geliefert. SPD-Fraktionschef Peter Struck sagte der Welt am Sonntag vergangene Woche, die Umweltbranche werde die Automobilbranche in wenigen Jahren an Bedeutung für die deutsche Wirtschaft überholen.
Auch die Österreicher sehen in den Umwelttechnologien die Chance überhaupt, ihre Exportzahlen zu steigern und damit Arbeitsplätze zu schaffen. Dafür gibt es gute Gründe. Erstens setzen viele darauf, dass der neue US-Präsident Barack Obama eine neue Umwelt- und Klimaschutzpolitik einleiten wird. In China ist die Führung angesichts der häufigen Umweltkatastrophen, der Verseuchung von Lebensmitteln, der hohen Luftverschmutzung und der dadurch wachsenden Unzufriedenheit der Bevölkerung gezwungen, mehr für den Umweltschutz zu tun.
Zweitens schaffen auch steigende Umweltstandards in der EU, gekoppelt an deren Ambitionen auf die Vorreiterrolle im Klimaschutz, Chancen für die Branche. Die European Wind Energy Association (EWEA) rechnete diese Woche in Brüssel vor, der Windenergiesektor habe in den vergangenen fünf Jahren jeden Tag 33 neue Jobs geschaffen. Von heute 154 000 würde die Zahl der Beschäftigten in der Branche bis 2020 auf 325 000 ansteigen. Die Turbinenhersteller beschäftigen laut EWEA 37 Prozent der Arbeitnehmer und 75 Prozent aller Stellen befänden sich in den Windenergie-Pionierländern Dänemark, Deutschland und Spanien.Um herauszufinden, was das alles für Luxemburg heißt, in welchen Teilbereichen der Umweltwertschöpfungskette sich die Chancen für die Luxemburger Wirtschaft befinden, hat das Wirtschaftsministerium einen ausländischen Experten eingespannt: Dominique Drouet, der bereits den französischen Umwelttechnikplan betreut hat.
Das Papier, das Wirtschaftsminister Jeannot Krecké seinen Regierungskollegen vor ein paar Wochen zur Abstimmung vorstellte, verfolgt demnach zwei Ziele. Auf Basis der Expertenarbeit soll bestimmt werden, wie man bereits aktive Unternehmen besser fördern, wie man ausländische Firmen hierher locken, oder die Schaffung neuer Start-Ups unterstützen kann. Zweitens sollen die hiesigen Firmen – egal aus welchem Bereich – veranlasst werden, verstärkt auf Umwelttechnologien zurückzugreifen, um „sauberer“ zu werden und so die heimische Umweltbilanz zu verbessern. Und als Nebeneffekt dadurch die Nachfrage nach Dienstleistungen und Produkten steigern.Einige wenige konkrete Aktionen sind schon geplant.
LuxInnovation wird noch im Februar ein neues cluster mit dem Code-Namen écodev gründen, um die Gemeinschaft der Aktiven besser zu vernetzen, sprich Firmen in Kontakt mit den Forschungszentren zu bringen und dadurch Synergien zu fördern. Neues Werbematerial, nach dem Vorbild der Hochglanzbroschüren über die Logistik- oder die Automobilzuliefererbranchen, soll entworfen werden, damit die Offiziellen auf ihren Promotionsreisen künftig gezielt den Export von Luxemburger Know-how, Dienstleistungen und Produkten vorantreiben können. Gut möglich, dass man dabei auf die SuperDreckskëscht® verweist, die ihr Konzept urheberrechtlich geschützt in die Schweiz exportiert hat, und das auch Interesse in den Arabischen Emiraten weckt. Dabei soll Luxemburg wiederum auch als Gateway to Europe präsentiert werden. Schließlich kennen die hiesigen Ingenieurbüros die geltenden Bau- und Umweltnormen Deutschlands, Frankreichs und Belgiens. Ein Standortvorteil, den ausländische Firmen mit Niederlassungsabsichten in Westeuropa gerne nutzen würden, wenn sie nur davon wüssten, glaubt man im Wirtschaftsministerium.
Hauptsächlich Simone Polfer, die nun im Ministerium freigestellt wurde, damit sie ihre ganze Energie auf das Projekt verwenden kann, soll in Zusammenarbeit mit den Kollegen vom Ministerium für öffentliche Bauten ausloten, wie der Einsatz von Umwelttechnologien in öffentlichen Projektausschreibungen berücksichtigt werden kann. Dadurch will man dazu beitragen, dass sich neue Standards etablieren, die dann auch an anderer Stelle als Norm dienen können. Überhaupt soll eine interministerielle Gruppe gebildet werden, darin soll natürlich das Umweltministerium vertreten sein, aber auch die Beamten des Mittelstandsministerium tagen. „Viele unserer administrativen Prozesse sind auf die Technologien gar nicht eingestellt“, sagt Polfer. Welche Art der Handelsermächtigung braucht eine Umwelt-Start-Up? Erlauben es die Kommodo-Regeln, eine Produktion von Umweltschutzprodukten aufzubauen?
Schnellstmöglich sollen auch die neuen EU-Richtlinien, die den Einsatz von Umwelttechniken in Industrie und Wirtschaft fördern, umgesetzt werden. So erlaubt die Kommission mittlerweile höhere Bezuschussungen auch für mittelständische Unternehmen. Künftig könnten beispielsweise Machbarkeitsstudien für Firmen mitfinanziert werden, die die Energieeffizienz ihrer Produktion steigern wollen, ohne dass dies als illegale staatliche Hilfe gilt, erklärt Polfer. Und unterstreicht abermals: Die Umwelttechniken seien keine Wundermedizin für die schwächelnde Wirtschaft, sondern eine langfristige Investition in die Zukunft. Sollte der Plan aufgehen und künftig im Ausland mit Erfolg für die grünen Kompetenzen Luxemburgs geworben werden, könnte dadurch vielleicht endlich eine positive Assoziation zu Luxemburg hergestellt werden. Vielleicht könnte, was den Schweizern neben Bankgeheimnis ihre Schokolade und Ricola sind, den Luxemburgern ihre SuperDrecksKëscht® werden.